VwGH 95/09/0005

VwGH95/09/00057.5.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde der Ö-Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, vom 24. November 1994, AZ/6703 B/ABA 423.188; AIS: 16.728, betreffend Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4b idF 1990/450;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AuslBG §4 Abs1;
AuslBG §4b idF 1990/450;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte am 26. August 1994 beim Arbeitsamt Bau-Holz einen Antrag auf Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (= AuslBG) für den jugoslawischen Staatsangehörigen M. T (im folgenden kurz: T.) für die Tätigkeit als Zimmerer mit dem speziellen Bildungserfordernis als Schalungszimmerer. Gleichzeitig mit dem Antrag wurde u.a. die Übersetzung eines Zeugnisses über die erfolgreich abgelegte Ausbildung des T. für den Beruf Zimmerer, III. Fachausbildungsgrad, im Rahmen einer Mittelschule der Fachrichtung Bauwesen vorgelegt.

Bei den vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens befindet sich ein "Bearbeitungsblatt", auf dem hinsichtlich des T. u.a. vermerkt ist "Qualifikationsnachweis: Zimmerer, sehr gepflegt, spricht perfekt Deutsch". Vom Unterausschuß-Ausländerregionalbeirat ist - ohne irgendeinen Ansatz für eine Begründung - durch Ankreuzen die Ablehnung des Antrages am 12. September 1994 vermerkt.

Mit Bescheid vom 14. September 1994 wies das Arbeitsamt Bau-Holz den vorher genannten Antrag unter Bezugnahme auf § 4 Abs. 1 AuslBG mit der Begründung ab, es würden gesamtwirtschaftliche Interessen verletzt, wenn sich die zusätzliche Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern für den inländischen Arbeitsmarkt nachteilig auswirke. Die Höhe der Ausländerbeschäftigung "in der Branche" habe eine Grenze erreicht, über die eine weitere Beschäftigung von Ausländern für nachteilig gehalten werde.

In der Berufung machte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen geltend, daß der erstinstanzliche Bescheid weder die Darstellung des maßgebenden Sachverhaltes noch eine sachverhaltsbezogene Begründung oder Beweiswürdigung enthalte.

Mit Schreiben vom 7. November 1994 brachte daraufhin die belangte Behörde der beschwerdeführenden Partei Folgendes als "Ergebnis des Ermittlungsverfahrens" zur Kenntnis:

"Sie suchen einen Zimmerer und beantragten für oa. Ausländer die Ausstellung einer Sicherungsbescheinigung.

Zum Nachweis der Qualifikation des Beantragten als Zimmerer legten Sie ein ins Deutsche übersetztes Zeugnis vor, wonach M. T in Jugoslawien die Berufsausbildung als Zimmermann, III. Fachausbildungsgrad abgeschlossen hat.

Leider ist diese Qualifikation nicht der Lehrausbildung in Österreich zum Zimmerer gleichzusetzen und es wird daher der Qualifikationsnachweis in Österreich nicht anerkannt.

Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes lassen jedoch unter anderem eine Beschäftigung des beantragten Ausländers nur zu, wenn dieser die entsprechende Ausbildung aufweist.

Sie haben Gelegenheit, zu obigen Feststellungen binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens ha. schriftlich Einwendungen anzubringen, ansonsten die Entscheidung aufgrund der derzeitigen Aktenlage erfolgt."

Diese Aufforderung wurde dem Vertreter der beschwerdeführenden Partei am 9. November 1994 zugestellt. Er erhob am letzten Tag der angegebenen Frist Einwendungen, in denen er auf den großen Personalbedarf der beschwerdeführenden Partei hinwies, der vom Arbeitsamt nicht habe gedeckt werden können. Es sei für die beschwerdeführende Partei "ruinös", daß seitens des Arbeitsamtes weder geeignete Zimmerer vermittelt werden könnten noch ein von der beschwerdeführenden Partei selbst gefundener Zimmerer, der die gewünschten Leistungen sach- und fachgerecht erbringen könne, wegen der angeblich fehlenden "formalen Qualifikation" nicht zugelassen werde. Sofern das Arbeitsamt "nicht unmittelbar fachlich geeignete Zimmerer an die Berufungswerberin vermittelt", sei der Berufung Folge zu geben.

