VwGH 95/10/0274

VwGH95/10/02743.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerden 1. des M R und 2. der H R, beide in T und vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 27. Oktober 1995, Zl. UVS-16/39/2-1995 (Zl. 95/10/0274) und Zl. UVS-16/38/2-1995 (Zl. 95/10/0275), jeweils betreffend Übertretung des Forstgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art10 Abs1 Z10;
B-VG Art15 Abs1;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §33 Abs1;
ForstG 1975 §34 Abs1;
ForstG 1975 §34 Abs4;
JagdG Slbg 1977 §74 Abs2;
JagdG Slbg 1977 §74 Abs3;
JagdG Slbg 1977 §74 Abs4;
JagdG Slbg 1977 §74 Abs5;
JagdRallg;
B-VG Art10 Abs1 Z10;
B-VG Art15 Abs1;
ForstG 1975 §17;
ForstG 1975 §33 Abs1;
ForstG 1975 §34 Abs1;
ForstG 1975 §34 Abs4;
JagdG Slbg 1977 §74 Abs2;
JagdG Slbg 1977 §74 Abs3;
JagdG Slbg 1977 §74 Abs4;
JagdG Slbg 1977 §74 Abs5;
JagdRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund jeweils Schriftsatzaufwand in der Höhe von S 4.000,-- und jeweils Vorlageaufwand in der Höhe von S 282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren an Vorlageaufwand wird abgewiesen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurden die beschwerdeführenden Parteien - in Bestätigung der Straferkenntnisse der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (BH) - schuldig erkannt, sie hätten als grundbücherliche Eigentümer der Grundstücke 1467, 1469, 1471, 1472, 1473, 1474, 1475, 1476, 1479/2, 1480/2, 1480/3, 1482, 1483/2, 1484/2, 1485/2, 1486, 1487, 1488/2, 1489, 1490, 1491, 1492, 1493, 1494, 1495, 1503, 1504 und 1505/2, alle KG F, zu verantworten, daß seit zumindest 19.11.1994 bis zur Erlassung der Straferkenntnisse im Revier W, wie im beiliegenden, einen wesentlichen Bestandteil der Bescheide bildenden Lageplan (Maßstab 1 : 5000) rot eingezeichnet, ein Wildgehege und somit eine befristete Sperre von Waldflächen ohne Bewilligung der zuständigen Forstbehörde errichtet war bzw. ist.

Die Beschwerdeführer hätten dadurch jeweils eine Verwaltungsübertretung gemäß § 174 Abs. 1 lit. b Z. 5 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) iVm § 34 Abs. 4 leg. cit. begangen.

Gemäß § 21 Abs. 1 VStG wurde von der Verhängung einer Strafe abgesehen und jeweils eine Ermahnung erteilt.

Nach den - im wesentlichen gleichlautenden - Begründungen seien die beschwerdeführenden Parteien Miteigentümer des im Spruch näher umschriebenen Revieres W. Weiters stehe außer Streit, daß auf den Waldflächen innerhalb des Revieres Ende 1990 ein Wildgehege (Wildgatter) errichtet worden sei. Dieses Wildgehege im Ausmaß von ca. 120 ha sei mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 20. März 1990 nach dem Salzburger Jagdgesetz 1977 jagdrechtlich bewilligt worden. Eine forstrechtliche Bewilligung nach § 34 Abs. 4 ForstG sei jedoch bis jetzt weder beantragt noch erteilt worden. Das Wildgehege stelle im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Erkenntnis vom 30. Oktober 1989, Zl. 89/10/0169) eine Sperre von Waldflächen im Sinne des § 34 ForstG dar. Der Umstand, daß dafür eine jagdrechtliche Bewilligung erteilt worden sei, ändere nichts am Erfordernis einer Bewilligung nach dem Forstgesetz. Verschiedenen Gesetzgebern bleibe es nämlich unbenommen, Sachverhalte nach den in ihre Zuständigkeit fallenden Gesichtspunkten zu regeln. So könne ein Sachverhalt mehrere Bewilligungspflichten nach unterschiedlichen Rechtsmaterien begründen. Ein Bewilligungswerber habe in einem solchen Fall sämtliche erforderliche Bewilligungen einzuholen. Dies treffe auch im Beschwerdefall zu. Dem Einwand, bei der jagdrechtlichen Verhandlung sei ein Vertreter der Forstbehörde anwesend gewesen, der nicht auf eine erforderliche forstrechtliche Bewilligung hingewiesen habe, sodaß bei den beschwerdeführenden Parteien ein Rechtsirrtum im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG vorgelegen sei, sei folgendes entgegenzuhalten: Die Behauptung, daß bei der jagdrechtlichen Verhandlung ein Vertreter der Forstbehörde anwesend gewesen sei, sei aktenwidrig. Bei der angesprochenen jagdrechtlichen Verhandlung hätte hingegen ein Vertreter (Sachverständiger) der Landesforstdirektion beim Amt der Landesregierung eine forstfachliche Stellungnahme abgegeben und die ergänzende Erstellung eines flächendeckenden forstlichen Gutachtens gefordert. Aus dieser Stellungnahme lasse sich keinesfalls ein entschuldigender Rechtsirrtum der beschwerdeführenden Parteien im Hinblick auf das Erfordernis einer forstrechtlichen Bewilligung des Wildgeheges ableiten. Dagegen spreche auch, daß die beschwerdeführenden Parteien durch die BH als zuständige Forstbehörde bereits mit Schreiben vom 15. Juli 1991 dezidiert auf die forstrechtliche Bewilligungspflicht des Wildgatters mit der Aufforderung, umgehend die erforderliche Bewilligung zu beantragen, hingewiesen worden seien.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung zu verbinden. Er hat darüber in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

1. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaupten die beschwerdeführenden Parteien zunächst, daß die Straferkenntnisse der BH deshalb an einem "unheilbaren Formmangel gemäß § 18 Abs. 4 AVG" leiden, da sie keinerlei Unterschrift aufwiesen. Nach der Zustellverfügung seien wohl die Worte: "Für den Bezirkshauptmann: Dr. H eh." und "F.d.R.d.A.:" angebracht, jedoch fehle die eigenhändige Unterschrift dessen, der die Erledigung genehmigt habe. Die belangte Behörde habe daher eine rechtlich nicht existente Erledigung bestätigt.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Ungeachtet der Form der Bescheidausfertigung muß die Urschrift (Konzept, Entwurf, Referatsbogen etc.) mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen sein. Eine solche eigenhändige Unterschrift des genehmigenden Sachbearbeiters weisen die im erstinstanzlichen Strafakt erliegenden Konzepte der Straferkenntnisse der BH auf.

Nach dem gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendenden § 18 Abs. 4 AVG genügt bei telegraphischen, fernschriftlichen oder vervielfältigten Ausfertigungen die Beisetzung des Namens des Genehmigenden; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung. Da auf die Straferkenntnisse der BH diese Voraussetzung zutrifft, erübrigte sich sowohl eine Unterschrift als auch eine Beglaubigung. Die Behauptung der beschwerdeführenden Parteien, die belangte Behörde hätte eine rechtlich nicht existente Erledigung bestätigt, trifft daher im Beschwerdefall nicht zu.

2. Unbestritten ist, daß von den beschwerdeführenden Parteien aufgrund einer Bewilligung nach dem Salzburger Jagdgesetz (Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 20. März 1990) ein Wildgehe errichtet worden ist. Nach Auffassung der belangten Behörde ist dieses Wildgehege als Sperre von Waldflächen nach § 34 Abs. 4 ForstG anzusehen und dementsprechend bewilligungspflichtig.

Nach § 33 Abs. 1 ForstG darf jedermann, unbeschadet der Bestimmungen der Abs. 2 und 3 und des § 34, Wald zu Erholungszwecken betreten und sich dort aufhalten.

Nach § 34 Abs. 1 ForstG darf unbeschadet der Bestimmungen des § 33 Abs. 2 Wald von der Benützung zu Erholungszwecken vom Waldeigentümer befristet (Abs. 2) oder dauernd (Abs. 3) ausgenommen werden (Sperre).

Beabsichtigt der Waldeigentümer eine befristete Sperre von Waldflächen, deren Dauer vier Monate übersteigt, oder eine dauernde Sperre von Waldflächen, deren Ausmaß 5 ha übersteigt, so hat er gemäß § 34 Abs. 4 ForstG hiefür bei der Behörde eine Bewilligung zu beantragen. In diesem Antrag, dem eine Lageskizze anzuschließen ist, sind die Grundstücksnummern, der Sperrgrund und die beabsichtigte Dauer der Sperre und gegebenenfalls die Größe der zu sperrenden Waldfläche anzugeben. Dem Antrag ist stattzugeben, wenn dies zur Erreichung des Zweckes der Sperre unumgänglich ist.

Wer nach § 174 Abs. 1 lit. b Z. 5 FostG entgegen § 34 Abs. 2 bis 4 Sperren durchführt, begeht eine Verwaltungsübertretung.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bestreiten die beschwerdeführenden Parteien die Notwendigkeit einer Bewilligung nach dem Forstgesetz. Sie vertreten dabei im wesentlichen unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1984, G 81, 82/84, die Auffassung, daß aufgrund der ihnen mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 20. März 1990 erteilten jagdrechtlichen Bewilligung zur Errichtung eines Wildgeheges gemäß § 74 Abs. 2 bis 5 des Salzburger Jagdgesetzes 1977 eine Bewilligung nach § 34 ForstG entfalle.

