VwGH 94/19/0042

VwGH94/19/004217.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in K, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Dezember 1992, Zl. 4.320.019/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1968 §18 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
AsylG 1968 §18 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Ghanas und am 19. Juni 1991 in das Bundesgebiet eingereist. Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. Dezember 1992 wurde die Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 25. Juli 1991, mit dem ausgesprochen worden war, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre, abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner Erstbefragung am 23. Juli 1991 bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich angegeben, er sei von Beruf Bauer und habe keiner politischen Organisation angehört. Am 7. Oktober 1989 habe er drei ihm unbekannte Personen in seinem Haus bewirtet. Am 10. Oktober 1989 sei er von der Polizei verhaftet worden; dabei sei ihm erklärt worden, daß es sich bei den drei Unbekannten um drei Dissidenten gehandelt habe. Es sei ihm vorgeworfen worden, er habe selbst ein Komplott mit diesen drei Dissidenten geschmiedet. Nach zwei Wochen Gefängnis sei er gegen Kaution, die seine Eltern für ihn bezahlt hätten, entlassen worden. Er habe nunmehr gewußt, daß er mit einer Verhandlung zu rechnen habe, wobei ihm eine mehrjährige Gerichtsstrafe gedroht habe. Aus diesem Grund habe er sich entschlossen, seine Heimat zu verlassen. Mit seinem gültigen, 1985 ausgestellten Reisepaß sei er am 4. November 1989 aus Ghana nach Burkina Faso ausgereist. In der Folge sei er über Niger nach Lybien gekommen, wo er sich von Anfang Jänner 1990 bis zum 4. Dezember 1990 als Gastarbeiter aufgehalten habe; während seines dortigen Aufenthaltes habe er sich seinen Reisepaß verlängern lassen und dann in der Folge ein Visum nach Bulgarien beantragt. Am 4. Dezember 1990 habe er Lybien über Malta verlassen und sei am 6. Dezember 1990 nach Bulgarien eingereist; dort habe er sich bis 22. Dezember 1990 aufgehalten. Danach sei er mit dem Zug nach Rumänien gefahren, habe von dort Mitte Juni 1991 mit sechs weiteren Personen illegal die Grenze nach Ungarn überschritten und sich dort bis zum 18. Juni 1991 aufgehalten. In Budapest habe er sich mit den anderen erkundigt, wie man illegal nach Österreich einreisen könne. Bei dem Versuch, die grüne Grenze nach Österreich zu überschreiten, sei er schließlich mit anderen zusammen aufgegriffen worden.

In seiner gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer weiters aus, er sei nach seiner Verhaftung menschenunwürdig behandelt, geschlagen und gefoltert worden; man habe ihm vorgeworfen, selbst an einem Putschversuch beteiligt gewesen zu sein. Im Gefängnis habe er erfahren, daß die drei Männer vor Gericht gestellt und jeder zu 15 Jahren Haft verurteilt worden seien. Er habe nunmehr befürchtet, eine ähnliche Strafe zu erhalten.

Die belangte Behörde wertete in ihrem vom Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid dessen gesamtes Vorbringen als "absolut unglaubwürdig". Soweit sich dies allein auf das Berufungsvorbringen bezieht, kann eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers dadurch insofern nicht in Betracht kommen, als sich die belangte Behörde bei ihrer Berufungsentscheidung, bei der sie gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 anzuwenden hatte, auf das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zu beschränken und mit dem sachverhaltsbezogenen Berufungsvorbringen nicht auseinanderzusetzen hatte, da kein Fall des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 vorlag.

Soweit jedoch die belangte Behörde unter - unzulässiger - Heranziehung des tatsächlichen Vorbringens in der Berufung die dargelegte Wertung auf das erstinstanzliche Verfahren bezog, kann ihr nicht gefolgt werden:

So ist der von der belangte Behörde erblickte Widerspruch in der Niederschrift vom 23. Juli 1991 nicht nachvollziehbar, weil die Angaben des Beschwerdeführers, in seinem Heimatland nicht gesucht zu werden (Punkt 7 der Niederschrift) von den weiteren Ausführungen, wegen der Bewirtung der drei Unbekannten in den Verdacht der Teilnahme an einem Komplott geraten zu sein (Punkt 17 der Niederschrift), ergänzt werden; die Niederschrift kann insoferne als Einheit aufgefaßt werden. Der Beschwerdeführer mußte die Frage, ob er gesucht werde, im vorliegenden Kontext (mit der Frage nach Vorstrafen bzw. nach der Begehung strafbarer Handlungen) nicht zwingend als Frage nach den befürchteten, im Mittelpunkt seiner folgenden niederschriftlichen Ausführungen stehenden staatlichen Aktivitäten, die er als Fluchtgrund ansah, auffassen. Mangels eines entsprechenden, zur Aufklärung eines allfälligen Widerspruches in den Angaben des Beschwerdeführers geeigneten Vorhaltes während der niederschriftlichen Befragung kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Beschwerdeführer die Frage, ob er gesucht werde, als Frage nach strafgerichtlicher Verfolgung in einem anderen Zusammenhang als den seiner Fluchtgründe auffaßte und deshalb verneinte (vgl. das Erkenntnis vom 14. Oktober 1992, Zl. 92/01/0410).

Ebensowenig ist es schlüssig, wenn die belangte Behörde die Angaben des Beschwerdeführers deshalb in Zweifel zieht, weil es "unwahrscheinlich sei, daß dem Beschwerdeführer für die Verköstigung der Unbekannten eine derart hohe Strafe drohe", zumal der Beschwerdeführer ja angab, daß ihm nicht die Verköstigung, sondern ein Komplott mit den Dissidenten vorgeworfen worden sei.

Hingegen kann sich die (pauschale) Feststellung, die Anwesenheit eines Dolmetschers schließe jedenfalls Verständigungsschwierigkeiten aus, im konkreten Fall immerhin darauf stützen, daß der Beschwerdeführer die ihm vorgehaltene Niederschrift unterfertigte. In dieser ist auch festgehalten, daß er die englische Sprache "perfekt beherrscht", sodaß die Schlußfolgerung der belangten Behörde im Ergebnis nicht ungerechtfertigt erscheint.

Die aufgezeigten Verfahrensmängel sind auch deshalb wesentlich, weil jemand dann als politisch Verfolgter anzusehen ist, wenn er sich zwar selbst nicht zu einer politischen Partei bekannt hat, aber aus politischen Gründen, im Beschwerdefall als eines "Komplottes" verdächtigt, wegen seiner angeblich politischen Gesinnung einer Verfolgung ausgesetzt ist.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

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