Da - so die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift - bis zum Ablauf der von der belangten Behörde mit Schreiben vom 7. November 1994 gesetzten Frist keine Reaktion durch die beschwerdeführende Partei erfolgt sei, wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung gemäß § 11 Abs. 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AuslBG nicht Folge gegeben.

Zur Begründung führt die belangte Behörde nach Bezugnahme auf § 11 Abs. 2 Z. 1 und § 4 Abs. 1 AuslBG weiter aus, die beschwerdeführende Partei habe einen Zimmerer gesucht und für den genannten Ausländer eine Sicherungsbescheinigung beantragt. Zum Nachweis der Qualifikation des Beantragten als Zimmerer habe die beschwerdeführende Partei ein ins Deutsche übersetztes Zeugnis vorgelegt, wonach T. in Jugoslawien die Berufsausbildung als Zimmermann, III. Fachausbildungsgrad, abgeschlossen habe. Leider sei diese Qualifikation nicht der Lehrausbildung in Österreich zum Zimmerer gleichzusetzen und werde in Österreich nicht anerkannt. Die Lage und die Entwicklung des Arbeitsmarktes ließen die Beschäftigung des beantragten Ausländers nur zu, wenn dieser eine entsprechende Ausbildung aufweise.

Mit Schreiben vom 7. November 1994 seien der beschwerdeführenden Partei die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und ihr Gelegenheit zu Einwendungen geboten worden. Die beschwerdeführende Partei habe darauf nicht reagiert; es sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 11 Abs. 1 AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975, ist einem Arbeitgeber auf Antrag eine Sicherungsbescheinigung auszustellen, wenn dieser beabsichtigt, Ausländer für eine Beschäftigung im Bundesgebiet im Ausland anzuwerben. Nach § 11 Abs. 2 AuslBG darf diese nur ausgestellt werden, wenn

  1. 1. die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1, 2 oder 6 und Abs. 3 Z. 1, 4, 6, 8 und 12 gegeben sind und
  2. 2. aufgrund der Angaben des Antragstellers angenommen werden kann, daß für den Ausländer eine ortsübliche Unterkunft im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 5 AuslBG zur Verfügung stehen wird.

    Die belangte Behörde hat die Ablehnung der Erteilung der beantragten Sicherungsbescheinigung (nach dem Spruch und auch nach den Begründungsausführungen) ausschließlich auf § 11 Abs. 2 iVm § 4 Abs. 1 AuslBG gestützt.

    Die Beschäftigungsbewilligung ist nach § 4 Abs. 1 AuslBG zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.

    Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, etc.) vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt einen Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, wenn entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen wäre, weil z.B. der einzelne ausländische Arbeitnehmer einen zu seiner Einstellung bereiten Arbeitgeber gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, 92/09/0179, und viele andere).

    Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. auch das Erkenntnis vom 23. April 1993, 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben.

    Im Beschwerdefall glaubte die belangte Behörde, ohne hiefür eine konkrete normative Grundlage zu nennen oder sachverhaltsmäßige Feststellungen zu treffen, daß der von der beschwerdeführenden Partei für den beantragten Ausländer vorgelegte Qualifikationsnachweis in Österreich nicht anerkannt werde. Diese Auffassung wurde der beschwerdeführenden Partei im Ermittlungsverfahren zur Kenntnis gebracht und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Obwohl seitens der beschwerdeführenden Partei im Rahmen der Frist Einwendungen erhoben wurden, denen die Stichhaltigkeit keinesfalls von vornherein abgesprochen werden kann, hatte die belangte Behörde offenbar ausgehend von einer objektiv unrichtigen Auffassung über den Fristablauf gemeint, die beschwerdeführende Partei habe keine fristgerechten Einwendungen erhoben und im wesentlichen deshalb abweisend entschieden, ohne sich mit den erhobenen Einwendungen auseinanderzusetzen.

    Eine solche Verkennung von verfahrensrechtlichen Zusammenhängen ist als Rechtswidrigkeit des Inhaltes zu werten; der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

    Die Kostenentscheidung stützt sich im Rahmen des Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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