VwGH 94/20/0848

VwGH94/20/084810.10.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des Ing. H in G, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 12. Oktober 1994, Zl. WA 108/1994, betreffend Entziehung waffenrechtlicher Urkunden, zu Recht erkannt:

Normen

WaffG 1986 §20 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs1 Z1;
WaffG 1986 §6 Abs1 Z2;
WaffG 1986 §6 Abs1;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:1995:1994200848.X00

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Berufungsbescheid gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 3. Mai 1994 keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG. Mit diesem war dem Beschwerdeführer gemäß § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Waffengesetz 1986 (im folgenden: WaffG) der von der Bundespolizeidirektion Graz am 18. März 1982 für zwei Faustfeuerwaffen ausgestellte Waffenpaß Nr. n1 und die am 6. September 1976 für 20 Faustfeuerwaffen ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr. n2 entzogen worden.

Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides im wesentlichen aus, die Ehegattin des Beschwerdeführers habe am 5. März 1994 um 17.45 Uhr am Gendarmerieposten Kainbach telefonisch die Anzeige erstattet, daß der Beschwerdeführer im Garten geschossen habe. Sie habe den erhebenden Beamten gegenüber angegeben, daß ihr Ehegatte und sie schon öfters Streit gehabt hätten. Es sei auch eine Scheidung in Aussicht gestellt. Der Beschwerdeführer habe auch schon "einiges" getrunken. Nach einer verbalen Auseinandersetzung sei ihr Ehegatte in den Keller gegangen, wobei dieser nach Verstreichen einiger Zeit plötzlich im Freien geschossen habe. Er habe zwar niemanden bedroht, sie fühle sich jedoch dadurch, daß er Waffen besitze, bedroht und gefährdet. Nach Angaben des Beschwerdeführers habe dieser nach längerer Zeit die Funktionsfähigkeit seiner Waffen überprüfen wollen, wobei er deshalb in den Garten gegangen sei und mit dem Revolver, Marke Taurus, Kaliber 38 Spezial, einen Schuß in das Erdreich seines Gartens abgegeben habe. Der Schuß sei kontrolliert und das Erdreich weich gewesen. Somit habe die abgefeuerte Patrone niemanden gefährdet. Weiters sei beim Einschreiten der Gendarmeriebeamten die verfahrensgegenständliche Faustfeuerwaffe im Handschuhfach des Pkw"s des Beschwerdeführers vorgefunden worden. Im Zuge des waffenrechtlichen Verfahrens habe der Beschwerdeführer in der Niederschrift vom 26. April 1994, die vor der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung aufgenommen worden sei, bestätigt, daß er am 5. März 1994 gegen 17.45 Uhr mit seiner Gattin eine Auseinandersetzung gehabt habe, wobei er zu diesem Zeitpunkt auch "ein wenig durch Alkohol" angeheitert gewesen sei.

Aus dem dargestellten Verhalten des Beschwerdeführers schloß die belangte Behörde, daß die waffenrechtliche Verläßlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 6 Abs. 1 WaffG nicht mehr gewährleistet sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 Abs. 1 WaffG hat die Behörde spätestens alle fünf Jahre die Verläßlichkeit eines Inhabers eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte zu überprüfen. Ergibt sich hiebei oder aus anderem Anlaß, daß er nicht mehr verläßlich ist, so hat die Behörde diese Urkunden zu entziehen. Unter welchen Voraussetzungen die Behörde vom Fortbestand der Verläßlichkeit ausgehen kann und wann diese zu verneinen ist, ergibt sich aus § 6 des Gesetzes. Eine Person ist danach als verläßlich im Sinne des WaffG anzusehen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie

  1. 1) Waffen nicht mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird;
  2. 2) mit Waffen vorsichtig und sachgemäß umgehen und diese sorgfältig verwahren wird;
  3. 3) Waffen nicht an Personen überlassen wird, die zum Besitz von Waffen nicht berechtigt sind (§ 6 Abs. 1 WaffG).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß bei Wertung einer Person als "verläßlich" im Sinne des WaffG ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen ist, weil der Begriff der Verläßlichkeit ein Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person rechtfertigen demnach durchaus die Folgerung, daß die vom WaffG geforderte Verläßlichkeit nicht gewährleistet ist. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen und es ist auch nicht erforderlich, daß tatsächlich eine mißbräuchliche Verwendung einer Waffe stattgefunden hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. April 1947, Zl. 58/47, Slg. Nr. 84/A, vom 22. November 1977, Zl. 1779/76, vom 19. November 1986, Zl. 84/01/0065, Slg. Nr. 12.227/A, u.v.a).

