Normen
ABGB §6;
BauO OÖ 1976 §32 Abs1;
BauO OÖ 1976 §32 Abs2;
BauRallg;
Bebauungsplan Freistadt 50 Pflanzlstraße 1990;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
ROG OÖ 1972 §20;
VwRallg;
ABGB §6;
BauO OÖ 1976 §32 Abs1;
BauO OÖ 1976 §32 Abs2;
BauRallg;
Bebauungsplan Freistadt 50 Pflanzlstraße 1990;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
ROG OÖ 1972 §20;
VwRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des Grundstückes Nr. n1, KG Freistadt. Mit Ansuchen vom 11. April 1994, eingelangt bei der Baubehörde am 22. April 1994, haben die Beschwerdeführer die Erteilung der Baubewilligung für den Garagenneubau und ein weiteres Gebäude auf dem genannten Grundstück beantragt. Das eingereichte Bauvorhaben umfaßt eine ebenerdige Garage mit 37,58 m2 unmittelbar im Seitenabstand sowie damit verbunden einen 45,11 m2 großen Abstellraum, der unterkellert unmittelbar an der Grundgrenze zu den mitbeteiligten Nachbarn situiert ist. In der Verlängerung der seitlichen Begrenzungswand des Garagen- und Abstellraumes ist eine insgesamt 30 m lange Einfriedungsmauer vorgesehen, in einem Abstand von 6,80 m zur Garage ist innerhalb der Einfriedungsmauer die Errichtung eines 11,7 m2 großen Glashauses geplant. Anläßlich der am 7. Juni 1994 über dieses Bauansuchen abgehaltenen mündlichen Verhandlung erhoben die mitbeteiligten Anrainer gegen dieses Vorhaben Einwendungen, wonach das beantragte Nebengebäude an der Grundstücksgrenze der Mitbeteiligten zu groß und zu hoch wäre. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 16. August 1994 wurde den Beschwerdeführern die beantragte Baubewilligung erteilt. Nachdem die mitbeteiligten Nachbarn gegen diesen Bescheid Berufung erhoben hatten, verständigte der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde mit Schreiben vom 19. Dezember 1994 die Beschwerdeführer davon, daß die Überprüfung des Bauvorhabens durch den Gemeinderat zu neuen Erkenntnissen geführt habe; demnach sei gemäß § 29 der Oberösterreichischen Bauordnung die Traufenhöhe von Nebengebäuden mit 3 m über dem Fußboden limitiert, die Traufenhöhe des vorgesehenen Nebengebäudes liege aber jedenfalls über 3 m, nämlich in der Bandbreite zwischen 3,2 m und 3,7 m. Das gesetzliche Limit werde also nicht eingehalten. Aus diesem Grund sei beabsichtigt, der Berufung Folge zu geben und die Baubewilligung zu versagen. In ihrer Replik auf dieses Schreiben führten die Beschwerdeführer aus, sie sähen keinen Grund, den Bescheid erster Instanz zu revidieren, sie erwarteten vielmehr dessen Bestätigung.
Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 30. März 1995 wurde aufgrund der Berufung der mitbeteiligten Nachbarn die beantragte Baubewilligung versagt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, das Bauvorhaben entspreche im Sinne der Legaldefinition des § 29 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung grundlegend dem Typus eines Nebengebäudes. Die untergeordnete Bedeutung im Vergleich zur an sich existierenden Hauptbebauung (Wohngebäude) ergebe sich aus der beabsichtigten Nutzung als Garage und Abstellraum. Nach § 29 der Oberösterreichischen Bauordnung dürften Nebengebäude nicht höher als 3 m sein, das eingereichte Bauvorhaben weise aber eine Traufenhöhe in einer Bandbreite zwischen 3,2 m und 3,7 m auf. Der gültige Bebauungsplan Nr. 50 "Pflanzlstraße" ermögliche für das Grundstück der Beschwerdeführer Nebengebäude mit flächenmäßig größerer Ausdehnung als es Abs. 2 des § 29 der Oberösterreichischen Bauordnung grundsätzlich zulasse. Das gegenständliche Nebengebäude sei aber höher als gemäß § 29 leg. cit. zulässig.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung führten die Beschwerdeführer im wesentlichen aus, die Auslegung des Gemeinderates sei insoferne falsch, als sie in ihrem Ansuchen die Erteilung der Baubewilligung für einen Garagenneubau beantragt hätten, der ganz bewußt aufgrund der laut Bebauungsplan geltenden Bauweise "abweichende Bauweise" mit einer größeren Traufenhöhe als 3 m zulässig sei. Die abweichende Bauweise normiere im normalerweise freizuhaltenden seitlichen Bauwich erdgeschoßhohe Haupt- oder Nebengebäude als zulässig. Es ergebe sich somit logischerweise aus der Traufenhöhe, daß der Garagenneubau nicht als Nebengebäude zu definieren sei und weder einer limitierten Traufenhöhe noch einer begrenzten bebaubaren Fläche unterliege. Sie bezeichneten ihren Garagenneubau als "erdgeschoßhohes Hauptgebäude, das laut Definition des Bebauungsplanes im Bauwichbereich zulässig" sei.
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 12. Juli 1995 wurde der gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß die Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt worden seien. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, das gegenständliche Grundstück sei von dem am 2. Juli 1990 vom Gemeinderat beschlossenen Bebauungsplan Nr. 50 "Pflanzlstraße" erfaßt. Dieser Plan sehe für die gegenständliche Parzelle eine maximal zweigeschoßige Bebauung in "abweichender Bauweise" vor. Diese Bauweise werde in der textlichen Planlegende wie folgt näher bestimmt: "Die seitlichen Grenzabstände im Bereich der bebaubaren Fläche betragen mindestens 3,0 m. Sie können mit erdgeschoßhohen Haupt- oder Nebengebäuden geschlossen werden".
§ 32 Abs. 1 der Oberösterreichischen Bauordnung bestimme, daß hinsichtlich der Lage von baurechtlich bewilligungspflichtigen Gebäuden die Bestimmungen der folgenden Absätze gelten, sofern sich aus baurechtlichen Vorschriften und dem Bebauungsplan nichts anderes ergäbe. Nach Abs. 2 lit. b dieser Gesetzesstelle müßten u.a. Neubauten außerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes gegen die seitlichen Grenzen des Bauplatzes (§ 2) und gegen die innere Bauplatzgrenze, wenn es sich nicht um Hochhäuser handle, einen Mindestabstand von einem Drittel der Gesamthöhe des Gebäudes, jedenfalls aber einen Mindestabstand von 3 m einhalten. Der für den gegenständlichen Bauplatz maßgebliche Bebauungsplan Nr. 50 sehe nun insofern von diesen gesetzlichen Abstandsregelungen abweichende Vorschriften vor, als er unter dem Titel "abweichende Bauweise" eine Bebauung der "seitlichen Abstände" lediglich mit der Einschränkung zulasse, daß es sich um "erdgeschoßhohe Haupt- oder Nebengebäude" handle. Entscheidungswesentlich bei dieser bebauungsplanmäßigen Festlegung sei, daß sich nach dem eindeutigen Wortlaut die "abweichende Bauweise" nur auf den SEITENABSTAND und damit nicht etwa auf den Vorgarten oder den hinteren Abstand beziehe. Dies habe zur Folge, daß sich die Frage der Zulässigkeit einer Bauführung im Vorgarten oder im hinteren Abstand im vorliegenden