VwGH 94/19/0860

VwGH94/19/086028.3.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des S in A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Oktober 1993, Zl. 4.325.982/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §25 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §25 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 8. Oktober 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsangehörigen, der am 24. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. Dezember 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 des im vorliegenden Fall anzuwendenden Asylgesetzes 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Aus der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vom 7. November 1991 gehe nämlich hervor, daß er Pakistan am 2. September 1991 verlassen habe und über China und Rußland nach Rumänien gereist sei. Dort habe er sich bis zum 22. Oktober 1991 aufgehalten. Da es ihm während seines Aufenthaltes in Rumänien "durchaus möglich" gewesen sei, bei den rumänischen Behörden um Asyl anzusuchen, er dort auch keinerlei Verfolgung ausgesetzt gewesen und auch nicht Gefahr gelaufen sei, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in sein Heimatland abgeschoben zu werden - Rumänien sei nämlich seit dem 7. August 1991 ein Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention und es spreche auch nichts dafür, daß es seine aus dieser Mitgliedschaft sich ergebende Pflichten (insbesondere das im Art. 33 statuierte Refoulementverbot) etwa vernachlässige - habe er "daselbst" Verfolgungssicherheit erlangt.

Der Beschwerdeführer bringt dagegen im wesentlichen vor, § 25 Abs. 2 erster Satz des Asylgesetzes 1991, wonach am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängige Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 zu Ende zu führen sind, sei verfassungswidrig, da ihm nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 "ein weit geringerer meritorischer Rechtsschutz" als nach dem Asylgesetz (1968) zugute komme. Selbst bei Anwendung des Asylgesetzes 1991 hätte die belangte Behörde jedoch bei verfassungskonformer Interpretation eine meritorische Prüfung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers vorzunehmen gehabt. Schließlich hätte der Beschwerdeführer nach Verfassen der Berufung keine Möglichkeit mehr gehabt, auf den behördlichen Einwand der "Verfolgungssicherheit im Sinne der Drittstaatenklausel" einzugehen und sich dagegen zur Wehr zu setzen. Weder bei Stellung des Asylantrages noch bei Verfassen der Berufung sei der Beschwerdeführer mit dem "Vorwurf" der ausreichenden Verfolgungssicherheit konfrontiert gewesen. Auch eine Manuduktion sei nicht erfolgt.

Die Beschwerde erweist sich im Ergebnis als berechtigt:

Zwar haftet - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - der Bestimmung des § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die in der Beschwerde vorgebrachte Verfassungswidrigkeit nicht an (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1992, B 1387/92, B 1542/92) und es setzt die Anwendung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 auch nicht voraus, daß zuvor die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers im Sinne des § 1 Z. 1 leg. cit. geprüft werden müsse (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1994, Zl. 94/01/0532).

Allerdings hat die belangte Behörde bei ihrer Argumentation übersehen, daß die Genfer Flüchtlingskonvention nach ihrem § 43 Abs. 2 nicht durch die Abgabe der Beitrittserklärung eines Staates für diesen in Kraft tritt, sondern erst am 90. Tag nach der Hinterlegung der Ratifikations- oder Beitrittsurkunde. Die Wirksamkeit des Beitrittes Rumäniens ist daher (nach Abgabe der Ratifikationserklärung am 7. August 1991) am 5. November 1991 eingetreten.

Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, daß Rumänien zu der Zeit, in der sich der Beschwerdeführer in diesem Staat aufgehalten hat, bereits an die Genfer Flüchtlingskonvention gebunden war. Andererseits lagen der belangten Behörde - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - auch keine Feststellungen vor, ob Rumänien schon vor Wirksamkeit des Beitrittes zur Genfer Flüchtlingskonvention Flüchtlingen faktisch einen den Anforderungen dieser Konvention entsprechenden Schutz gewährte.

Es entbehrt daher die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei vor seiner Einreise nach Österreich bereits in Rumänien vor Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 sicher gewesen, jeder Begründung. Der solcherart mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastete Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 f VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte