VwGH 95/18/0381

VwGH95/18/03814.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der N in Grünbach am Schneeberg, vertreten durch Dr. Edwin Schubert und Dr. Rudolf Rammel, Rechtsanwälte in Neunkirchen, Triester-Straße 21, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 24. November 1994, Zl. Fr 2905/94, betreffend Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung gemäß § 54 Abs. 1 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 24. November 1994 wurde aufgrund des Antrags der Beschwerdeführerin gemäß § 54 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß sie in dem von ihr bezeichneten Staat Jugoslawien gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Die Beschwerdeführerin sei am 26. Jänner 1992 in das Bundesgebiet gelangt. Sie habe am 27. Jänner 1992 einen Asylantrag eingebracht. Am 31. Jänner 1992 sei sie niederschriftlich einvernommen worden. Bei dieser Einvernahme habe sie angegeben, daß sie zu einer albanischen Minderheit im Kosovo gehöre und deshalb "immer Schwierigkeiten" gehabt hätte. Ihr Mann wäre schon sieben Jahre "in Amerika" und hätte sie nicht mehr besucht. Wegen des Krieges hätte sich die Beschwerdeführerin entschlossen, ihre Heimat zu verlassen und zu ihrem Mann zu gehen. Sie würde keine sichere Zukunft mehr in ihrer Heimat sehen, ihr Leben sei durch den Krieg auch bedroht. Deshalb wäre die Beschwerdeführerin mit ihrem Sohn und ihren Nachbarn nach Österreich gekommen. Sie hätte die Absicht, nach Amerika "weiterzuwandern". Diese niederschriftliche Einvernahme sei im Beisein eines Dolmetschers geführt worden.

Am 17. Juni 1994 sei die Beschwerdeführerin bei der Erstbehörde niederschriftlich einvernommen worden. Es sei ihr zur Kenntnis gebracht worden, daß es unmöglich wäre, im Inland eine Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Die Beschwerdeführerin sei über die beabsichtigte Ausweisung und "über den Antrag gemäß § 54 Fremdengesetz in Kenntnis gesetzt" worden. Hinsichtlich des Antrages auf Unzulässigkeit der Abschiebung nach Jugoslawien habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, daß sie im Falle ihrer Rückkehr mit ihrer Verhaftung durch die serbische Polizei und mit ihrer Erschießung rechnen müßte. Die serbische Polizei würde "mit ihr machen, was sie wolle". Als Grund für die Verhaftung und Erschießung genügte es, daß die Beschwerdeführerin aus dem Kosovo käme.

In ihrer Berufung gegen den Erstbescheid habe die Beschwerdeführerin ausgeführt, daß im November 1991 und Anfang Jänner 1992 Hausdurchsuchungen durch die serbische Miliz in ihrem Haus stattgefunden hätten. Man wäre mit vorgehaltenen Schußwaffen und Eisenstöcken gewaltsam in das Haus der Beschwerdeführerin eingedrungen und es wäre wahllos mit Eisenstöcken und Waffen zugeschlagen worden.