Fall nach den gesetzlichen Regelungen der §§ 32 ff der Oberösterreichischen Bauordnung bestimme. Da die tatsächliche Aufschließung über die M-Straße erfolge, sei der Vorgarten bei diesem Grundstück der zwischen der im Bebauungsplan ausgewiesenen Straßenfluchtlinie und der dort vorgesehenen vorderen Baufluchtlinie gelegene Bereich, der laut Bebauungsplan auch als "Grünfläche im Bauland" gewidmet sei. Dementsprechend komme das von den Beschwerdeführern eingereichte Garagengebäude aufgrund seiner geplanten Situierung an der westlichen bzw. nördlichen Bauplatzgrenze nicht nur im Seitenabstand, sondern auch an der inneren (hinteren) Bauplatzgrenze zu liegen. Da jedoch die im Bebauungsplan vorgesehene Sonderbauweise nur auf den seitlichen Abstand zutreffe, nicht aber auf den den mitbeteiligten Nachbarn zugewandten inneren (hinteren) Bauplatzbereich, sei der zuletzt genannte Bereich gemäß § 32 Abs. 2 O.ö. Bauordnung in einem Mindestabstand von 3 m von der Grundgrenze von einer Bebauung freizuhalten. In diesem grundsätzlich von der Bebauung freizuhaltenden Bereich wäre nach § 33 Abs. 1 lit. g bzw. lit. h in Verbindung mit Abs. 2 der O.ö. Bauordnung etwa nur die Errichtung von Garten- und Gerätehütten bzw. Garagen zulässig, wenn es sich dabei um Nebengebäude handelt. Dies sei jedoch hier nicht der Fall, da die Traufenhöhe des Garagenbaues mehr als die im § 29 Abs. 1 leg. cit. für Nebengebäude höchstzulässigen 3 m betrage, was auch von den Beschwerdeführern zugestanden werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und, ebenso wie die mitbeteiligte Stadtgemeinde, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer rügen, daß die verbale Ergänzung des Bebauungsplanes in mehrfacher Hinsicht auslegungsbedürftig, widersprüchlich und unklar sei. Mangels klarer Definition ergebe sich die Frage, ob diese Verordnung dem Oberösterreichischen Raumordnungsgesetz, aber auch dem Bestimmtheitsgebot des Legalitätsprinzipes (Art. 18 B-VG) entspreche. Es ergehe daher die Anregung, der Verwaltungsgerichtshof möge das Beschwerdeverfahren unterbrechen und beim Verfassungsgerichtshof die Aufhebung dieser Verordnung wegen Gesetz- und Verfassungswidrigkeit beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt zwar die Beurteilung der Beschwerdeführer, wonach die verbale Ergänzung des Bebauungsplanes auslegungsbedürftig ist, er ist aber der Auffassung, daß sie nicht widersprüchlich und unklar, sondern jedenfalls eindeutig nur auf den Seitenabstand bezogen ist. Der Umstand allein, daß eine Norm "auslegungsbedürftig" ist, macht sie dann, wenn sie nach den Auslegungsregeln des § 6 des ABGB und den anderen zur Verfügung stehenden Auslegungsmethoden (vgl. etwa Adamovich-Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 58 ff) einer Auslegung zugänglich ist, nicht rechtswidrig. Nach § 6 ABGB darf einem Gesetz in der Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhange und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. Da sich die verbale Ergänzung des Bebauungsplanes lediglich auf die seitlichen Grenzabstände bezieht, es sich hiebei um eine Ausnahmeregelung handelt, nach der die üblicherweise einzuhaltenden 3 m-Abstände im Bereich des Erdgeschoßes mit Haupt- oder Nebengebäuden verbaut werden können (im Bereich des zweiten Geschoßes ist demnach der 3 m-Abstand einzuhalten), ist kein Grund erkennbar, warum sich diese Ausnahmeregelung auch auf den Bereich zur inneren (hinteren) Bauplatzgrenze beziehen könnte. Der Verwaltungsgerichtshof sieht daher keine Veranlassung, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag gemäß Art. 139 B-VG in bezug auf den Bebauungsplan Nr. 50 der mitbeteiligten Stadtgemeinde zu stellen.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer war das Oberösterreichische Bautechnikgesetz, LGBl. Nr. 67/1994, auf das gegenständliche Verfahren nicht anzuwenden, da es nach der Übergangsbestimmung des § 66 auf die zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens (1. Jänner 1995) anhängigen Verfahren nicht anwendbar ist (vgl. ebenso § 58 Abs. 1 der O.ö. BauO 1994, LGBl. Nr. 66).
