VwGH 94/20/0242

VwGH94/20/024220.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des E, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Dezember 1993, Zl. 4.336.771/2-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §2 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z2;
AsylG 1991 §2 Abs3;
AsylG 1991 §2 Abs4;
AsylG 1991 §2 Abs1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z2;
AsylG 1991 §2 Abs3;
AsylG 1991 §2 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist am 8. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 17. Februar 1992 beantragt, daß ihm Asyl gewährt werde. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 9. April 1992 wurde der Antrag abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 22. Juni 1992 als verspätet zurückgewiesen. Dieser Bescheid blieb unbekämpft und erwuchs somit in Rechtskraft.

Am 2. April 1993 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Asylantrag, wobei er im wesentlichen vorbrachte, daß er noch seinen Militärdienst ableisten müßte und dabei an vorderster Front gegen seine eigenen Landsleute kämpfen müßte. Bei einer Rückkehr in die Türkei würde gegen ihn wegen Fahnenflucht Klage erhoben und er wurde inhaftiert und gefoltert und möglicherweise ermordet. Er wüßte seit einigen Wochen von seinen Eltern, daß man ihn in der Türkei als Deserteur suche. Zum Beweis wurde auch eine von seinen Eltern gefertigte Bescheinigung vom 2. März 1993 vorgelegt.

Das Bundesasylamt wies auch diesen Antrag ab; auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit dem die Berufung als unbegründet abgewiesen wurde. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß gemäß § 2 Abs. 3 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit § 2 Abs. 4 Asylgesetz 1991 Fremden kein Asyl gewährt werde, die bereits einen Asylantrag in Österreich oder einem anderen Staat, der die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention beachte, gestellt hätten und deren Antrag abgewiesen worden sei, sofern der Fremde nicht nach rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrages in seinen Heimatstaat zurückgekehrt sei und seinen Asylantrag auf Umstände stütze, die nach diesem Zeitpunkt eingetreten seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Verletzung des Rechts auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 1 in Verbindung mit § 3 des Asylgesetzes 1991 geltend gemacht wird.

Als inhaltliche Rechtswidrigkeit wird insbesondere geltend gemacht, daß die belangte Behörde sich auf Grund unrichtiger rechtlicher Beurteilung nicht damit auseinandergesetzt habe, ob die vom Beschwerdeführer geltend gemachten "Folterungen politische oder nationale Hintergründe" hätten und ob er tatsächlich nach seiner Grundausbildung im Osten der Türkei gegen sein eigenes kurdisches Volk eingesetzt werden würde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Abweisung des neuerlichen Asylantrages ohne Prüfung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten Gründe, die nach seinen Angaben nach der Abweisung seines ersten Asylantrages eingetreten seien, darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer nach Abweisung seines ersten Asylantrages nicht in sein Heimatland zurückgekehrt sei.

Wie der Verwaltungsgerichtshof dazu bereits in seinem Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 94/19/0052, ausgesprochen hat, können auch Umstände, die während des Aufenthaltes des Asylwerbers in Österreich eingetreten sind, von ihm aber nicht in der in § 2 Abs. 2 Z. 2 Asylgesetz 1991 genannten Absicht herbeigeführt wurden, zur Asylgewährung führen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 94/20/0258).

Die belangte Behörde hätte sich daher mit den vom Beschwerdeführer geltenden gemachten Gründen auseinandersetzen müssen. Der im angefochtenen Bescheid enthaltene Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer im ersten Asylverfahren als Grund für das Verlassen seines Heimatlandes geltend gemacht hätte, daß er in Kürze zum Heer eingezogen und gegen seine Landsleute eingesetzt werde, vermag dies deshalb nicht zu ersetzen, weil der Beschwerdeführer in seinem neuerlichen Antrag und in seiner Aussage im zweiten Verfahren auch auf Informationen hinsichtlich seiner Verfolgung durch die türkischen Behörden verwiesen hat. Ohne nähere Prüfung des Sachverhaltes kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß sich nach Abschluß des ersten Asylverfahrens keine Änderung des Sachverhalts ergeben hat, sodaß die Rechtskraft des ersten Bescheides unverändert einer neuerlichen Entscheidung entgegenstünde.

Da die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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