VwGH 95/13/0261

VwGH95/13/026131.1.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.iur. Mag.(FH) Schärf, über die Beschwerde des J M in W, vertreten durch Dr. Gunther Gahleithner, Rechtsanwalt in Wien I, Schottengasse 7, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. September 1995, Zl GA 7-1342/94, betreffend Haftung gemäß §§ 9 und 80 B?O, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §115 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
EStG §78 Abs1;
EStG §9;
GmbHG §15 Abs1;
GmbHG §18 Abs1;
BAO §115 Abs1;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
EStG §78 Abs1;
EStG §9;
GmbHG §15 Abs1;
GmbHG §18 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde eine Berufung gegen einen Bescheid, mit welchem der Beschwerdeführer zur Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO für Abgabenschuldigkeiten (Lohnsteuer für den Zeitraum 1-12/1984 sowie 1-4/1985 und Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Zeitraum 1-11/1984 sowie 1-4/1985) einer GmbH herangezogen worden war, ab.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer im haftungsgegenständlichen Zeitraum alleiniger Geschäftsführer der GmbH gewesen sei, er somit zum Kreis der in § 80 BAO genannten Vertreter gehört habe. Dass die Abgaben, hinsichtlich derer der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen worden sei, bei der GmbH nicht mehr hereingebracht werden könnten, sei unbestritten. Das Berufungsvorbringen, der Beschwerdeführer sei infolge einer Agendenverteilung für Abgabenangelegenheiten nicht zuständig gewesen, sei schon deswegen nicht zielführend, weil eine derartige Agendenverteilung lediglich bei einer Mehrheit von Geschäftsführern zu beachten sei. Die im gegenständlichen Fall mit den Abgabenangelegenheiten betrauten Personen, Josef Peter V. und Erika V., seien jedoch lediglich Gesellschafter der GmbH. Als alleiniger Geschäftsführer der GmbH habe der Beschwerdeführer gemäß § 80 Abs. 1 BAO alle Pflichten zu erfüllen gehabt, die der GmbH oblagen und sei befugt gewesen, die der GmbH zuständigen Rechte wahrzunehmen. Er habe daher auch dafür zu sorgen gehabt, dass die Abgaben aus den Mitteln der GmbH, die er zu verwalten hatte, entrichtet werden. Das Vorbringen, er sei lediglich mit der Kundenbetreuung und Kundenakquisition betraut gewesen, eigne sich daher nicht zum Nachweis dafür, dass er zu Unrecht gemäß den §§ 9 und 80 BAO zur Haftung herangezogen worden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes befreie die Übertragung der steuerlichen Agenden durch den Geschäftsführer an einen Dritten den Geschäftsführer nicht von seiner Haftung. Insbesondere könne in einem solchen Fall die Verletzung von Auswahl- und Überwachungspflichten Haftungsfolgen nach sich ziehen. Mit welchen konkreten Maßnahmen der Geschäftsführer seiner Überwachungspflicht entspräche, hänge von den Umständen des Einzelfalles ab. Im Allgemeinen habe er die Tätigkeit der mit Steuerangelegenheiten betrauten Personen in solchen zeitlichen Abständen zu überwachen, die es ausschlössen, dass ihm Steuerrückstände verborgen bleiben. Im gegenständlichen Fall lasse schon die Tatsache der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Lohnabgaben erkennen, dass von einer hinreichenden Überwachung hinsichtlich der mit den Abgabenangelegenheiten betrauten Personen durch den Beschwerdeführer nicht die Rede sein könne und der Beschwerdeführer daher seiner Überwachungs- bzw. Kontrollpflicht nicht im erforderlichen Ausmaß nachgekommen sei. Die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe feststellen können, dass die mit den Abgabenangelegenheiten betrauten Personen ihrer Aufgabe stets nachgekommen seien bzw. die ihnen "übertragenen Verbindlichkeiten" auch tatsächlich erfüllt hätten, gehe daher ins Leere. Im Hinblick darauf sei eine "Anhörung" der vom Beschwerdeführer als Zeugen namhaft gemachten Personen entbehrlich erschienen. Bezüglich der Lohnsteuer ergebe sich die schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten durch deren Nichtabfuhr aus der Bestimmung des § 78 Abs 3 EStG, wonach jede Zahlung voller vereinbarter Arbeitslöhne, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel nicht auch für die darauf entfallende und einzubehaltende Lohnsteuer ausreichten, eine schuldhafte Verletzung der abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters darstelle. Dass für die Entrichtung der haftungsgegenständlichen Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe keine Mittel vorhanden gewesen wären, sei vom Beschwerdeführer weder behauptet worden, noch bestünden auf Grund der Aktenlage Anhaltspunkte dafür, dass die volle Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft unmöglich gewesen wäre. Infolge der schuldhaften Verletzung der Zahlungspflicht habe die Abgabenbehörde davon ausgehen können, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Der Beschwerdeführer rügt zunächst eine Verletzung der gesetzlichen Bestimmungen über die amtswegige Wahrheitsfindung und die Begründungspflicht dahingehend, als in der Begründung des angefochtenen Bescheides lediglich lapidar angeführt werde, es sei nicht in Abrede gestellt worden, dass die Abgaben, für die der Beschwerdeführer als Haftungspflichtiger herangezogen worden sei, bei der GmbH nicht mehr hereingebracht werden könnten. Hindere eine Begründungslücke die Nachprüfung des Bescheides auf seine Gesetzmäßigkeit, dann verletze die Behörde durch die unzulängliche Begründung Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Dazu ist zu sagen, dass die Behörde bereits im erstinstanzlichen Bescheid nach dessen Begründung als erwiesen angenommen hat, dass die entsprechenden Abgaben bei der Gesellschaft uneinbringlich seien. Der Beschwerdeführer ist dieser Annahme im Verwaltungsverfahren nicht entgegengetreten. Unter diesen Umständen ist dem angefochtenen Bescheid aber eine Verletzung der amtswegigen "Wahrheitsfindung" nicht vorzuwerfen. Umfang und Intensität der amtswegigen Ermittlungspflicht sind nämlich nur unter Bedachtnahme auf die korrespondierenden Pflichten der Partei bestimmbar. In dem Ausmaß, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hiezu nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt, tritt die Verpflichtung der Behörde, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesen erkannte Maß hinaus zu prüfen, zurück (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, 92/14/0224). Ließ der Beschwerdeführer daher den von der erstinstanzlichen Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhalt, die betreffenden Abgaben seien bei der GmbH uneinbringlich, unbestritten, so kann der belangten Behörde keine Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen werden, wenn sie diesbezüglich keine weiteren Ermittlungen anstellte. In der Beschwerde wird im Übrigen konkret nicht behauptet, dass die haftungsgegenständlichen Abgaben bei der GmbH einbringlich gewesen wären. Es ist auch nicht zu erkennen, inwiefern der Beschwerdeführer durch eine allfällige Begründungslücke an der Nachprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Gesetzmäßigkeit gehindert gewesen wäre,