Auch mit dieser Auffassung sind die beschwerdeführenden Parteien aus folgenden Erwägungen nicht im Recht.

Im zitierten Erkenntnis VfSlg. 10.292/1984 hat der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertreten, daß in Fällen, in denen bestimmte Sachverhalte von Bund und Ländern nach verschiedenen Gesichtspunkten geregelt werden können, der rechtspolitische Spielraum des Bundesgesetzgebers insoweit als eingeschränkt anzusehen ist, als es ihm verwehrt ist, Regelungen zu treffen, die sich als sachlich nicht gerechtfertigte Beeinträchtigungen der Effektivität landesgesetzlicher Regelungen darstellen; dasselbe gilt auch umgekehrt im Verhältnis des Landesgesetzgebers zum Bundesgesetzgeber. Diese der Bundesverfassung innewohnende RÜCKSICHTNAHMEPFLICHT verbietet sohin dem Gesetzgeber der einen Gebietskörperschaft, die vom Gesetzgeber der anderen Gebietskörperschaft wahrgenommenen Interessen zu negieren und dessen gesetzliche Regelungen damit zu unterlaufen. Diese Pflicht verhält ihn dazu, eine zu einem angemessenen Ausgleich führende Abwägung der eigenen Interessen mit jenen der anderen Gebietskörperschaft vorzunehmen und nur eine Regelung zu treffen, die zu einem solchen Interessenausgleich führt. In weiterer Folge kam der Verfassungsgerichtshof zu dem Ergebnis, daß §§ 33 und 34 ForstG diesen Anforderungen gerecht werden.

§ 34 ForstG enthält nur die unter forstrechtlichen Aspekten erforderlichen Ausnahmen von der freien Betretbarkeit des Waldes, sodaß demnach der Landesgesetzgeber frei ist, anknüpfend an die von ihm zu regelnden Sachgebiete (z.B. Jagdwesen) hievon weitere Ausnahmen vorzusehen.

Verwaltungsrechtliche Sperren anderer Art sind durch das Forstgesetz somit nicht ausgeschlossen. Aus der dem Landesgesetzgeber treffenden Rücksichtnahmepflicht folgt allerdings das Verbot, das Jagdrecht derart zu gestalten, daß damit die im Forstgesetz verankerten Rechte und Pflichten praktisch unwirksam gemacht oder weitestgehend ausgehöhlt werden. Die im Niederösterreichischen Jagdgesetz enthaltene Ermächtigung zu ganzjährigen Sperren großflächiger Wildgehege wurde vom Verfassungsgerichtshof als dem Prinzip der Rücksichtnahmepflicht widersprechend als verfassungswidrig aufgehoben.

Daß eine jagdrechtliche Bewilligung zur Errichtung eines Wildgeheges eine forstrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Sperre nach § 34 ForstG entbehrlich macht, kann dem zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes allerdings nicht entnommen werden. Die von den Beschwerdeführern vorgenommene Waldsperre bedarf vielmehr einer forstrechtlichen Bewilligung, auch wenn eine jagdrechtliche Bewilligung zur Errichtung eines Wildgatters (zu dem Zweck, "den Einfluß von Wild auf die Vegetation und umgekehrt" zu erfassen) vorliegt. So hat der Verwaltungsgerichtshof auch die Auffassung vertreten, daß jagdrechtliche Bestimmungen über die Errichtung von Anlagen für den Jagdbetrieb die forstbehördliche Beurteilung eines Rodungsantrages nicht berühren, welche vielmehr allein auf den forstrechtlichen Vorschriften beruhen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 7. April 1987, VwSlg. 12.437/A). Es bestehen auch grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Einwände dagegen, daß für ein bestimmtes Vorhaben zwei oder mehrere behördliche Bewilligungen vorgesehen werden. Es muß jedoch jede der entsprechenden Regelungen für sich sachlich begründbar sein und sich innerhalb der von der Verfassung vorgezeichneten Kompetenzen halten (vgl. z.B. den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1995, B 3/94-9). Dies ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes der Fall. Daß die jagdrechtliche Sperre im Beschwerdefall dabei unbefristet erteilt worden ist, hindert - wie in der Beschwerde behauptet wird - eine befristete Sperre nach dem Forstgesetz (etwa bis zum Erreichen des wissenschaftlichen Zieles) nicht.

3. Die vorliegenden Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen sind.

4. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da die (einheitlichen) Verwaltungsstrafakten nur einmal vorgelegt worden sind, konnte dafür auch nur einmal Kostenersatz zugesprochen werden.

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