VwGH 94/18/0250

VwGH94/18/025023.6.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des R in N, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 11. März 1994, Zl. III 178/93, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
FrG 1993 §89 Abs2;
FrPolG 1954 §14b Abs1 Z4;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
FrG 1993 §89 Abs2;
FrPolG 1954 §14b Abs1 Z4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 2 sowie den §§ 19, 20 und 21 FrG ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer im Jahr 1988 wegen schweren Diebstahls durch Einbruch in drei Fällen verurteilt worden sei. Aus den Jahren 1990 und 1992 lägen insgesamt zwei rechtskräftige Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen der Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG vor, in den Jahren 1991 und 1992 sei der Beschwerdeführer jeweils rechtskräftig wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes bestraft worden, weil er sich zu bestimmten Zeiten ohne den erforderlichen Sichtvermerk im Bundesgebiet aufgehalten habe. Schließlich sei der Beschwerdeführer mit Urteil vom 8. März 1993 wegen der Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung sowie des Imstichlassens eines Verletzten verurteilt worden. Der Beschwerdeführer sei seit 1986 in Österreich, wo er die Hauptschule besucht habe. Seit ca. drei Jahren arbeite er als Hilfsarbeiter. Er habe eine Freundin im Bundesgebiet. Er sei "demgemäß relativ gut integriert im Bundesgebiet" und mit ebensolchen "sonstigen Bindungen" an das Bundesgebiet versehen. Intensive familiäre Bindungen habe er zu seinem Vater, der sich seit ca. 20 Jahren als "Gastarbeiter" im Bundesgebiet aufhalte und dementsprechend gut integriert sei, und zu seinem Bruder, der - wie der Beschwerdeführer selbst - beim Vater lebe. Diese Bindungen des Beschwerdeführers würden zwar durch das Aufenthaltsverbot beeinträchtigt, die Beeinträchtigungen träten allerdings in den Hintergrund, wenn man sich die vom Beschwerdeführer für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehende große Gefahr vor Augen halte. Ferner wies die belangte Behörde auf die Volljährigkeit des Beschwerdeführers und auf den Umstand hin, daß er nahe Familienangehörige nicht nur in Österreich habe. So lebten die Mutter und ein Bruder in der Türkei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Wenn der Beschwerdeführer geltend macht, daß die beiden gerichtlichen Verurteilungen, bei denen jeweils nur eine Geldstrafe verhängt worden sei, wobei die erste Verurteilung unter Setzung einer Probefrist bedingt nachgesehen worden sei, nicht unter § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG zu subsumieren seien, übersieht er, daß dieser Tatbestand ohnedies nicht zur Begründung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes herangezogen wurde. Die den Verurteilungen zugrundeliegenden, vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten durften allerdings bei der im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG gebotenen Beurteilung des Gesamt(fehl)verhaltens mitberücksichtigt werden, wobei nicht nur die Diebstähle die Annahme einer Gefährdung der maßgebenden öffentlichen Interessen zu verstärken geeignet sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0366), sondern auch das Imstichlassen eines bei einem vom Beschwerdeführer verursachten Verkehrsunfall Verletzten, bei dem es sich noch dazu um einen Behinderten gehandelt hatte, eine geringschätzige Einstellung des Beschwerdeführers zu den von der Rechtsordnung geschützten Werten erkennen läßt. Der Beschwerdeführer wendet ferner ein, daß mit der zweimaligen rechtskräftigen Bestrafung wegen der Verwaltungsübertretung nach § 64 Abs. 1 KFG der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG nicht erfüllt sei; zwar sei die zweimalige Übertretung einer Verwaltungsvorschrift "auch bereits mehr als die einmalige Übertretung", jedoch könne der Sinn der im § 18 Abs. 2 Z. 2 enthaltenen Formulierung "mehr als ein Mal" nicht so eng ausgelegt werden, daß bereits die zweimalige Übertretung einer Verwaltungsvorschrift als unter § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG subsumierbar eingestuft werde. Darüber hinaus handle es sich bei diesen Verwaltungsübertretungen nicht um schwerwiegende, zumal das Verschulden des Beschwerdeführers, der in jugendlichem Leichtsinn gehandelt habe und sich seither "völlig korrekt" verhalten habe, als sehr gering zu beurteilen sei. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer zum einen auf die ständige hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1994, Zl. 93/18/0587) zu verweisen, wonach Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG jedenfalls schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG darstellen; zum anderen ist ihm zu entgegnen, daß der von ihm vertretenen Auffassung, eine bloß zweimalige Bestrafung wegen derartiger Verwaltungsübertretungen erfülle nicht den Tatbstand der genannten Bestimmung, deren klarer Wortlaut entgegensteht.

