VwGH 95/17/0038

VwGH95/17/003826.4.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des Dr. G in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom 21. Dezember 1994, Zl. 8A/518/94 F., betreffend Kanalbenützungsgebühren, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs2;
BAO §183 Abs4;
BAO §23 Abs2;
BAO §276 Abs1;
KanalG NÖ 1977 §12 Abs1;
KanalG NÖ 1977 §12 Abs3;
KanalG NÖ 1977 §5 Abs1;
LAO NÖ 1977 §148 Abs4;
LAO NÖ 1977 §206 Abs1;
LAO NÖ 1977 §21 Abs2;
LAO NÖ 1977 §93 Abs2;
BAO §115 Abs2;
BAO §183 Abs4;
BAO §23 Abs2;
BAO §276 Abs1;
KanalG NÖ 1977 §12 Abs1;
KanalG NÖ 1977 §12 Abs3;
KanalG NÖ 1977 §5 Abs1;
LAO NÖ 1977 §148 Abs4;
LAO NÖ 1977 §206 Abs1;
LAO NÖ 1977 §21 Abs2;
LAO NÖ 1977 §93 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Stadt Wiener Neustadt Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit vier Bescheiden des Magistrates der Stadt Wiener Neustadt, jeweils vom 14. Oktober 1994, wurden dem Beschwerdeführer gemäß § 5 des Niederösterreichischen Kanalgesetzes, Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung der Niederösterreichischen Landesregierung, LGBl. 8230-0 (im folgenden: NÖ KanalG 1977), in der Fassung der Novelle LGBl. 8230-2, sowie auf Grund der jeweils geltenden Kanalgebührenordnung für die Stadt Wiener Neustadt, jeweils ausgehend von einer Regenwasserberechnungsfläche von 371,54 m2 und einer Schmutzwasserberechnungsfläche von 768,12 m2, Kanalbenützungsgebühren (inklusive 10 % Umsatzsteuer) wie folgt vorgeschrieben:

1. für den Zeitraum 1. September 1989 bis 31. Dezember 1990, ausgehend von einem Einheitssatz für Regenwasserentsorgung von S 4,57 und einem solchen für Schmutzwasserentsorgung von S 5,53 mit S 2.180,20;

2. für den Zeitraum 1. Jänner 1991 bis 30. Juni 1992 ausgehend von einem Einheitssatz für Regenwasserentsorgung von

S 4,76 und einem solchen für Schutzwasserentsorgung von S 6,20 mit S 10.775,95;

3. für den Zeitraum 1. Juli 1992 bis 31. Dezember 1993, ausgehend von einem Einheitssatz für Regenwasserentsorgung von

S 5,20 und einem solchen für Schmutzwasserentsorgung von S 7,00 mit S 12.059,78;

4. für den Zeitraum 1. Jänner 1994 bis 30. September 1994, ausgehend von einem Einheitssatz für Regenwasserentsorgung von

S 5,30 und für Schmutzwasserentsorgung von S 7,80 mit

S 6.566,97.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in welcher er vorbrachte, mit einem am 6. Oktober 1994 ergangenen Bescheid sei ihm eine Kanaleinmündungsabgabe im Betrage von S 103.290,88 vorgeschrieben worden. Dagegen habe er Berufung erhoben, über die noch keine Entscheidung ergangen sei. Die nunmehr angefochtenen Bescheide beruhten auf dem Bescheid über die Vorschreibung der Kanaleinmündungsabgabe. Im übrigen sei ein Großteil der Forderungen verjährt.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 11. November 1994 wies der Magistrat der Stadt Wiener Neustadt die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung dieser Entscheidung geht die Behörde davon aus, daß gemäß § 12 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr mit dem Monatsersten des Monats, in dem erstmalig die Benützung des Kanals möglich ist, entstehe. Die Vorschreibung von Kanalbenützungsgebühren beruhe daher nicht auf der Vorschreibung einer Kanaleinmündungsabgabe. Die Gebührenvorschreibung mit Wirksamkeit ab 1. September 1989 ergebe sich aufgrund des festgestellten Benützungsbeginnes mit 5. September 1989. Zu diesem Zeitpunkt sei die Fertigstellung und seither die Benützung des Baugegenstandes erfolgt. Gemäß § 156 Abs. 1 NÖ AO 1977 verjähre das Recht, eine Abgabe festzusetzen, in fünf Jahren. Die Verjährung beginne mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden sei. Daraus folge, daß der Verjährungsbeginn der 31. Dezember 1989, das Verjährungsende der 31. Dezember 1994 sei. Die am 14. Oktober 1994 erfolgte Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühren sei daher innerhalb des Verjährungszeitraumes erfolgt.

In seinem rechtzeitigen Vorlageantrag verwies der Beschwerdeführer auf sein bisheriges Berufungsvorbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers nicht statt und begründete ihre Entscheidung mit den in der Berufungsvorentscheidung gebrauchten Argumenten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer macht erkennbar Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt, den Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die §§ 1, 5 und 12 NÖ KanalG 1977 lauten auszugsweise:

"§ 1

Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren

(1) Die Gemeinden werden gemäß § 8 Abs. 5 Finanzverfassungsgesetz 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, Kanalerrichtungsabgaben (Kanaleinmündungs-, Kanalergänzungs-, Kanalsonderabgabe) und Kanalbenützungsgebühren nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zu erheben.

...

