VwGH 95/03/0310

VwGH95/03/031020.12.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der B Transporte-Reisen GmbH & Co KG in H, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 10. Oktober 1995, Zl. UVS-21/3/4-1995, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages in einer Angelegenheit nach dem Güterbeförderungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §871;
AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §63 Abs4;
VwRallg;
ABGB §871;
AVG §13 Abs1;
AVG §37;
AVG §63 Abs4;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Vorbringen in der Beschwerde begehrte die Beschwerdeführerin mit Antrag vom 27. Juli 1993 "beim Amt der Salzburger Landesregierung, Güterausweisstelle," die bescheidmäßige Zuteilung gleichbleibender Zählkarten-Wochennummern für zumindest 35 gewerbliche Transporte über das "Deutsche Eck". Mit Schriftsatz vom 21. Juni 1995 brachte sie gemäß § 73 Abs. 2 AVG einen Devolutionsantrag bei der belangten Behörde "als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (§ 15b Abs. 5 Güterbeförderungsgesetz idF BGBl 452/1992)" ein.

Dieser Antrag wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführerin mit Telefax vom 6. September 1995 an das Amt der Salzburger Landesregierung das Ansuchen vom 27. Juli 1993 um Zuteilung gleichbleibender Zählkarten zurückgezogen habe. Diese Erklärung sei "von der genannten Behörde" am 7. September 1995 an die belangte Behörde per Telefax übermittelt worden. Nachdem der Inhalt dieser von der Beschwerdeführerin selbst abgegebenen Erklärung den Rechtsvertretern der Beschwerdeführerin zur Kenntnis gebracht worden sei, hätten diese in einer Mitteilung vom 4. Oktober 1995 bekanntgegeben, daß der Devolutionsantrag und das Ansuchen vom 27. Juli 1993 aufrechterhalten würden. Aus der beigefügten Ausfertigung eines an das Amt der Salzburger Landesregierung ergangenen Schreibens gehe hervor, daß die Rückziehung des Antrages irrtümlich erfolgt sei. Aufgrund dieses Sachverhaltes sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, daß durch die schriftliche Erklärung der Beschwerdeführerin vom 6. September 1995 der Antrag auf Zuteilung von Zählkarten rechtswirksam und unwiderruflich zurückgezogen worden sei. Die am 4. Oktober 1995 an die in der Sache zuständige Erstinstanz gerichtete Eingabe könne somit nur als neuer Antrag angesehen werden. Ein Devolutionsantrag in dieser Angelegenheit sei jedoch mangels Ablaufes der Entscheidungspflicht unzulässig.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, daß sich die belangte Behörde nicht mit dem Vorbringen, die Zurückziehung des ursprünglichen Antrages mit Telefax vom 6. September 1995 wäre irrtümlich und ohne expliziten Willen der Beschwerdeführerin erfolgt, auseinandergesetzt habe. Für die belangte Behörde sei klar erkennbar gewesen, daß die Telefaxmitteilung vom 6. September 1995 auf einem offensichtlichen Irrtum beruhe und den wahren Willen der Beschwerdeführerin nicht zum Ausdruck gebracht habe. Die belangte Behörde wäre daher dazu verhalten gewesen, diesen Umstand näher zu prüfen, hiezu Beweise aufzunehmen, eine Beweiswürdigung vorzunehmen und insbesondere in der Bescheidbegründung auf diesen entscheidungswesentlichen Umstand einzugehen. Daran habe es die belangte Behörde aber mangeln gelassen.

Eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß die Ansicht der belangten Behörde, mit der Telefaxerklärung vom 6. September 1995 habe die Beschwerdeführerin den Antrag auf Zuteilung von Zählkarten rechtswirksam und unwiderruflich zurückgezogen, unrichtig sei. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zurückziehung einer Berufung könne im vorliegenden Fall nicht angewendet werden, weil § 63 Abs. 4 AVG einer Berufung die Zulässigkeit abspreche, wenn die Partei ausdrücklich auf die Berufung verzichtet habe. Im Unterschied zum Rechtsmittel der Berufung sei im § 73 Abs. 2 AVG zum Devolutionsantrag kein Rechtsmittelausschluß im Falle eines Verzichtes oder einer Zurückziehung des Antrages gesetzlich normiert. Der Antrag auf Zuteilung von Zählkarten sei trotz der irrtümlichen und ungewollten Telefaxmitteilung der Beschwerdeführerin vom 6. September 1995 seit der ursprünglichen Einbringung am 28. Juli 1993 aufrecht. Die Eingabe vom 4. Oktober 1995 verdeutliche explizit, daß das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 27. Juli 1993 aufrecht erhalten werde und die "Zurückziehung" mit Telefax vom 6. September 1995 nicht dem tatsächlichen Willen der Beschwerdeführerin entsprochen habe. Zudem sei die Beschwerdeführerin am 6. September 1995 im Verwaltungsverfahren anwaltlich vertreten gewesen. Ihre Mitteilung vom 6. September 1995, welche sie persönlich - ohne ihre Rechtsvertreter - beim Amt der Salzburger Landesregierung eingebracht habe, sei daher rechtlich nicht wirksam.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen:

Die Zulässigkeit der Zurückziehung des Sachantrages vom 27. Juli 1993 an sich wird in der Beschwerde nicht bestritten; auch der Verwaltungsgerichtshof hegt daran keine Bedenken.

Soweit die Beschwerdeführerin meint, die Zurückziehung des Antrages sei nicht rechtswirksam, weil diese Handlung nicht durch ihre Rechtsvertreter, sondern durch sie persönlich erfolgt sei, genügt es, auf § 10 Abs. 6 AVG zu verweisen. Danach schließt die Bestellung eines Bevollmächtigten nicht aus, daß der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt.

Die Zurückziehung des gegenständlichen Sachantrages ist eine Prozeßhandlung, die als solche den Formvorschriften des § 13 AVG unterliegt. Gemäß dem zweiten Satz des ersten Absatzes dieser Bestimmung kann ein derartiges Anbringen auch im Telefax-Wege eingebracht werden.

Für die Rechtswirksamkeit einer Prozeßhandlung ist - bei gegebener Rechts- und Handlungsfähigkeit des Handelnden und Einhaltung der vorgeschriebenen Form - nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 21. Jänner 1988, Slg. Nr. 12616/A) nur die Erklärung des Willens maßgebend; auf die ihr zugrundegelegenen Absichten und Beweggründe kommt es nicht an. Parteienerklärungen im Verfahren sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1994, Zl. 93/10/0192). Ein Irrtum ist somit nicht geeignet, die Rechtswirksamkeit einer Prozeßhandlung auszuschließen, mit der - lediglich - der ein Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückgezogen wird. Anders verhält es sich, wenn die Prozeßerklärung auch den Verzicht auf den dem zurückgezogenen Begehren zugrundeliegenden, im öffentlichen Recht wurzelnden Rechtsanspruch selbst umfaßt (vgl. zur Relevanz eines Irrtums im Sinne des § 871 ABGB im Falle des Verzichtes auf einen öffentlich-rechtlichen Rechtsanspruch das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1977, Zl. 361/76). Ein solcher Fall liegt jedoch hier nicht vor, ging doch die belangte Behörde selbst davon aus, daß die Eingabe vom 4. Oktober 1995 als neuer Antrag anzusehen sei.

Auf dem Boden dieser Rechtslage handelte die belangte Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie die Rechtswirksamkeit der Zurückziehung des Sachantrages vom 27. Juli 1993 durch die Beschwerdeführerin bejahte. In der Beschwerde wird nichts vorgebracht, was darauf deuten könnte, daß die Telefaxmitteilung vom 6. September 1995 nach dem maßgeblichen objekiven Erklärungswert nicht als Zurückziehung des Sachantrages zu verstehen sei. Die Geltendmachung eines Irrtums kann an der bereits eingetretenen Rechtswirksamkeit dieser Prozeßhandlung nichts ändern. Durch die Zurückziehung des Sachantrages wurde aber der meritorischen Erledigung des Devolutionsantrages die Grundlage entzogen. So gesehen ist die Beschwerdeführerin durch die Zurückweisung des Devolutionsantrages in keinem Recht verletzt worden.

Bei diesem Ergebnis braucht nicht geprüft zu werden, ob nicht auch andere Gründe einer meritorischen Behandlung des Devolutionsantrages entgegengestanden wären.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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