Der Beschwerdeführer irrt auch, wenn er meint, daß die beiden rechtskräftigen Bestrafungen wegen der Übertretungen des Fremdenpolizeigesetzes keine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG darstellten. Aufgrund dieser Bestrafungen ist im Hinblick auf die gleichartige Strafbarkeit des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nach dem Fremdenpolizeigesetz (§ 14b Abs. 1 Z. 4) und nach dem FrG (§ 82 Abs. 1 Z. 4) im Zusammenhalt mit der in der Verweisungsbestimmung des § 89 Abs. 2 FrG zum Ausdruck gebrachten Gleichwertigkeit der Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes und der entsprechenden Bestimmungen des FrG nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0318) der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt. Auf das Ausmaß des Verschuldens kommt es dabei entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht an.

Wenn die belangte Behörde aufgrund des solcherart bei der Beurteilung nach § 18 Abs. 1 FrG zu berücksichtigenden Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Vielzahl der ihr zur Last fallenden Rechtsbrüche und deren Gewicht, die in der Z. 1 der genannten Bestimmung umschriebene Annahme als gerechtfertigt angesehen hat, kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.

Angesichts der sich im Verhalten des Beschwerdeführers manifestierenden erheblichen Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit begegnet es auch keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde die Verhängung des Aufenthaltsverbotes trotz des damit verbundenen Eingriffes in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers im Sinne des § 19 FrG zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele für dringend geboten erachtet hat. Daran vermag auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf sein Wohlverhalten seit der letzten Straftat sowie darauf, daß ihm die bisherigen Übertretungen der österreichischen Gesetzesvorschriften leid täten, nichts zu ändern, vermochten doch schon bisher selbst mehrfache Bestrafungen den Beschwerdeführer nicht von weiteren Verfehlungen abzuhalten.

Die von der belangten Behörde im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommene Interessenabwägung ist gleichfalls nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die belangte Behörde berücksichtigte dabei sowohl die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit Dezember 1986 als auch die als "relativ gut" beurteilte Integration des Genannten, die intensiven Beziehungen zu seinem seit 20 Jahren im Bundesgebiet lebenden Vater und zu dem - wie der Beschwerdeführer selbst - beim Vater wohnenden Bruder sowie die Beziehung zu einer Freundin, gelangte jedoch dennoch zu dem Ergebnis, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf den Beschwerdeführer und seine Familie aufgrund der von ihm für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehenden Gefahr, die in Anbetracht der zahlreichen von ihm begangenen Gesetzesverstöße - wie schon oben erwähnt - mit Recht als beträchtlich eingestuft wurde, gegenüber den nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes in den Hintergrund träten. Dagegen bestehen beim vorliegenden Sachverhalt keine Bedenken. Ob der Beschwerdeführer - wie er in der Beschwerde behauptet - "völlig" integriert sei und ob es sich bei der Freundin um eine "einheimische Lebensgefährtin" handle, fällt nicht entscheidend ins Gewicht. Es erübrigten sich daher auch die vom Beschwerdeführer vermißten weiteren Erhebungen zur "tatsächlichen Integration" und zu seinen "tatsächlichen familiären und sonstigen Bindungen an Österreich".

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

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