(3) Die Kanalerrichtungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren sind in einer Kanalabgabenordnung (§ 6) näher auszuführen.

...

§ 5

Kanalbenützungsgebühren

(1) Für die Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine Kanalbenützungsgebühr für jedes Jahr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.

...

§ 12

Entstehung der Abgabenschuld, Zahlungstermine

(1) Ist die Kanaleinmündungsabgabe (Ergänzungsabgabe, Sonderabgabe) anläßlich einer Bauführung zu entrichten, so entsteht die Abgabenschuld mit Eintritt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung, wenn aber eine solche nicht erforderlich ist, mit Ablauf des Tages, an dem die Bauführung tatsächlich beendet wurde; in allen anderen Fällen mit der Rechtskraft des Bescheides über die Verpflichtung zum Anschluß (§ 17 Abs. 3) bzw. bei der Ergänzungsabgabe mit dem Eintritt der Änderung.

...

(3) Die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr und die Fäkalienabfuhrgebühr entsteht mit dem Monatsersten des Monats, in dem erstmalig die Benützung des Kanales möglich ist oder die Abfuhr der Fäkalien erfolgt. ..."

Der Gemeinderat der Stadt Wiener Neustadt hat von der Ermächtigung gemäß § 1 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 mit Beschluß des Gemeinderates vom 30. November 1988 (für den Zeitraum 1. Jänner 1989 bis 31. Dezember 1990), vom 28. November 1990 (für den Zeitraum 1. Jänner 1991 bis 30. Juni 1992), vom 27. Mai 1992 (für den Zeitraum 1. Juli 1992 bis 31. Dezember 1993) und vom 27. Oktober 1993 (für den Zeitraum ab 1. Jänner 1994) Gebrauch gemacht und jeweils Verordnungen erlassen, in deren § 1 Abs. 2 die Erhebung von Kanalbenützungsgebühren beschlossen wurde. Die Einheitssätze für die Berechnung der Regenwasserentsorgung und der Schmutzwasserentsorgung wurden mit den für die jeweiligen Perioden von der erstinstanzlichen Behörde jeweils herangezogenen Beträgen festgesetzt.

Auf Basis dieser Rechtslage ist zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nunmehr strittig, ob in den Zeiträumen, für die die Abgabenvorschreibung erfolgte, ein Abgabentatbestand überhaupt verwirklicht wurde. Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe auf Grund des von ihm selbst mitunterfertigten Protokolles der Endbeschau festgestellt, daß der Baugegenstand am 5. September 1989 fertiggestellt und ab diesem Zeitpunkt auch benutzt worden sei. Tatsächlich sei diese Annahme der belangten Behörde jedoch ungerechtfertigt. Der Beschwerdeführer habe den Baugegenstand vielmehr erst nach Rechtskraft der Benützungsbewilligung, etwa ab August 1993, verwendet und bewohnt. Den Zeitraum zwischen 5. September 1989 und Mitte August 1993 habe er dazu benutzt, um die Innenausstattung zu erneuern und die Möbel zu beschaffen.

§ 148 Abs. 4 NÖ LAO 1977 bestimmt, daß den Parteien vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben ist, von den durchgeführten Beweisen und vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen und sich dazu zu äußern. Dabei vermag auch die Berufungsvorentscheidung der Partei Kenntnis von behördlichen Sachverhaltsermittlungen zu geben und kann daher geeignet sein, als Vorhalt zu dienen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. März 1986, Zl. 84/16/0235 und vom 20. April 1989, Zlen. 88/16/0243, 0244). Der Beschwerdeführer wurde daher bereits durch die Berufungsvorentscheidung mit der auch auf seinen eigenen Angaben beruhenden Tatsachenannahme, wonach die Fertigstellung und Benützung des Baugegenstandes ab 5. September 1989 erfolgt sei, konfrontiert. Dieser Annahme ist er in seinem folgenden Vorlageantrag und auch im weiteren Berufungsverfahren nicht entgegengetreten. Sein oben wiedergegebenes Beschwerdevorbringen verstößt daher gegen das aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung entsteht die Abgabenschuld für die Kanalbenützungsgebühr nicht - wie jene der Kanaleinmündungsabgabe - mit Eintritt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung, sondern mit dem Monatsersten des Monats, in dem erstmalig die Benützung des Kanales - und zwar im Gegensatz zum Tatbestand des § 12 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 faktisch - möglich ist. Ausgehend von der Feststellung der belangten Behörde, wonach der Benützungsbeginn des Baugegenstandes (und damit verbunden auch der Kanalanlage) der 5. September 1989 war, ist der Tatbestand des § 5 Abs. 1 NÖ KanalG 1977 "Benützung der öffentlichen Kanalanlage" (auf deren rechtliche Zulässigkeit es aus dem Grunde des § 21 Abs. 2 NÖ AO 1977 nicht ankommt) ebenso verwirklicht, wie die in § 12 Abs. 3 NÖ KanalG 1977 umschriebenen Voraussetzungen für das Entstehen der Abgabenschuld, zumal die Benützbarkeit des Kanales vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird.

Der - zumindestens aus dem Gesichtspunkt der Verletzung subjektiver Rechte des Beschwerdeführers - nicht zu beanstandenden Berechnung der Abgabe der Höhe nach tritt dieser im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ebensowenig entgegen wie den zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde zur Frage der Verjährung.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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