Einen weiteren Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer insofern, als die belangte Behörde Ermittlungen unterlassen hätte, ob die in der Berufung nominierten Zeugen mit der Besorgung der Abgabenangelegenheiten ausschließlich betraut gewesen seien und "daher etwa als Vermögensverwalter gemäß § 80 Abs. 2 BAO" zu qualifizieren gewesen wären und dem Beschwerdeführer "daher nur" die Verletzung von Auswahl- bzw. Überwachungspflichten angelastet werden könne. Auch mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Verfahrensvorschriften nicht auf: Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid keine Zweifel an der Richtigkeit des im Verwaltungsverfahren erstatteten Vorbringens des Beschwerdeführers geäußert, dass Josef Peter V. und Erika V. mit den Abgabenangelegenheiten betraut gewesen seien. Sie hat jedoch darauf hingewiesen, dass damit allein ein Verschulden des Beschwerdeführers nicht ausgeschlossen werden könne.

Diese Auffassung trifft zu: Mit der Bestellung einer Person zum Geschäftsführer wird dieser Person auch die Pflicht zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Vorschriften übertragen. Der Geschäftsführer hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben aus den Mitteln der Gesellschaft entrichtet werden. Nimmt der Geschäftsführer die steuerlichen Agenden nicht selbst wahr, sondern überträgt sie an Dritte, wird er dadurch nicht vom Haftungsrisiko befreit. Es treffen ihn Auswahl- und Kontrollpflichten, deren Verletzung Haftungsfolgen zeitigen kann. Die Tätigkeit der herangezogenen Personen ist zumindest in solchen zeitlichen Abständen zu überwachen, die es ausschließen, dass die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten, insbesondere die Verletzung abgabenrechtlicher Zahlungspflichten, dem Geschäftsführer verborgen bleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1998, 98/15/0159). Die belangte Behörde hat zu Recht darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall schon die Tatsache der Nichtentrichtung der haftungsgegenständlichen Abgaben erkennen lasse, dass von einer hinreichenden Überwachung und Kontrolle der entsprechenden, mit den Abgabenangelegenheiten betrauten Personen keine Rede sein könne. Gegenständlich sind dem Beschwerdeführer nämlich - wie schon die Abgabenverbindlichkeiten, für welche der Beschwerdeführer zur Haftung herangezogen worden war, zeigen - Steuerrückstände über einen Zeitraum von über einem Jahr verborgen geblieben. Auf das hg. Erkenntnis vom 4. März 1983, 81/17/0092, zur Untermauerung einer nach Ansicht des Beschwerdeführers auch unter den gegebenen Umständen ausreichenden, lediglich (einmal) jährlichen Kontrolle beruft sich der Beschwerdeführer schon deswegen zu Unrecht, weil diesem Erkenntnis kein Haftungsverfahren zu Grunde lag. Aber auch in diesem Erkenntnis wird - im Zusammenhang mit einem anderen, tatsächlich einen Haftungsfall betreffenden Erkenntnis (vom 24. Oktober 1979, Slg 5417/F) - zum Ausdruck gebracht, dass Kontrollen so oft vorgenommen werden müssen, dass dem Verantwortlichen Steuerrückstände nicht verborgen bleiben. Von einer ausreichenden Kontrolle durch den Beschwerdeführer kann unter diesen Umständen ungeachtet seines gegenteiligen Vorbringens, zu welchem auch die behaupteterweise entsprechend überwachten Personen als Zeugen geführt worden waren, nicht gesprochen werden. Es konnte daher die Einvernahme der beantragten Zeugen sowohl hinsichtlich der Frage, ob ausschließlich sie mit Abgabenangelegenheiten betraut gewesen waren als auch hinsichtlich der Frage, ob sie ausreichend überwacht worden sind, unterbleiben, ohne dass dem angefochtenen Bescheid deswegen die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften anhaftet.

Der Beschwerdeführer meint letztlich, er habe mit seinem Vorbringen, für Steuerverbindlichkeiten "selbstständige Rückstellungen" gebildet und die "erforderlichen Beträge einbehalten" zu haben, um damit zu gewährleisten, dass sämtliche Steuerverbindlichkeiten abgedeckt werden, seine Schuldlosigkeit an der Pflichtverletzung ausreichend dargetan bzw. glaubhaft gemacht. Von der belangten Behörde wären daher im Rahmen der amtswegigen Feststellung des Sachverhaltes entsprechende Ermittlungen einzuleiten und die Sachgegebenheiten in freier Beweiswürdigung zu beurteilen gewesen.

Auch dieses Vorbringen führt den Beschwerdeführer nicht zum Erfolg. Die Behörde hat schon in der Berufungsvorentscheidung im Ergebnis zum Ausdruck gebracht, dass die behaupteterweise gebildeten Reserven und insbesondere die einbehaltenen Lohnsteuerbeträge nicht zur Tilgung der fälligen Lohnabgaben verwendet worden seien. Dem ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten. Er hat aber auch nicht behauptet, dass entsprechende Mittel, insbesondere hinsichtlich der Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfe, nicht im ausreichenden Maß zur Verfügung gestanden wären; die einbehaltene Lohnsteuer musste schon aus dem Grunde des § 78 Abs. 3 EStG 1988 zur Verfügung stehen. Da die Bildung von Rückstellungen und die dem § 78 Abs. 1 EStG 1988 entsprechende Einbehaltung der Lohnsteuern den Geschäftsführer einer GmbH nicht von der Verpflichtung zur Entrichtung bzw. Abfuhr der Lohnabgaben an das Finanzamt entbindet, durften weitere Ermittlungen unter den gegebenen Umständen unterbleiben, wobei auch diesbezüglich auf die oben angeführte Mitwirkungspflicht der Partei verwiesen wird.

Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war. Von der beantragten Verhandlung konnte aus dem Grund des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Jänner 2001

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