VwGH 94/15/0134

VwGH94/15/013411.9.1997

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Mizner, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des MK, vertreten durch Dr. Michl Münzker, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Landskrongasse 5, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VIII) vom 24. Juni 1994, Zl. 6/4-4012/94-03, betreffend Einkommensteuer 1991, zu Recht erkannt:

Normen

EStG 1972 §30;
EStG 1988 §30 Abs1 Z1;
EStG 1988 §30 Abs2 Z1;
SteuerreformG 1993 Art1 Z17;
EStG 1972 §30;
EStG 1988 §30 Abs1 Z1;
EStG 1988 §30 Abs2 Z1;
SteuerreformG 1993 Art1 Z17;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 12. November 1984 erwarb der Vater des Beschwerdeführers um einen Kaufpreis von S 800.000,-- die Liegenschaft EZ 2271 KG A, die mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Mit Notariatsakt vom 15. November 1984 schenkte er die Liegenschaft auf seinen Todesfall dem Beschwerdeführer und dessen Ehefrau; diese erklärten, die Schenkung anzunehmen, wobei der Schenker auf den Widerruf verzichtete. Zugunsten der Beschenkten wurde ein Veräußerungs- und Belastungsverbot im Grundbuch einverleibt. Mündlich räumte der Schenker dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau das Recht zur ausschließlichen Nutzung der Liegenschaft ein; diese begründeten dort nach Durchführung von Renovierungsarbeiten im Jahre 1985 ihren Hauptwohnsitz. Der Vater des Beschwerdeführers verstarb am 30. Dezember 1990. In der Folge wurde auf Grund der oben erwähnten Schenkung auf den Todesfall das Eigentum des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau an der Liegenschaft im Grundbuch einverleibt. Mit Kaufvertrag vom 16. Dezember 1991 wurde die Liegenschaft um einen Kaufpreis von S 3.300.000,-- veräußert.

Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer Einkommensteuer auf der Grundlage eines Spekulationsgewinnes von S 1.001.270, 88 (Anteil des Beschwerdeführers) vorgeschrieben. Unter Hinweis auf § 30 Abs.1 Z. 1 und Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die Veräußerung der Liegenschaft am 16. Dezember 1991 stelle ein der Spekulationsbesteuerung unterliegendes Rechtsgeschäft dar. Die Befreiung nach § 30 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 käme nur dann zum Tragen, wenn Rechtsvorgänger und Rechtsnachfolger das Eigenheim seit der Anschaffung gemeinsam als Hauptwohnsitz benützt hätten und die Zweijahresfrist abgelaufen sei, oder der Veräußerer seinen Hauptwohnsitz mit dem Erwerb in das betreffende Eigenheim verlegt und die Zweijahresfrist eingehalten habe. Beides sei hier nicht der Fall. Die Befreiung könne im Beschwerdefall somit nur dann zum Tragen kommen, wenn der Beschwerdeführer bereits im Jahre 1984 wirtschaftliches Eigentum erworben hätte;

dann wäre die Zweijahresfrist bis zur Veräußerung eingehalten. Andernfalls läge erst im Erwerb mit dem Todestag des Vaters des Beschwerdeführers (30. Dezember 1990) die Anschaffung;

diesfalls wäre die Veräußerung vor Ablauf der Zweijahresfrist erfolgt. Wirtschaftliches Eigentum des Beschwerdeführers ab dem Jahre 1984 sei aus im einzelnen dargelegten Gründen zu verneinen.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 30 Abs. 1 und 2 EStG 1988 in der für das Streitjahr anzuwendenden Fassung des Stammgesetzes, BGBl. 1988/400, lauten auszugsweise:

"Spekulationsgeschäfte

§ 30. (1) Spekulationsgeschäfte sind:

1. Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:

a) bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, nicht mehr als zehn Jahre ...

b) ...

Wurde das Wirtschaftsgut unentgeltlich erworben, so ist auf den Anschaffungszeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen.

2. ...

(2) von der Besteuerung ausgenommen sind die Einkünfte aus der Veräußerung von:

1. Eigenheimen oder Eigentumswohnungen samt Grund und Boden (§ 18 Abs. 1 Z. 3 lit. b), wenn sie dem Veräußerer seit der Anschaffung, mindestens aber seit zwei Jahren als Hauptwohnsitz gedient haben."

Der Beschwerdeführer macht den Befreiungstatbestand nach § 30 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 unter Berufung darauf geltend, er habe bereits im Jahr 1984 wirtschaftliches Eigentum an der Liegenschaft erworben. Die belangte Behörde verweigerte die Befreiung deshalb, weil - so die in der Gegenschrift zusammengefaßte Argumentation des angefochtenen Bescheides - die Zweijahresfrist in Fällen, bei denen Geschenkgeber und Geschenknehmer keinen gemeinsamen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im "Spekulationsobjekt" gehabt hätten, erst ab dem Zeitpunkt des unentgeltlichen Erwerbes (im vorliegenden Fall also ab dem Todestag des Vaters des Beschwerdeführers am 30. Dezember 1990) zu laufen beginne, zumal der Beschwerdeführer vorher wirtschaftliches Eigentum nicht erworben habe. Davon ausgehend wäre die Frist im Zeitpunkt der Veräußerung nicht abgelaufen gewesen.

