VwGH 95/18/0765

VwGH95/18/07659.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Februar 1995, Zl. 300.207/2-III/11/95, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z3;
FrG 1993 §10 Abs3 Z2;
AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z2;
FrG 1993 §10 Abs1 Z3;
FrG 1993 §10 Abs3 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 16. Februar 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 24. November 1994 auf Erteilung (nach der Aktenlage: auf Verlängerung) einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG abgewiesen.

Die belangte Behörde habe ihre Entscheidung im Rahmen des vom Gesetz eingeräumten Ermessensspielraumes zu treffen, wobei aus den §§ 2 und 3 AufG klare Kriterien für die Art und Weise ableitbar seien, wie dieser Spielraum genutzt werden solle. Bei der Ermessensübung habe sich die Behörde von der ebenfalls im Gesetz begründeten Überlegung leiten zu lassen, daß angesichts der gesetzlichen Zielsetzung Prioritäten gesetzt werden müßten. Im Hinblick auf diese Zielsetzung könne eine Aufenthaltsbewilligung für private Zwecke an sich arbeitsfähiger Personen prinzipiell nicht erteilt werden.

Aus den Angaben des Beschwerdeführers gehe hervor, daß er nach wie vor keiner Erwerbstätigkeit nachgehe und eine solche auch nicht aufzunehmen gedenke. Der Unterhalt des Beschwerdeführers solle allein durch die "Verpflichter" (das sind die Schwester und der Schwager des Beschwerdeführers die für ihn jeweils eine Verpflichtungserklärung abgegeben haben) bestritten werden. Eine solche Finanzierung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers durch Dritte ohne Gegenleistung sei aber nicht glaubwürdig und auch nicht geeignet, die dauernde Sicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers i.S. des § 5 Abs. 1 AufG zu gewährleisten.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

2.1. Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides erblickt die Beschwerde darin, daß die belangte Behörde die beiden vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Verpflichtungserklärungen - denen ein Gesamteinkommen von monatlich S 25.000,-- netto, 14 mal jährlich, zugrunde liege - nicht als "tragfähig" anerkannt habe. Dies sei "reine Willkür, führe die Praxis der Verpflichtungserklärung ad absurdum und widerspreche auch dem § 10 Abs. 3 FrG, wonach trotz Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z. 2 oder 3 oder gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen ein Sichtvermerk erteilt werden könne, wenn aufgrund einer (näher qualifizierten) Verpflichtungserklärung die Tragung aller Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, gesichert erscheine.

2.2. Mit der insoweit tragenden Aussage in der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß eine Finanzierung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers durch Dritte "nicht geeignet (ist), die dauernde Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG zu gewährleisten", brachte die belangte Behörde - was durch die vorangegangene Begründungspassage, daß aufgrund der Zielsetzungen des AufG eine "Aufenthaltsbewilligung für private Zwecke an sich arbeitsfähiger Personen prinzipiell nicht erteilt werden (kann)" unterstrichen wird - nicht (bloß) zum Ausdruck, daß die ihr vom Beschwerdeführer vorgelegten Verpflichtungserklärungen seiner Schwester (vom 23. November 1994) und seines Schwagers (vom 29. Dezember 1994) etwa aufgrund von diesen anhaftenden Mängeln oder aus in der Person der Genannten und/oder aus in deren Einkommens- oder Vermögensverhältnissen gelegenen Gründen zur Glaubhaftmachung der Sicherung des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers untauglich seien. Vielmehr leuchtet aus der besagten Begründung die Auffassung der belangten Behörde hervor, daß ihrer Meinung nach bei Heranziehung des im § 5 Abs. 1 AufG mit den Worten "insbesondere aber" hervorgehobenen Ausschließungsgrundes des nicht gesicherten Lebensunterhaltes die Berücksichtigung einer für den Fremden abgegebenen Verpflichtungserklärung - anders als bei Vorliegen eines Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 oder 3 FrG - schlechthin nicht in Betracht komme.

Diese Rechtsansicht ist verfehlt. Der im § 5 Abs. 1 AufG im Anschluß an die Verweisung auf die Sichtvermerksversagungsgründe des § 10 Abs. 1 FrG hervorgehobene Ausschließungsgrund des nicht gesicherten Lebensunterhaltes ist kein zusätzlicher, über die Sichtvermerksversagungsgründe des § 10 Abs. 1 Z. 2 und Z. 3 FrG hinausgehender Versagungstatbestand, sondern entspricht diesen inhaltlich. Die nochmalige Anführung des nicht gesicherten Lebensunterhaltes des Fremden bringt lediglich die besondere Bedeutung zum Ausdruck, die der Gesetzgeber diesem Ausschließungsgrund für den Geltungsbereich des Aufenthaltsgesetzes beimißt (siehe auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. März 1995, B 2259/94).

Daraus ergibt sich, daß die Ausnahmebestimmung des § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG, wonach die Behörde einem Fremden trotz Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z. 2 oder 3 oder gemäß Abs. 2 einen Sichtvermerk erteilen kann, wenn aufgrund der Verpflichtungserklärung einer Person mit ordentlichem Wohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen können, gesichert erscheint, auch dann zum Tragen kommt, wenn die Behörde ihre Entscheidung nicht ausdrücklich auf das Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 2 oder Z. 3 FrG, sondern auf den im § 5 Abs. 1 AufG hervorgehobenen, inhaltsgleichen Ausschließungsgrund des nicht gesicherten Lebensunterhaltes des Fremden stützt.

3. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG verneinte - wobei auch bei Heranziehung dieser Norm der Lebensunterhalt des Fremden für die Geltungsdauer der Bewilligung und nicht "dauernd" gesichert sein muß -, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß einerseits an Stempelgebühren für die zwei Beschwerdeausfertigungen lediglich S 240,-- zu entrichten waren und andererseits entgegen den Angaben in der Beschwerde eine (mit S 120,-- gestempelte) Vollmacht nicht vorgelegt wurde.

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