VwGH 94/17/0009

VwGH94/17/000916.11.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des D, Rechtsanwalt in W, Wollzeile 25, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 2. Dezember 1993, Zl. UVS-08/25/00811/93, betreffend Übertretung des Wiener Parkometergesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

ParkometerabgabePauschV Wr 1993;
ParkometerG Wr 1974 §1 Abs3;
ParkometerG Wr 1974 §2 Abs2 idF 1992/050;
ParkometerG Wr 1974 §4;
VwGG §49 Abs1 idF 1997/I/088;
VwRallg;
ParkometerabgabePauschV Wr 1993;
ParkometerG Wr 1974 §1 Abs3;
ParkometerG Wr 1974 §2 Abs2 idF 1992/050;
ParkometerG Wr 1974 §4;
VwGG §49 Abs1 idF 1997/I/088;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, ein bestimmtes mehrspuriges Kraftfahrzeug am 1. Juli 1993 um 11.05 Uhr an einem näher bezeichneten Ort in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone abgestellt zu haben, ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültig entwerteten Parkschein gesorgt zu haben, weil der Parkschein gefehlt habe. Dadurch habe er die Parkometerabgabe fahrlässig verkürzt. Er habe dadurch "§ 1 Abs. 3 i. V.m. § 4 Abs. 1 Parkometergesetz, LGBl. für Wien Nr. 47/1974, in der geltenden Fassung", verletzt. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es u.a., im vorliegenden Fall habe der Beschwerdeführer zwar, wie er selbst ausführe, "gleichzeitig" mit der Erteilung der Ausnahmebewilligung, also am 7. Juli 1993, die pauschalierte Parkometerabgabe für den Zeitraum 1. Juli 1993 bis 30. Juni 1994 entrichtet. Hätte er jedoch für das unbestrittene Abstellen seines Fahrzeuges in einer Kurzparkzone am 1. Juli 1993 bereits an diesem Tag bei Beginn des Abstellens, wie es das Gesetz verlange, also zum vorgeschriebenen Termin, die Parkometerabgabe entrichtet, so wäre diese Abgabe der Abgabengläubigerin nicht erst am 7. Juli 1993, sondern schon am 1. Juli 1993 zugeflossen. Die Abgabe für die gegenständliche Abstellzeit sei somit der Abgabengläubigerin verspätet zugeflossen, weshalb im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Abgabenverkürzung eingetreten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt zunächst vor, die von der belangten Behörde vertretene Rechtsansicht führe zum unhaltbaren Ergebnis, daß die "Behörde erster Instanz" einerseits rückwirkend Ausnahmebewilligungen ausstelle, andererseits aber sich darauf berufe, daß ungeachtet der Rückwirkung die Parkometerabgabe zusätzlich durch Parkscheine zu entrichten sei, sie sohin dieselbe Abgabe doppelt einhebe und alle jene Fahrzeuglenker, die auf die Rechtswirksamkeit der von ihr ausgestellten Genehmigungen vertrauten, dafür nach dem Parkometergesetz bestrafe. Die Behörde sei in keiner Weise gezwungen gewesen, "rückwirkende Bescheide" zu erlassen, müsse aber, wenn sie es tue, deren Wirkungen gegen sich gelten lassen.

Der Beschwerdeführer ist damit im Ergebnis im Recht.

Nach § 1 Abs. 1 des (Wiener) Parkometergesetzes, LGBl. Nr. 47/1974 in der Fassung LGBl. Nr. 42/1983, (im folgenden: ParkometerG) kann der Gemeinderat für das Abstellen von mehrspurigen Fahrzeugen in Kurzparkzonen (§ 25 der Straßenverkehrsordnung 1960 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 275/1982) nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen die Entrichtung einer Abgabe vorschreiben.

Von dieser Ermächtigung hatte der Wiener Gemeinderat mit der (im Beschwerdefall noch anzuwendenden) Verordnung vom 28. Februar 1986, mit der für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen die Entrichtung einer Abgabe vorgeschrieben wird, Gebrauch gemacht (Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 12/1986).

In § 1 Abs. 3 zweiter Satz ParkometerG ist bestimmt, daß jeder Lenker eines mehrspurigen Fahrzeuges, der ein solches Fahrzeug in einem Gebiet abstellt, für das eine Anordnung nach Abs. 1 getroffen wurde, die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten hat.