Die belangte Behörde kann sich für ihre Auffassung auf Quantschnigg/Schuch (Einkommensteuer-Handbuch, § 30 Rz 24.8) berufen, die wörtlich die Darlegungen der Durchführungsrichtlinien zu den Spekulationseinkünften, AÖFV 162/1991, 3.10, wiedergeben.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt jedoch diese Auffassung für die hier in Rede stehende Rechtslage vor der Änderung von Art. 30 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 durch Art. I Z. 17 des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818, nicht; insbesondere kann der Gerichtshof dem Gesetz keinen Anhaltspunkt dafür entnehmen, daß der Eintritt der Befreiung nach der anzuwendenden Rechtslage von der Gemeinsamkeit der Wohnsitzführung von Schenker und auf den Todesfall Beschenkten abhinge.

Die Befreiung nach § 30 Abs. 2 Z. 1 setzt nach dem Wortlaut des Gesetzes voraus, daß das Eigenheim (die Eigentumswohnung) dem Veräußerer seit der Anschaffung, mindestens aber seit zwei Jahren, als Hauptwohnsitz gedient hat. Es ist nicht strittig, daß der Beschwerdeführer (der Veräußerer) in dem in Rede stehenden Eigenheim von 1985 an bis zur Veräußerung im Jahr 1991 (und somit länger als zwei Jahre) seinen Hauptwohnsitz hatte; maßgeblich ist somit, ob unter der "Anschaffung" im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 in der hier anzuwendenden Fassung der entgeltliche Erwerb der Liegenschaft durch den Vater des Beschwerdeführers im Jahr 1984 oder der unentgeltliche Erwerb von Todes wegen durch den Beschwerdeführer im Jahr 1990 zu verstehen ist.

Nach Lehre und Rechtsprechung sind unter dem im § 30 EStG 1972 gebrauchten Begriff "Anschaffung" nur der entgeltliche Erwerb, nicht aber der Erwerb etwa durch Schenkung, Erbschaft oder Vermächtnis zu verstehen (vgl. Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuer-Handbuch, § 30 Rz 9, und die dort zitierte Rechtsprechung). Diesen Begriff fand der Gesetzgeber des Einkommensteuergesetzes 1988 vor. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Begriff "Anschaffung" im § 30 EStG 1988 in einem anderen Sinn gebraucht würde. Auch für den Geltungsbereich des EStG 1988 ist somit davon auszugehen, daß unter "Anschaffung" der entgeltliche Erwerb zu verstehen ist (ebenso Doralt-Ruppe, Steuerrecht I5, 53 und Schuch/Quantschnigg, aaO § 30 Rz 6). Die (grundsätzliche) Einbeziehung unentgeltlich erworbener Wirtschaftsgüter in den Kreis des Spekulationstatbestandes im EStG 1988 erfolgte nicht durch eine Änderung im Bereich des Begriffes "Anschaffung", sondern durch die Vorschrift des § 30 Abs. 1 Z. 1 letzter Satz EStG 1988. Ebensowenig liegt ein Anhaltspunkt dafür vor, daß der Begriff "Anschaffung" in § 30 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 anders zu verstehen wäre als im Absatz 1 der zitierten Vorschrift.

Zu verweisen ist weiters auf § 30 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 idF Art. I Z. 17 des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818, wo der Anschaffung ausdrücklich der unentgeltliche Erwerb unter Lebenden gleichgestellt und Regelungen für den Fall des Erwerbes von Todes wegen getroffen werden. Diese Änderungen wären entbehrlich gewesen, würde der Begriff "Anschaffung" den unentgeltlichen Erwerb (unter Lebenden und von Todes wegen) umfassen.

Im hier vorliegenden Fall des Erwerbes von Todes wegen durch den Veräußerer ist der Begriff "Anschaffung" im § 30 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 somit als Anknüpfung an den entgeltlichen Erwerb des Vorgängers aufzufassen.

Die Voraussetzungen der Befreiung nach § 30 Abs. 2 Z. 1 EStG 1988 in der Stammfassung liegen somit vor, weil das Eigenheim dem Veräußerer, der es unentgeltlich von Todes wegen erworben hatte, nach dem entgeltlichen Erwerb durch den Vorgänger im Jahre 1984 mehr als zwei Jahre als Hauptwohnsitz diente.

Die in der gegenteiligen Auffassung der belangten Behörde gelegene Rechtswidrigkeit war im Rahmen des Beschwerdepunktes auch ohne ausdrückliche Geltendmachung in den Beschwerdegründen aufzugreifen. Auf die von der belangten Behörde und der Beschwerde in den Mittelpunkt gestellte Frage, ob der Beschwerdeführer bereits im Jahre 1984 wirtschaftliches Eigentum erworben hatte, kommt es nicht an.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und - im Rahmen des Ersatzantrages - auf der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das auf die Beilagengebühr für zwei weitere Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides entfallende Mehrbegehren war abzuweisen, weil der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

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