Normen
AVG §3 Z3;
FrG 1993 §67 Abs1;
JN §66 Abs1;
VwRallg;
AVG §3 Z3;
FrG 1993 §67 Abs1;
JN §66 Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 11. April 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes (FrG) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe seinen ordentlichen Wohnsitz an der Adresse seiner Mutter in Wien, wo er seit 19. Jänner 1971 polizeilich gemeldet sei und wo er nach seiner Haftentlassung wieder zu wohnen beabsichtige. Von einer Aufgabe dieses Wohnsitzes wegen Verbüßung einer Haftstrafe könne daher nicht gesprochen werden, sodaß die Bundespolizeidirektion Wien als erstinstanzliche Behörde gemäß § 67 Abs. 1 FrG zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes örtlich zuständig gewesen sei.
Der Beschwerdeführer sei unbestrittenermaßen vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des schweren Raubes und wegen Bandenbildung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Damit sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt. Das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers, das zur Verurteilung geführt habe - ihm seien mehrere Raubüberfälle zur Last gelegen -, rechtfertige aber auch die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme. Das Aufenthaltsverbot stelle zwar im Hinblick darauf, daß sich der Beschwerdeführer seit seiner Geburt in Österreich aufhalte und hier mit seiner Familie lebe, einen bedeutsamen Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar, doch sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes - unter Berücksichtigung der Tatsache, daß der Beschwerdeführer als Mitglied einer Bande mehrere Raubüberfälle, bei denen der Wille der jeweiligen Opfer durch "bedrohliches Umringen mehrerer Bandenmitglieder" gebeugt worden sei, begangen habe - zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Verhinderung strafbarer Handlungen, zum Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter und zur Aufrechterhaltung der Ordnung) dringend geboten und daher zulässig. Die in der Berufung verwendete Formulierung, es handle sich um Straftaten, die "üblicherweise von Jugendlichen gesetzt werden", lasse jegliche Einsicht vermissen, sodaß auch deshalb eine Zukunftsprognose für den Beschwerdeführer nicht positiv ausfallen könne. Angesichts des gegebenen Sachverhaltes müsse den öffentlichen Interessen, die an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestünden, größeres Gewicht beigemessen werden als den damit verbundenen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1.1. Der Beschwerdeführer erblickt eine inhaltliche Rechtswidrigkeit darin, daß die erstinstanzliche Behörde örtlich unzuständig gewesen sei, weil er seinen Wohnsitz in H, wo er die Freiheitsstrafe verbüße, habe. Die belangte Behörde, die ebenfalls unzuständig gewesen sei, habe dies nicht wahrgenommen.
1.2. Gemäß § 67 Abs. 1 FrG richtet sich die örtliche Zuständigkeit, sofern nicht anderes bestimmt ist, nach dem Wohnsitz des Fremden im Inland, falls kein solcher errichtet ist, nach seinem Aufenthalt im Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens.
Maßgebend ist daher, ob der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vom 4. November 1993 im Bereich der erstinstanzlichen Behörde seinen Wohnsitz hatte. § 67 Abs. 1 FrG enthält keine Definition des Wohnsitzes. Der Begriff "Wohnsitz" hat in einem solchen Fall den Inhalt, wie er in § 66 Abs. 1 JN definiert ist (siehe die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, unter E.Nr. 11 zu § 3 Abs. 1 Z. 3 AVG zitierte hg. Rechtsprechung; vgl. zur Bedeutung des Wohnsitzbegriffes des § 66 Abs. 1 JN für andere Rechtsgebiete Thienel, Österreichische Staatsbürgerschaft II, Seite 113 ff, mwN).
Nach § 66 Abs. 1 zweiter Satz JN ist der Wohnsitz einer Person an dem Ort begründet, an welchem sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, daselbst ihren bleibenden Aufenthalt zu nehmen. Die Begründung des Wohnsitzes setzt somit den Aufenthalt an einen bestimmten Ort und den Willen, dort zu bleiben, voraus. Ein - wie im Falle eines Untersuchungs- oder Strafhäftlings - zwangsweise begründeter Aufenthaltsort ist kein Wohnsitz (vgl. Thienel, aaO, Seite 114). Der Beschwerdeführer hat daher durch seinen Aufenthalt in der Strafanstalt in H, keinen neuen Wohnsitz begründet. Er hat aber auch den Wohnsitz an der Adresse seiner Mutter in Wien, S-Gasse 28/1, nicht aufgegeben, wo er bis zu seiner Verhaftung gewohnt hat und nach seiner Haftentlassung wieder wohnen will (siehe die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 4. November 1992). Der für die Aufgabe des Wohnsitzes entscheidende Wegfall des animus domiciliandi (siehe die bei Thienel, aaO, Seite 117 zitierte Rechtsprechung) kann daher beim Beschwerdeführer nicht angenommen werden.
Diese Überlegungen führen zu dem Ergebnis, daß der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides weiterhin seinen Wohnsitz in Wien hatte, sodaß die Bundespolizeidirektion Wien zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes in erster Instanz örtlich zuständig war. Über die dagegen erhobene Berufung hatte gemäß § 70 Abs. 1 FrG die belangte Behörde zu entscheiden. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verstoß gegen § 67 Abs. 1 FrG liegt somit nicht vor.
2. Ein Verstoß gegen § 18 FrG wird vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt und die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, bestehen keine Bedenken.
Was den vom Beschwerdeführer gerügten Verstoß gegen die §§ 19 und 20 FrG betrifft, genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1994, Zl. 94/18/0147, hinzuweisen. Mit diesem Erkenntnis wurde die Beschwerde eines anderen Bandenmitgliedes, das mit dem selben Urteil wie der Beschwerdeführer wegen der gleichen Delikte ebenfalls zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden war, als unbegründet abgewiesen. Jener Beschwerdeführer hat - ebenso wie der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren - seit frühester Kindheit in Österreich bei seiner Mutter (und seinen Geschwistern) gelebt. Aus den in dem zitierten Erkenntnis dargelegten Erwägungen ist auch im vorliegenden Fall die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß den §§ 19 und 20 Abs. 1 FrG zulässig. An diesem Ergebnis ändert sich auch dadurch nichts, daß - was in der Beschwerde mit Recht gerügt wird - die belangte Behörde nicht aus Formulierungen in der vom Beschwerdevertreter verfaßten Berufung auf mangelnde Schuldeinsicht des Beschwerdeführers schließen durfte.
3. Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Damit ist auch ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, entbehrlich.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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