§ 2 Abs. 2 ParkometerG in der Fassung LGBl. Nr. 50/1992 hat folgenden Wortlaut:

(2) Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung kann der Magistrat mit den Abgabepflichtigen Vereinbarungen über die Höhe und die Form der zu entrichtenden Abgabe treffen. Hiebei können insbesondere Pauschalierungsvereinbarungen und Vereinbarungen über die Fälligkeit getroffen werden. Zur Erleichterung und Vereinheitlichung dieser Vereinbarungen hat die Landesregierung durch Verordnung Pauschalierungsrichtlinien festzulegen, die auf das unterschiedliche Abstellverhalten der Wohnbevölkerung in Gebieten, die gemäß § 43 Abs. 2a StVO 1960, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 423/1990, verordnet sind, des Wirtschaftsverkehrs und des sonstigen Verkehrs Bedacht nehmen."

Gemäß § 4 Abs. 1 Parkometergesetz sind Handlungen oder Unterlassungen, durch die die Abgabe hinterzogen oder fahrlässig verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu S 3.000,-- zu bestrafen.

§ 2 der (im Beschwerdefall noch anzuwendenden) Verordnung der Wiener Landesregierung über die pauschale Entrichtung der Parkometerabgabe, LGBl. Nr. 32/1993, (im folgenden: PauschalVO) hatte folgenden Wortlaut:

"(1) Die Parkometerabgabe ist bei pauschaler Entrichtung mit folgenden Beträgen vorzuschreiben:

a) für Inhaber von Ausnahmegenehmigungen gemäß § 45 Abs. 4 StVO 1960 für ein Jahr 1.320,-- S;

b) für Inhaber von Ausnahmegenehmigungen gemäß § 45 Abs. 2 StVO 1960 für ein Jahr 1.320,-- S;

c) in allen übrigen Fällen für ein Jahr 14.000,-- S.

(2) Die pauschale Entrichtung (Abs. 1) ist nur für Zeiträume von mindestens drei Monaten zulässig. Bereits angefangene Kalendermonate werden dabei voll gerechnet.

(3) Wird die Ausnahmegenehmigung gemäß § 45 Abs. 2 bzw. Abs. 4 StVO 1960 oder gemäß § 2 Abs. 2 Parkometergesetz für einen kürzeren Zeitraum als ein Jahr erteilt, ist die gemäß Abs. 1 zu entrichtende Parkometerabgabe aliquot zu verringern."

Wenn § 1 Abs. 3 zweiter Satz ParkometerG bestimmt, daß die Parkometerabgabe bei Beginn des Abstellens des Fahrzeuges zu entrichten ist, so stellt dies eine allgemeine Regel dar, die durch die Ermächtigung des § 2 Abs. 2 ParkometerG zum Abschluß von Pauschalierungsvereinbarungen und Vereinbarungen über die Fälligkeit durchbrochen wird. Dies wird schon dadurch deutlich, daß es bei einer Pauschalierung - wie hier - auf die tatsächlich konkretisierten Tatbestände nicht ankommt, weshalb für den Zeitraum der Geltung einer Pauschalierung § 1 Abs. 3 zweiter Satz ParkometerG, der an den jeweiligen Abstellvorgang anknüpft, gar nicht zum Tragen kommen kann. Gehört es doch zum Wesen der Pauschalierung, daß für die Berechnung von Leistungen, die für einen Zeitraum zu erbringen sind (oder gebühren), nicht von der Zahl der in dieser Zeit tatsächlich konkretisierten, für die Berechnung maßgeblichen Tatbestände ausgegangen wird, sondern von einem auf Grund von erfahrungsgestützten Erwartungen angenommenen Durchschnitt (vgl. Wielinger, Was bringt der verwaltungsrechtliche Vertrag?, ZfV 1983, 17).

In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, daß die Verwendung des Begriffes "Vereinbarungen" durch den Gesetzgeber nur als bewußte Bezeichnung der Vertragsform als der auf die Willensübereinstimmung der Partner gegründete Rechtssatzform verstanden werden kann und dies dem Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit dieses Rechtsquellentitels dann nicht verwehrt ist, wenn die Vereinbarung und ihre Bindungswirkung, die sie nur innerhalb der ihr gezogenen Ermächtigung entfalten kann, letztlich - im Streitfall - Gegenstand einer bescheidförmigen Erledigung ist und damit der Überprüfung durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts (vgl. hier § 4 ParkometerG) zugänglich wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. April 1982, Zl. 17/2568/80, Slg. 5.678/F, und die dort zitierte Literatur und Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes).