Die Beschwerdeführerin sei in ihrer Heimat nicht politisch tätig gewesen. Nach ihren Ausführungen habe sich ihr Ehemann zum Zeitpunkt der Einbringung ihres Asylantrags bereits seit sieben Jahren in Amerika aufgehalten. Die Benachteiligung durch die serbischen Behörden, die Einsamkeit der Beschwerdeführerin und der Krieg hätten sie jedoch zur Ausreise bewogen. Von einer Hausdurchsuchung durch gewaltsames Eindringen der "serbischen Milizen" habe die Beschwerdeführerin bei der Ersteinvernahme nichts angegeben. Ein derart gravierendes Ereignis, das zudem aufgrund ihres Berufungsvorbringens auch zu Verletzungen geführt haben müßte - Zuschlagen mit Waffen und Eisenstöcken - sei so einprägsam, daß es bei der erstmöglichen Gelegenheit und noch bei "aktuellem Erinnerungsvermögen" gegenüber der Asylbehörde des Zufluchtslandes bekanntgegeben würde. Des weiteren würden erfahrungsgemäß noch Verletzungsfolgen sichtbar sein, sofern die Gewaltanwendung von nicht unerheblicher Intensität erfolgt wäre. Die belangte Behörde messe den ersten unbeeinflußten Angaben der Beschwerdeführerin bei der Asylbehörde eine höhere Glaubwürdigkeit bei als jenen nach ihrem nunmehr ca. zweijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Stichhaltigkeit der Gefahren gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG müßte vom Fremden zumindest glaubhaft dargelegt werden. Die Glaubwürdigkeit und Schlüssigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin lägen demnach nicht vor. Die von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen der Verwaltunsgerichte in Deutschland dokumentierten die "erdrückende Situation" der albanischen Volksgruppe. Dadurch werde jedoch nicht die Behörde entbunden, sich mit dem Vorbringen des Fremden auseinanderzusetzen bzw. wäre ein "eigenständiges Vorbringen" nicht entbehrlich. Der Fremde habe, abgesehen von amtsbekannten bzw. durch Medien und internationale Organisationen veröffentlichten Berichten, die Gründe darzulegen, inwieweit für ihn die Gefahr nach § 37 Abs. 1 oder 2 FrG vorliege. Dies habe die Beschwerdeführerin aber nicht schlüssig darlegen können.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde bringt gegen den angefochtenen Bescheid vor, daß "allein der Umstand", daß sie eine Angehörige "der albanischen Bevölkerungsgruppe moslemischen Glaubensbekenntnisses" sei, für die Frage des Vorliegens der Tatbestände nach § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG "von Relevanz" wäre. Bei der drohenden Verfolgung aufgrund der albanischen Volkszugehörigkeit sei es ohne Bedeutung, ob persönliche politische Verfolgung vorliege. Es sei allgemein bekannt, daß Albanern aus dem Kosovo im Falle ihrer Rückkehr dorthin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung in Form von Gruppenverfolgung drohe. Die albanische Bevölkerungsgruppe, die "etwa 90 % der Gesamtbevölkerung von ca. 2 Millionen" ausmachte, wäre in ihrer Gesamtheit ein Opfer der Verfolgung durch den "serbischen Staat". Dieser verfolgte in Anknüpfung an die ethnische Abstammung die Mitglieder dieser Gruppe mit den Mitteln der Einschüchterung, Unterdrückung, Willkür und andauernder gewaltsamer Repression. Die Verfolgung hätte das Ziel, ihnen entweder die "ethnische Identität" zu nehmen oder sie endgültig zu vertreiben. Nach den vorliegenden Erkenntnissen "deutscher Höchstgerichte" ließe sich ein durchgängiges Muster unzähliger schwerer Menschenrechtsverletzungen gegenüber ethnischen Albanern an den Rechtsgütern Leib, Leben und persönliche Freiheit allein wegen ihrer Volkszugehörigkeit durch willkürliche Handlungen "serbischer Polizisten und Sicherheitskräfte" feststellen. Diesbezügliches sei auch in Österreich allgemein bekannt. Seitens der serbischen Behörden komme es auch gegenüber unpolitischen ethnischen Albanern zu zahlreichen willkürlichen Übergriffen und körperlichen Mißhandlungen. Es seien Angehörige der Volksgruppe der Albaner im Kosovo mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung durch den "serbischen Staat" ausgesetzt. Der "serbische Staat" verfolge diese Gruppe in einer Weise, die bei jedem dort lebenden Albaner die begründete Furcht erwecken müsse, selbst alsbald ein Opfer einer Verfolgungsmaßnahme zu werden. Die Repressionsmaßnahmen richteten sich gegen die Volksgruppe der Albaner als solche.

