VwGH 95/08/0023

VwGH95/08/00235.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt, W, gegen den aufgrund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des AMS Wien vom 5. Dezember 1994, Zl. IVb/7022/7100 B, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe gemäß den §§ 10, 38 AlVG, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
VwRallg;
AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §38;
AlVG 1977 §9 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Dem seit 19. Juni 1990 im Notstandshilfebezug stehenden Beschwerdeführer wurde am 7. Juni 1994 vom Arbeitsamt Angestellte (Wien) als Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt der Besuch eines Kurses der Firma B (Englisch im Büro, Marketing, Werbung und PR) mit Kursbeginn 1. August 1994 angeboten.

Nach einer mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Niederschrift vom 11. August 1994 trat der Beschwerdeführer den Kurs nicht an, weil er am 1. und 2. August 1994 gesundheitliche Probleme, am 3. August 1994 aber einen Gerichtstermin wahrzunehmen gehabt habe. Er habe sich jeweils telefonisch beim Kursinstitut entschuldigt.

Mit Bescheid vom 29. August 1994 sprach das Arbeitsamt Versicherungsdienste (Wien) aus, daß der Beschwerdeführer gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG den Anspruch auf Notstandshilfe für die Zeit vom 1. August bis 28. August 1994 verloren habe; eine Nachsicht werde nicht erteilt. Begründend wurde ausgeführt, daß durch ein Verschulden des Beschwerdeführers der Kursbesuch bei der Firma B nicht zustande gekommen sei. Berücksichtigungwürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, es sei ihm durch sein eigenes nachdrückliches Bemühen vom Arbeitsamt der Besuch von Kursen der Firma B bewilligt worden. Aus gesundheitlichen Gründen (amtsärztliches Gutachten liege auf) habe er jedoch den Kursbeginn nicht einhalten können. Er habe sich jedoch am ersten Kurstag um 08.00 Uhr bei der Firma B gemeldet und wegen Krankheit entschuldigt. Am dritten Kurstag habe er einer gerichtlichen Vorladung Folge zu leisten gehabt. Auch den Gerichtstermin habe er der Firma B mitgeteilt. Bei dieser Gelegenheit habe ihm ein Mitarbeiter der Firma B empfohlen, beim Arbeitsamt anzufragen, ob ein Einstieg in die gleichen Kurse zu einem späteren Zeitpunkt genehmigt werde, weil ein Einsteigen in den laufenden Intensivkurs nicht mehr sinnvoll erscheine. Dieses Ansuchen sei jedoch vom Arbeitsamt abgelehnt worden. Selbstverständlich sei er nach wie vor an Umschulungsmaßnahmen interessiert und würde daher auch gerne die Kurse der Firma B besuchen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Bescheidbegründung wird nach Wiedergabe der anzuwendenden gesetzlichen Bimmungen und des bisherigen Verwaltungsgeschehens ausgeführt, es könne aufgrund umfangreicher Ermittlungen des Arbeitsamtes folgender Sachverhalt festgestellt werden: Der Beschwerdeführer habe tatsächlich am Tag des Schulungsbeginnes das Kursinstitut verständigt und mitgeteilt, daß er sich aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sehe, zum Kursantritt zu erscheinen. Durch ein amtsärztliches Gutachten sei nachgewiesen, daß er an der Eppstein-Barr-Virusinfektion leide, die zu Erschöpfungszuständen führe. Weiters habe nachvollzogen werden können, daß er am 3. August 1994 einen gerichtlichen Termin habe einzuhalten gehabt. Die Niederschrift vom 11. August 1994 sei vom Arbeitsamt vor Einlangen des amtsärztlichen Gutachtens aufgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe mit hohen Schulden zu kämpfen, so daß er nun im Rahmen der sogenannten "vernetzten Betreuung" vom Arbeitsamt betreut werde. Die belangte Behörde sei jedoch zur Ansicht gelangt, daß dem Beschwerdeführer die Vorgangsweise der ärztlichen Krankschreibung habe bekannt sein müssen, zumal er seit Jänner 1990 im Leistungsbezug stehe. Da aber Anfang August 1994 keine offizielle Krankmeldung erfolgt sei, habe er ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert. Eine Nachsicht sei nicht gewährt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG verliert der Arbeitslose unter anderem dann, wenn er ohne wichtigen Grund die Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt verweigert oder den Erfolg der Maßnahme vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen, den Anspruch auf das Arbeitslosengeld. Diese Bestimmung ist gemäß § 38 AlVG auf die Notstandshilfe sinngemäß anzuwenden.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann mangels einer diesbezüglichen Rechtsgrundlage in der Unterlassung einer "offiziellen Krankmeldung" (gemeint offensichtlich einer solchen beim Arbeitsamt) nicht eine Verweigerung der Teilnahme an einer Maßnahme zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt ohne wichtigen Grund erblickt werden. Eine solche könnte - sachverhaltsbezogen - vielmehr nur dann angenommen werden, wenn der Beschwerdeführer eine die Teilnahme verhindernde Krankheit nur vorgeschützt hätte. Derartiges hat die belangte Behörde aber nicht festgestellt. Darauf, ob dem Beschwerdeführer eine (hinsichtlich Rechtsgrundlage und Art nicht konkretisierte) "Vorgangsweise der ärztlichen Krankschreibung" bekannt war, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an.

Der auf den genannten Rechtsirrtum gestützte angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.

Das Kostenmehrbegehren auf Ersatz der vom Schriftsatzaufwand errechneten 20 %igen Umsatzsteuer war abzuweisen, weil an Schriftsatzaufwand gemäß § 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG nach § 49 Abs. 1 leg. cit. nur der nach der obgenannten Verordnung festgesetzte Pauschbetrag gebührt.

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