Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattgegeben.
Begründung
Mit dem genannten Bescheid des Bundesministers für Inneres wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 1. März 1993, mit dem der Asylantrag des Beschwerdeführers abgewiesen worden war, als unbegründet abgewiesen. Auf Grund des Antrages des Beschwerdeführers zur Gewährung der Verfahrenshilfe wurde mit Beschluß vom 28. April 1994, Zl. VH 94/20/0023-2, die Verfahrenshilfe bewilligt und unter anderem die Beigebung eines Rechtsanwaltes gewährt. Auf Grund des Bescheides der Rechtsanwaltskammer Wien vom 29. Juni 1994 wurde der Beschwerdevertreter als Verfahrenshelfer bestellt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdevertreter im Wege des Verwaltungsgerichtshofes am 14. Juli 1994 zugestellt. Die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 26 Abs. 1 VwGG endete somit am 25. August 1994.
Mit einem am 1. September 1994 zur Post gegebenen Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer durch seinen Beschwerdevertreter einerseits Beschwerde gegen den genannten Bescheid des Bundesministers für Inneres und stellte andererseits den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist.
Begründet wird der Wiedereinsetzungsantrag damit, daß eine Woche nach der Zustellung des Bescheides über die Bestellung zum Verfahrenshelfer es im Wege der Justizanstalt Wien Josefstadt noch einmal zur Zustellung des Bestellungsbescheides und des anzufechtenden Bescheides in der Kanzlei des Beschwerdevertreters gekommen sei. Die mit der Vormerkung der Termine befaßte Angestellte des Verfahrenshelfers, Frau G, habe daraufhin eine weitere Frist zur Beschwerdeerhebung, und zwar nun mit 1. September 1994, eingetragen.
Der Beschwerdeführer habe sie darauf hingewiesen, daß ohnehin schon ein Fristvermerk bestehe und ein weiterer davon abweichend eine potentielle Fehlerquelle darstellt, und ihr den Auftrag zur Streichung der irrtümlich vorgemerkten Frist erteilt.
Bei Vornahme der Streichung sei ihr jedoch das Versehen unterlaufen, nicht die mit 1. September, sondern die mit 25. August 1994 vorgemerkte Frist zu streichen, was insoferne verspätet hervorgekommen sei, als sie dem Beschwerdevertreter den Akt als noch unerledigtes Friststück nicht schon vor Ablauf der mit 25. August 1994 endenden Beschwerdefrist, sondern erst am 30. August 1994 vorlegte. Die betreffende Bedienstete lege als sonst stets zuverlässige und tüchtige Mitarbeiterin Termin- und Friststücke, sofern letztere nicht ohnehin schon bearbeitet seien, fristgerecht zur Erledigung vor. Da sich Frau G in der Kanzlei des Verfahrenshelfers als in Fragen des Fristen- und Terminvormerks äußerst zuverlässige und genaue Mitarbeiterin bewährt habe, sei es für den Verfahrenshelfer nicht vorhersehbar gewesen, daß ihr trotz entsprechenden Hinweises bei der Streichung einer überflüssigerweise vorgemerkten Frist ein Fehler unterlaufen werde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines/r Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes demjenigen der Partei oder des Rechtsanwaltes nicht schlechterdings gleichgesetzt werden darf. Das Versehen eines solchen Kanzleibediensteten stellt dann ein Ereignis gemäß § 46 Abs. 1 VwGG dar, wenn der Rechtsanwalt der ihm zumutbaren und nach der Sachlage gebotenen Überwachungspflicht jenem Bediensteten gegenüber nachgekommen ist. An dieser Aufsichts- und Kontrollpflicht eines Rechtsanwaltes hat sich auch durch die Neufassung des § 46 Abs. 1 VwGG auf Grund des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 564/1985 nichts geändert. Der Unterschied zur früheren Rechtslage besteht aber darin, daß dann, wenn ein Verschulden des Rechtsanwaltes hervorkommt, nunmehr noch zusätzlich zu klären ist, ob es sich hiebei nicht um einen minderen Grad des Versehens handelt (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom 22. März 1991, Zl. 90/10/0122).
Entscheidungswesentlich ist somit, ob ein den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden des einschreitenden Rechtsanwaltes in Hinsicht auf seine Aufsichts- und Kontrollpflichten im vorliegenden Fall gegeben ist. Dies ist jedoch im Hinblick auf die im Wiedereinsetzungsantrag gegebene Sachverhaltsdarstellung zu verneinen. Der Verwaltungsgerichtshof geht auf Grund dieser Darstellung sachverhaltsmäßig davon aus, daß der Kanzleibediensteten im vorliegenden Falle der konkrete Auftrag zur Streichung der irrtümlich eingetragenen Frist erteilt wurde. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. Juni 1992, Zl. 92/09/0043 ausgesprochen hat, reichen hinsichtlich der Führung des Fristbuches stichprobenweise Kontrollen der Eintragungen aus. Es sei nicht eine Kontrolle jeder erforderlichen Eintragung im Fristenbuch geboten (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 1984, Zl. 83/11/0143,
= VwSlg. 11 439/A). Von wesentlicher Bedeutung für den vorliegenden Fall ist, daß vom Beschwerdevertreter eine konkret auf die Streichung einer bestimmten Frist bezogene Anordnung ergangen ist, sodaß nicht etwa der Fall vorliegt, daß die Entscheidung einer strittigen Frage der Fristberechnung vom Beschwerdevertreter ohne Kontrolle der Angestellten überlassen worden wäre oder sich aus besonderen Umständen die Verpflichtung zur nochmaligen Kontrolle der Ausführung einer aufgetragenen Arbeit ergeben hätte (vgl. für den Fall der Dienstverhinderung einer Kanzleiangestellten, der ein Auftrag erteilt worden war, das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 22. März 1991, Zl. 90/10/0122). Wie der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen hat (vgl. den hg. Beschluß vom 26. Juni 1992, Zl. 88/17/0205) hat sich das Kontrollsystem auf zweckmäßige und zumutbare Kontrollmaßnahmen zu beschränken. In diesem Sinne ist bei konkreten Anordnungen davon auszugehen, daß mangels weiterer Anhaltspunkte, die eine weitere Kontrolle geraten erscheinen lassen, eine weitere Überprüfung der Ausführung der Anordnung nicht in jedem Falle erforderlich ist (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 22. März 1991, Zl. 90/10/0122). Es ist somit im Beschwerdefall kein Anhaltspunkt für das Vorliegen eines (Überwachungs-) Verschuldens, das zum Vorwurf einer
- wiedereinsetzungsschädlichen - auffallenden Sorglosigkeit berechtigen würde, gegeben.
Dem Wiedereinsetzungsantrag war daher gemäß § 46 Abs. 1 VwGG stattzugeben.
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