Das zu bebauende Grundstück ist eine Eckparzelle, die sowohl an der M-Straße als auch an der Pflanzlstraße liegt, die beiden Straßen stoßen in einem ca. 93 grädigen Winkel aufeinander. Das Grundstück ist annähernd rechteckig gestaltet. Bei einer derartigen Konstellation gibt es (abgesehen vom Vorgartenbereich) NUR SEITLICHE Abstände, eine hintere Bauplatzgrenze ist nicht denkbar. Auf den Umstand, von welcher Straße aus das Grundstück (tatsächlich) erschlossen ist, kommt es nicht an.
Gemäß § 32 der O.ö. Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 82/1983 (O.ö. BauO), müssen dann, wenn sich aus baurechtlichen Vorschriften und dem Bebauungsplan nichts anderes ergibt, Neubauten und solche Zubauten, die eine Vergrößerung des Gebäudes der Länge oder Breite nach bezwecken, außerhalb eines geschlossen bebauten Gebietes gegen die seitlichen Grenzen des Bauplatzes (§ 2) und gegen die innere Bauplatzgrenze jedenfalls einen Mindestabstand von 3 m erhalten. Nach § 33 Abs. 1 lit. g O.ö. BauO darf über die Baufluchtlinie eines Bebauungsplanes mit Bauvorhaben gemäß § 29 Abs. 3 unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen gebaut werden, nach lit. h mit Bauvorhaben gemäß § 30 Abs. 6 unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen. Nach Abs. 2 des § 33 leg. cit. gelten die Bestimmungen des Abs. 1 sinngemäß auch für Vorbauten auf den gemäß § 32 Abs. 2 von einer Bebauung freizuhaltenden Grundflächen.
Nach § 29 Abs. 1 O.ö. BauO sind Nebengebäude Gebäude mit einer Traufenhöhe bis zu 3 m über dem Fußboden. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung können Garten- und Gerätehütten sowie ähnliche Nebengebäude mit einer verbauten Grundfläche bis zu 8 m2 auch auf den nach der festgelegten Bauweise bzw. gemäß § 32 Abs. 2 von einer Bebauung freizuhaltenden Grundflächen, nicht jedoch im Vorgarten, errichtet werden. Das projektierte Gebäude weist aber eine größere Traufenhöhe als 3 m auf. Es ist auch jedenfalls größer als 8 m2; die Voraussetzung des § 33 Abs. 1 lit. g trifft somit nicht zu. § 30 Abs. 6 O.ö. BauO bezieht sich nur auf Stellplätze und Garagen mit einer Nutzfläche bis zu 50 m2, unter diese Bestimmung fällt somit jener Teil des Bauvorhabens, der den Abstellraum betrifft, nicht. Die Beschwerdeführer haben aber stets vorgebracht, daß es sich bei der geplanten Bebauung bewußt nicht um ein Nebengebäude, sondern um ein Hauptgebäude handle.
Die oberösterreichischen Bauvorschriften haben zwar den Begriff "Nebengebäude" (§ 29 BauO), nicht jedoch den Begriff "Hauptgebäude" definiert. Mit dem Problem, warum das Gebäude, das jedenfalls wegen seiner Höhe nicht als zulässiges Nebengebäude anzusehen ist, nicht als Hauptgebäude zu qualifizieren sei, hat sich aber die belangte Behörde, ausgehend von der falschen Rechtsansicht, wonach die Bauführung im hinteren Bauwich geplant sei, nicht auseinandergesetzt.
Der angefochtene Bescheid war somit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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