VwGH 95/15/0046

VwGH95/15/004616.2.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl sowie Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des DV in S, vertreten durch Dr. Herbert Troyer, Rechtsanwalt in Salzburg, Kaigasse 27, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 16. Jänner 1995, Zl. 51-GA6-DMe/93, betreffend Haftung für Abgabenschuldigkeiten, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
EStG §78 Abs3;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
EStG §78 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er über die Haftungsinanspruchnahme für Umsatzsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag abspricht, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.100,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Das Finanzamt nahm den Beschwerdeführer mit Haftungsbescheid vom 29. April 1992 als Haftungspflichtigen gemäß § 9 i.V. mit § 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der V-GmbH in Höhe von S 202.559,-- (Umsatzsteuer für April bis August 1989 in Höhe von S 155.269,-- und lohnabhängige Abgaben im restlichen Ausmaß) in Anspruch.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten nicht auf eine schuldhafte Verletzung seiner Pflichten als Geschäftsführer zurückzuführen sei. Nach der für ihn überraschenden Mitteilung einer näher bezeichneten Bank "im August 1989" (später präzisiert auf "Mitte August 1989"), dass "weitere Überweisungen nicht vorgenommen" würden, habe er die geschäftliche Tätigkeit der V-GmbH sofort eingestellt. Außerdem sei die Umsatzsteuer für Juli und August 1989 erst zu einem nach Einstellung der Geschäftstätigkeit liegenden Zeitpunkt fällig geworden. Die vor dem 31. August 1989 fällig gewordenen lohnabhängigen Abgaben seien entrichtet worden.

Nach Erlassung einer teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung und Stellung des Antrages durch den Beschwerdeführer auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gab diese der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid ebenfalls teilweise statt. Die Haftungsinanspruchnahme wurde in Höhe von S 140.879,-- (darunter Umsatzsteuer für April bis Juni 1989 von S 110.847,--, Lohnsteuer für Mai und Juni 1989 von S 12.459,--, "Dienstgeberbeitrag" und "Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag" für Mai bis Juli 1989 in Höhe von S 14.476,-- bzw. S 3.097,--) aufrecht erhalten. In der Begründung heißt es unter anderem, dass es sich bei der Umsatzsteuer nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine mit den Preisen (Entgelten) bereits vereinnahmte Abgabe handle, sodass der Vertreter bei korrekter Geschäftsführung zur gänzlichen Abfuhr dieser Abgabe ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten der Gesellschaft jedenfalls in der Lage sein müsse. Würden diese Beträge, aus welchen Gründen auch immer, nicht abgeführt, sondern zu anderen Zwecken verwendet, so liege darin ein abgabenrechtlich relevantes Verschulden.

Hinsichtlich der Haftung für lohnabhängige Abgaben ergebe sich aus § 78 Abs. 3 EStG 1988, dass der Arbeitgeber dann, wenn die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung des vollen vereinbarten Arbeitslohnes nicht ausreichten, die Lohnsteuer von den tatsächlich zur Auszahlung gelangenden niedrigeren Beträgen zu berechnen und einzubehalten habe. Dies habe der Beschwerdeführer unterlassen, sodass ein für die Nichteinbringung dieser Abgaben ursächliches Verschulden des Beschwerdeführers vorliege. Diese haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten seien noch für Juli 1989 von der V-GmbH angemeldet worden, woraus auf entsprechende Lohnzahlungen in diesem Monat habe geschlossen werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen, zu denen auch die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung zählen, alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren ausdrücklich vorgebracht, dass ihn an der Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten kein Verschulden treffe. Dieses Vorbringen war hinsichtlich der Umsatzsteuer, des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag nicht in der Weise aussichtslos, dass die belangte Behörde nicht gehalten gewesen wäre, sich damit in einer Weise auseinander zu setzen, die erkennen lässt, worin entgegen seinem Vorbringen die schuldhafte Verletzung abgabenrechtlicher Verpflichtungen des Beschwerdeführers zu erblicken ist. Dem im angefochtenen Bescheid ins Treffen geführten Argument der belangten Behörde, dass es sich bei der Umsatzsteuer um eine mit den Preisen (Entgelten) bereits vereinnahmte Abgabe handle, sodass der Vertreter zur gänzlichen Abfuhr dieser Abgabe ungeachtet wirtschaftlicher Schwierigkeiten in der Lage sein müsse, konnte der mit Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1995, Zlen. 91/13/0037, 0038, Slg. Nr. 7038/F, wonach das Verschulden des Geschäftsführers im Zusammenhang mit der Haftung für Umsatzsteuer wie bei anderen Abgaben (mit Ausnahme von Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer) zu beurteilen ist, geänderten Rechtsprechung nicht Rechnung tragen. Da sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides somit hinsichtlich der Haftung für Umsatzsteuer, des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2000, Zl. 96/14/0080) nicht ausreichend deutlich erkennen lässt, weshalb die belangte Behörde gemeint hat, ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Verletzung der ihm als Geschäftsführer der V-GmbH auferlegten abgabenrechtlichen Pflichten annehmen zu müssen, erweist sich der angefochtene Bescheid insoweit als mit einem wesentlichen Verfahrensfehler belastet. Er war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Hingegen zeigt die Beschwerde hinsichtlich der Haftung für Lohnsteuer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach der (durch das besagte Erkenntnis eines verstärkten Senates ausdrücklich aufrecht erhaltenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fällt es nämlich einem Vertreter iS der §§ 80ff BAO als Verschulden zur Last, wenn er Löhne auszahlt, aber die darauf entfallende Lohnsteuer nicht entrichtet.

Die bloße erstmalige Behauptung in der Beschwerde, lohnabhängige Abgaben hafteten deshalb nicht aus, weil "in den angesprochenen Zeiträumen" keine Lohnzahlung an die Dienstnehmer erfolgt sei, unterliegt dem Neuerungsverbot, lässt aber auch die auf entsprechende Selbstberechnungen der V-GmbH gestützte gegenteilige behördliche Sachverhaltsfeststellung nicht als unschlüssig erscheinen. Derartiges ergibt sich auch nicht aus dem im Verwaltungsverfahren mit "Mitte August 1989" angegebenen Zeitpunkt der Zahlungseinstellung durch die Bank und der daran anschließenden Betriebseinstellung. Die Beschwerde musste daher im Übrigen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war nur in dem zur Beschwerdeführung notwendigen Ausmaß (S 360,-- für drei Beschwerdeausfertigungen und je S 120,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und für die Vollmacht) zuzuerkennen.

Wien, am 16. Februar 2000

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