1.2. Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerde die Rechtslage.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. April 1997, Zl. 97/18/0146, mwH).

Das allgemein gehaltene, auf die gespannte Situation im Heimatgebiet der Beschwerdeführerin abgestellte Vorbringen ist daher nicht geeignet, eine Gefährdung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder eine Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, läßt es doch mangels Darlegung konkreter, die Person der Beschwerdeführerin betreffender, einschlägiger Fakten keinen Schluß auf die Annahme zu, sie hätte im Fall ihrer Rückkehr in ihren Heimatstaat dort mit der Gefahr unmenschlicher Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe (§ 37 Abs. 1 FrG) oder/und mit der Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Freiheit aus den im § 37 Abs. 2 leg. cit. genannten Gründen zu rechnen (vgl. das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 4. April 1997). Im übrigen ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, daß der bloße Hinweis auf die Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe im Kosovo nicht ausreicht, um eine die Beschwerdeführerin individuell betreffende aktuelle Verfolgungssituation darzutun.

2.1. Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid weiters ein, daß dieser "an erheblichen Begründungsmängeln" leide. Im angefochtenen Bescheid werde lediglich festgestellt, daß aufgrund ihres Vorbringens und der "entscheidungsrelevanten Unterlagen" festzustellen sei, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß sie in "Restjugoslawien" gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei. Die Begründung, daß die Ausführungen der Beschwerdeführerin unglaubwürdig seien, weil sie von einer Hausdurchsuchung durch gewaltsames Eindringen der serbischen Milizen bei ihrer Einvernahme vor der Asylbehörde nichts angegeben habe, sei "zweifelsfrei nicht ausreichend". Das "Überprüfungsverfahren" sei mangelhaft durchgeführt worden und die Beschwerdeführerin sei bei ihrer ersten Einvernahme nicht ausreichend und vollständig "dahingehend" einvernommen worden. Die Behörde wäre verpflichtet gewesen, "in dieser Richtung eine genaue Befragung durchzuführen", die von der belangten Behörde aufgrund der Einvernahme der Beschwerdeführerin vor der Asylbehörde getroffenen Feststellungen reichten bei weitem nicht aus, den Sachverhalt rechtlich zu überprüfen.

2.2. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, daß die Behörde dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung gegen den Erstbescheid, daß nämlich im November 1991 und Anfang Jänner 1992 Hausdurchsuchungen durch die "serbische Miliz" im Haus der Beschwerdeführerin stattgefunden hätten (vgl. Pkt. I.1.), keinen Glauben geschenkt hat. Diese Beweiswürdigung hat die Behörde damit begründet, daß sie den "ersten unbeeinflußten Angaben" der Beschwerdeführerin vor der Asylbehörde höhere Glaubwürdigkeit beimesse als dem Berufungsvorbringen, das die Beschwerdeführerin nach einem etwa zweijährigen Aufenthalt in Österreich erstattet habe.

Diese Beweiswürdigung begegnet im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis des verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Die Ansicht der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin die (erst) in ihrer Berufung gegen den Erstbescheid erwähnten Hausdurchsuchungen - hätten diese tatsächlich auf die geschilderte Weise stattgefunden - im Asylverfahren zur Dartuung ihrer begründeten Verfolgung vorgebracht hätte, widerspricht nicht der Lebenserfahrung, zumal - worauf die belangte Behörde auch hinweist - diese behaupteten Hausdurchsuchungen damals erst kurz zurücklagen und der Beschwerdeführerin wegen der angeführten markanten Begleitumstände damals noch aktuell in Erinnerung hätten sein müssen.

3. Vor dem Hintergrund des Gesagten ist das - völlig unsubstantiierte - Vorbringen der Beschwerdeführerin, daß der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt "an sich" ausreichend für die Feststellung sei, die Unzulässigkeit ihrer Abschiebung auszusprechen, nicht zielführend.

4. Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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