Kommt nach dem Gesagten die Regelung des § 1 Abs. 3 zweiter Satz ParkometerG für den Zeitraum der Geltung einer Pauschalierungsvereinbarung nicht zum Tragen, so ist aber die Argumentation der belangten Behörde, es wäre die Parkometerabgabe der Abgabengläubigerin erst verspätet zugeflossen, weil die Parkometerabgabe mit der Entwertung des Parkscheines als entrichtet gelte, verfehlt. Fiele nämlich das gegenständliche Abstellen des Fahrzeuges am 1. Juli 1993 in den zeitlichen Geltungsbereich einer Pauschalierungsvereinbarung nach § 2 Abs. 2 ParkometerG, so käme es auf die Entwertung eines Parkscheines nicht an und könnte diesbezüglich die Parkometerabgabe der Abgabengläubigerin nicht "verspätet zufließen"; würde aber die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Tat außerhalb des zeitlichen Geltungsbereiches einer solchen Vereinbarung liegen, so würde "diese Abgabe der Abgabengläubigerin nicht erst am 7.7.1993" zugeflossen sein, sondern überhaupt nicht. Letzteres ist aber zu verneinen.

Die im ParkometerG vorgesehenen Vereinbarungen haben einen Gegenstand der öffentlichen Verwaltung, nämlich der Entrichtung von Abgaben, zum Regelungsinhalt. In Abweichung von der auch in diesem Abgabengesetz grundsätzlich vorgesehenen obrigkeitlichen, d.h. einseitigen Normsetzungsbefugnis der Behörde bei der Durchsetzung des Abgabenanspruches der Gebietskörperschaft wird es hier im gewissen Umfang von der Willensübereinkunft zwischen Behörde und Abgabepflichtigen abhängig gemacht, ob bestimmte Modalitäten der Abgabenentrichtung zwischen den Vertragspartnern gelten sollen. Es liegt also eine Ermächtigung zum Abschluß eines sogenannten subordinationsrechtlichen öffentlich-rechtlichen Vertrages vor (vgl. nochmals das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 19. April 1982).

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist aber - im Einklang mit der Aktenlage (in einem Aktenvermerk über den "Verfahrensablauf" ist als Gültigkeitsdauer "1.7.1993 bis 30.6.1994" angegeben) - nicht strittig, daß diese Vereinbarung (rückwirkend) schon ab 1. Juli 1993 gelten soll. Auch die (rechtskräftige) Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 4 StVO 1960 hat eine (rückwirkende) Gültigkeitsdauer vom 1. Juli 1993 bis zum 30. Juni 1994 zum Inhalt. Im Hinblick auf die vom Gesetzgeber den Vertragspartnern eröffnete Möglichkeit zur autonomen Regelung bestimmter Modalitäten der Abgabenentrichtung bestehen auch keine Bedenken, daß "sich die abgeschlossene Vereinbarung an die ihr vom Gesetz gezogenen Grenzen hält" (vgl. VfSlg. 9226/1981). Die PauschalVO enthält wohl Regelungen welche Beträge für welche (Mindest-)Zeiträume "vorzuschreiben" sind, bestimmt aber nichts darüber, daß diese Zeiträume, für die die Vereinbarung gelten soll, nicht (auch) vor dem Abschluß des Vertrages liegen dürften. Da sich die Pauschalierungsvereinbarung an die ihr gezogenen Grenzen hält, entfaltet sie (auch hinsichtlich ihrer Rückwirkung) Bindungswirkung (vgl. auch dazu VfSlg. 9226/1981).

Da im Hinblick auf die (rückwirkende) Vereinbarung nach § 2 Abs. 2 ParkometerG die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Verkürzung der Parkometerabgabe nicht vorlag, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil gemäß § 49 Abs. 1 VwGG i.d.F. BGBl. I Nr. 88/1997 der verzeichnete Schriftsatzaufwand nur dann gebührt, wenn der Beschwerdeführer durch einen Rechtsanwalt vertreten war. Dies trifft auf den Rechtsanwalt, der in eigener Sache einschreitet, nicht zu (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1998, Zl. 97/17/0410).

Wien, am 16. November 1998

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