Die Dauer der Innehabung des Waffenpasses und das in der Vergangenheit gesetzte Verhalten des Waffenpaßinhabers stellen keine geeigneten Kriterien dar, um die waffenrechtliche Verläßlichkeit annehmen zu können. Mit Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde ist auch dann vorzugehen, wenn im Einzelfall selbst ein nur einmal gesetztes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr das Zutreffen der im § 6 Abs. 1 WaffG genannten Voraussetzungen. Ist ein solcher Schluß zu ziehen, so hat die Behörde die ausgestellte Urkunde zu entziehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 16. Dezember 1992, Zl. 92/01/0994, und vom 21. Februar 1995, Zl. 95/20/0014).

Nach der Aktenlage steht fest, daß der Beschwerdeführer unter Alkoholeinfluß am 5. März 1994 einen Schuß ("Funktionsüberprüfungsschuß") aus seiner Faustfeuerwaffe in das Erdreich seines Gartens, der sich in einem Wohngebiet befindet, abgegeben hat. In der vor der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung aufgenommenen Niederschrift vom 26. April 1994 hat er die Alkoholisierung zum fraglichen Zeitpunkt bestätigt. Der Beschwerdeführer hat in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid geltend gemacht, zwischen der Auseinandersetzung mit seiner Gattin und der Abgabe des Schusses habe weder ein räumlicher noch ein zeitlicher Zusammenhang bestanden, und er habe zum Zeitpunkt der Schußabgabe noch keinen Alkohol konsumiert gehabt, sondern er habe erst in Anwesenheit der überprüfenden Gendarmeriebeamten ein Glas Rotwein getrunken. Angesichts der niederschriftlich festgehaltenen Aussage des Beschwerdeführers anläßlich seiner Einvernahme vor der Behörde erster Instanz am 26. April 1994, er sei bei der Auseinandersetzung mit seiner Frau bereits unter Alkoholeinfluß gestanden, im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer auch in der Berufung nicht bestrittenen Abgabe des Schusses, konnte die belangte Behörde von der Richtigkeit des von der Behörde erster Instanz ermittelten Sachverhaltes ausgehen und diesen ihrer Entscheidung zugrunde legen. Da dem Beschwerdeführer, wie sich aus seinen Berufungsausführungen ergibt, dieser Sachverhalt bekannt war und er in der Berufung auch von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, diesen aus seiner Sicht darzustellen, kann von einer Verletzung des Parteiengehörs keine Rede sein. Auf Grund des Umstandes, daß sich die belangte Behörde in schlüssiger Weise mit dem Berufungsvorbringen auseinandergesetzt hat, liegt auch keine sonstige Verletzung von Verfahrensvorschriften vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung erkannt, daß ein Waffenbenützer die Waffe leichtfertig verwendet, wenn er von vornherein nicht ausschließen kann, daß sich Personen durch die Abgabe von - wenn auch nicht scharfen - Schüssen im Wohngebiet bedroht fühlen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. November 1976, Zl. 1342/76, vom 11. Oktober 1977, Zl. 781/76, u.a.). Im Beschwerdefall tritt noch erschwerend hinzu, daß ein scharfer Schuß abgegeben worden ist. Dadurch konnte sich die Gattin des Beschwerdeführers bedroht fühlen. Dies geht schon daraus hervor, daß die Gattin des Beschwerdeführers die Gendarmerie nach der Abgabe des Schusses verständigt hat.

Wenn nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Abgeben von Schüssen - auch in der irrigen Annahme, bedroht zu sein - selbst ohne die Absicht, jemanden zu treffen oder auch nur zu gefährden, einen leichtfertigen und damit mißbräuchlichen Waffengebrauch darstellt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 7. Juni 1989, Zl. 89/01/0153), läßt die vorsätzliche Abgabe eines Schusses in das Erdreich, wobei dies auch noch unter Alkoholeinfluß erfolgt, jene Geisteshaltung und Sinnesart erkennen, die die Folgerung rechtfertigen, daß die vom WaffG geforderte Verläßlichkeit nicht gewährleistet ist. Allein aus diesem Grund ist die Beschwerde bereits abzuweisen.

Im vorliegenden Fall tritt noch hinzu, daß die Faustfeuerwaffe nach der Abgabe des Schusses im Handschuhfach des Pkw"s verwahrt worden ist. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt das Zurücklassen einer Faustfeuerwaffe im Handschuhfach eines abgestellten, wenn auch versperrten Pkw keine sorgfältige Verwahrung einer Waffe im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 2 WaffG dar (vgl. z.B. das

hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1995, Zl. 94/20/0855, und die darin angegebene Judikatur). Es ist hiebei - im Gegensatz zum Beschwerdevorbringen - ohne Belang, ob sich das Personenkraftfahrzeug auf einem versperrten Privatgrundstück befindet und aus welchem Grund oder für welche Dauer die Waffe auf diese Weise verwahrt wurde.

Auf Grund dieser Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Damit erübrigt sich eine Entscheidung über den zur Zl. AW 94/20/0485 protokollierten Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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