Normen
AVG §39 Abs2;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2 idF 1992/690;
AVG §39 Abs2;
WehrG 1990 §36a Abs1 Z2 idF 1992/690;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der im Jahr 1968 geborene Beschwerdeführer (dessen Name nach dem Inhalt der Verwaltungsakten, insbesondere der von ihm selbst verfaßten Eingaben, entgegen den Angaben sowohl der Beschwerdevertreter als auch der belangten Behörde F lauten dürfte) leistete vom 1. Oktober 1990 an den Grundwehrdienst. Mit Bescheid der Erstbehörde, des Militärkommandos Vorarlberg, vom 22. Oktober 1990 wurde er mit Ablauf des 31. Oktober 1990 wegen Vorliegens besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen im Zusammenhang mit seiner damaligen Unabkömmlichkeit von seinem Unternehmen - einem "Grafik-Design-Atelier" - vorzeitig aus dem Präsenzdienst entlassen. Mit einem weiteren Bescheid der Erstbehörde vom 29. Jänner 1992 wurde der Beschwerdeführer bis 15. Februar 1994 von der Präsenzdienstleistung befristet befreit. Auch hiefür war seine Unabkömmlichkeit von dem genannten Unternehmen maßgeblich.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 5. Juli 1994 auf (weitere) Befreiung von der Präsenzdienstpflicht gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 in der Fassung BGBl. Nr. 690/1992 abgewiesen. Auch in diesem Antrag hatte der Beschwerdeführer behauptet, besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen an seinem Unternehmen stünden der Verpflichtung zur Leistung des restlichen Grundwehrdienstes entgegen.
In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 in der zitierten Fassung können taugliche Wehrpflichtige von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes auf ihren Antrag befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.
Die belangte Behörde anerkannte das Vorliegen wirtschaftlicher Interessen des Beschwerdeführers an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht, verneinte jedoch deren besondere Rücksichtswürdigkeit. Sie erblickte eine Verletzung seiner Pflicht zur Harmonisierung seiner wirtschaftlichen Dispositionen mit seiner Präsenzdienstpflicht darin, daß er - entgegen den ausdrücklichen Hinweisen in den genannten Bescheiden der Erstbehörde vom 22. Oktober 1990 und insbesondere vom 29. Jänner 1992 - keine Vorkehrungen getroffen habe, um das "Überleben" seines Unternehmens während seiner Präsenzdienstleistung zu sichern. Insbesondere habe er keine Anstrengungen unternommen, einen Angestellten zu seiner vorübergehenden Vertretung zu gewinnen, indem er keinen Vermittlungsauftrag beim Arbeitsamt gestellt habe. Auch hätte er nach Auflösung seines Bestandverhältnisses nicht seinen "Firmensitz" in ein Geschäftslokal mit einem wesentlich höheren Mietzins verlegen dürfen, wobei es dahingestellt bleiben könne, ob ihn an der Auflösung des Bestandverhältnisses ein Verschulden treffe oder nicht.
Der Beschwerdeführer führt dagegen unter Berufung auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Februar 1992, Zlen. 91/11/0108, 0114, ins Treffen, daß Umstände, die in früheren Bescheiden als besonders rücksichtswürdige Interessen zu begründen geeignete anerkannt worden sind, nicht als Verletzungen der Harmonisierungspflicht qualifiziert werden dürften; dies sei aber in Ansehung der Führung seines Unternehmens ohne Mitarbeiter, die Tragung der Fixkosten einschließlich der Rückzahlung von Krediten und der Unmöglichkeit der "Bedienung" durch "ein anderes Büro" der Fall.
Mit diesen Ausführungen verkennt der Beschwerdeführer, daß ihm nicht die Führung seines Unternehmens an sich als Verletzung der Harmonisierungspflicht angerechnet wird. Vielmehr geht die belangte Behörde davon aus, daß es seine Pflicht gewesen wäre, während der Dauer seiner befristeten Befreiung die Voraussetzung für eine Präsenzdienstleistung nach Ablauf der Befristung zu schaffen. Der Beschwerdeführer wäre daher nur dann im Recht, wenn er dargetan hätte, daß ihm die Schaffung der in Rede stehenden Voraussetzungen unmöglich gewesen sei.
Seinem Vorbringen im Berufungsverfahren zufolge habe er eine voll ausgebildete Fachkraft nicht anstellen können, weil dies für sein Unternehmen finanziell nicht verkraftbar gewesen wäre; deswegen habe er auch keinen Antrag auf Vermittlung bei der Arbeitsmarktverwaltung gestellt. Dazu sei gekommen, daß er ein neues Geschäftslokal zu mieten hatte, weil sein früheres Bestandverhältnis wegen Eigenbedarfes des Vermieters gekündigt worden und die Anschaffung eines neuen Computers infolge Defektes des alten notwendig geworden sei. Sein Versuch um Stundung seiner Kreditrückzahlungsverpflichtung sei mangels Zustimmung seiner Hausbank gescheitert (was durch ein Schreiben der Bank belegt wurde).
Die Begründung des angefochtenen Bescheides ist nicht geeignet, das zuletzt wiedergegebene Vorbringen des Beschwerdeführers zu widerlegen und so zu einer Verletzung der Harmonisierungspflicht durch den Beschwerdeführer zu kommen. Das Unterbleiben eines Versuches auf Vermittlung einer Arbeitskraft bei der Arbeitsmarktverwaltung kann keine Verletzung dieser Pflicht darstellen, wenn die tatsächliche Einstellung einer solchen Arbeitskraft aus wirtschaftlichen Gründen gar nicht möglich gewesen wäre. Es ist daher unschlüssig, wenn die belangte Behörde ausführt, sie habe keine (ergänzenden) Erhebungen über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens des Beschwerdeführers durchgeführt, weil der Beschwerdeführer keinen Vermittlungsauftrag bezüglich der Anstellung einer Arbeitskraft gestellt hätte.
Unverständlich sind auch die Ausführungen der belangten Behörde, die sich auf den "Firmensitz" beziehen. Es ist offenkundig, daß es bei der Beurteilung einer Verletzung der Harmonisierungspflicht sehr wohl darauf ankommt, aus welchen Gründen das seinerzeitige Bestandverhältnis geendet hat; wurde es - den Behauptungen des Beschwerdeführers entsprechend - vom Vermieter wegen Eigenbedarfes gekündigt, wäre die Anmietung eines neuen Geschäftslokales, u.U. auch mit höheren finanziellen Lasten verbunden, nicht als Verletzung der Harmonisierungspflicht zu werten. Anders fiele freilich die Beurteilung aus, folgte man den Angaben des Vermieters gegenüber der Erstbehörde im Schreiben vom 29. November 1994, wonach es der Beschwerdeführer gewesen sei, der das Bestandverhältnis gelöst hätte. Es konnte daher nicht dahinstehen, welche Variante den Tatsachen entspricht.
Die belangte Behörde hat wesentliche Sachverhaltsfeststellungen unterlassen und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Beschwerdeschriftsatz lediglich in zweifacher Ausfertigung einzubringen war und die für die überflüssige dritte Ausfertigung entrichteten Stempelgebühren daher nicht ersetzt werden können.
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