Normen
BAO §101 Abs3;
BAO §81 Abs1;
BAO §81 Abs2;
BAO §101 Abs3;
BAO §81 Abs1;
BAO §81 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein öffentlicher Notar, betrieb mit dem öffentlichen Notar Dr. E. in F eine Kanzleigemeinschaft. Am 24. November 1989 teilte der steuerliche Vertreter dem Finanzamt die Auflösung der Kanzleigemeinschaft zum 31. Oktober 1989 mit.
Am 22. März 1991 erließ das Finanzamt gegenüber der aus dem Beschwerdeführer und Dr. E. bestehenden Personengemeinschaft (Kanzleigemeinschaft) betreffend das Jahr 1989 den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer und die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO. Die Ausfertigung des Bescheides wurde vom Beschwerdeführer persönlich übernommen; in der Folge kam sie auch dem Dr. E. zu.
Mit Bescheid vom 12. Oktober 1992 stellte das Finanzamt - abweichend vom Bescheid vom 22. März 1991 - gegenüber dem Beschwerdeführer "als ehemaligen Gesellschafter der Kanzleigemeinschaft Dr. H/Dr. E" gemäß § 188 BAO die Einkünfte betreffend das Jahr 1989 fest.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertrat der Beschwerdeführer unter anderem die Auffassung, der neuerlichen Feststellung von Einkünften stehe im Hinblick auf den Bescheid vom 22. März 1991 das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Sie vertrat - unter Hinweis auf die noch näher darzulegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - die Auffassung, der Bescheid vom 22. März 1991 sei rechtlich nicht existent geworden, weil er nicht entsprechend § 101 Abs. 3 in Verbindung mit § 81 BAO einer für die Gemeinschaft vertretungsbefugten Person zugestellt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Feststellungsbescheid vom 22. März 1991 dem Rechtsbestand angehört und somit die (neuerliche) Erlassung eines Feststellungsbescheides im selben Gegenstand unzulässig war. Sachverhaltsbezogen besteht Übereinstimmung darüber, daß der Bescheid beiden Mitgliedern der Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit zugestellt wurde, wobei die Ausfertigung vom Beschwerdeführer persönlich übernommen wurde und in der Folge dem Dr. E. tatsächlich zukam (vgl. den - letzteren betreffend - § 7 ZustG).
Die belangte Behörde vertritt unter Berufung auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 1989, Zl. 88/15/0131, vom 4. April 1990, Zl. 89/13/0059, und vom 27. Juni 1991, Zl. 91/13/0002, die Auffassung, daß (ungeachtet einer den Vorschriften des Zustellgesetzes entsprechenden Zustellung des Bescheides an beide Mitglieder der Personengemeinschaft) der Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden sei, weil er keiner gemäß § 81 BAO von der Personengemeinschaft namhaft gemachten bzw. vom Finanzamt bestellten Person zugestellt worden sei.
Diese Auffassung kann nicht geteilt werden.
Die Vertretung von Personenvereinigungen ohne Rechtspersönlichkeit ist in § 81 BAO geregelt. Danach sind zur Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten einer Personengemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit die zur Führung der Geschäfte bestellten Personen und, wenn solche nicht vorhanden sind, die (d.h. sämtliche) Gesellschafter bzw. Mitglieder berufen (vgl. § 81 Abs. 1 BAO); gegebenenfalls - unter den Voraussetzungen des § 81 Abs. 2 leg. cit. - haben die nach Abs. 1 zur Vertretung Berufenen gegenüber der Abgabenbehörde eine Person aus ihrer Mitte oder einen gemeinsamen Bevollmächtigten als vertretungsbefugte Person namhaft zu machen. Im Beschwerdefall lag weder ein Fall des Abs. 2 vor noch waren - im Sinne des im § 81 Abs. 1 BAO bezogenen ersten Falles - bestimmte Mitglieder der Personengemeinschaft zur Führung der Geschäfte bestellt. "Vertreter" der Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit waren somit im Sinne des § 81 Abs. 1 BAO zweiter Fall der Beschwerdeführer und Dr. E. Ein Sachverhalt, der dem § 9 Abs. 1 ZustG zu unterstellen wäre, ist im Beschwerdefall nicht ersichtlich. Der Bescheid vom 22. März 1991 konnte somit mit der Wirkung seiner Erlassung an den Beschwerdeführer und Dr. E. zugestellt werden, weil es sich bei diesen Personen um sämtliche Gesellschafter (Mitglieder) der Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit im Sinne des § 81 Abs. 1 BAO zweiter Fall handelte.
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ergibt sich auch aus § 101 Abs. 3 BAO - und der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - nichts anderes. § 101 Abs. 3 BAO normiert nur eine Zustellfiktion, die der Vereinfachung der Zustellung an Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit dienen soll. Die Vorschrift zwingt die Behörde jedoch nicht, von der Fiktion Gebrauch zu machen; sie hindert insbesondere nicht eine anderweitig wirksame, etwa - wie dargelegt - in der Zustellung an sämtliche Mitglieder der Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit bestehende Zustellung von an die Personengemeinschaft gerichteten Bescheiden.
Auch der von der belangten Behörde zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann, wie die Beschwerde zutreffend aufzeigt, nichts Gegenteiliges entnommen werden: Die Erkenntnisse vom 20. März 1989, Zl. 88/15/0131, und vom 4. April 1990, Zl. 89/13/0059, betreffen Fälle, in denen der Feststellungsbescheid (lediglich) einem Mitglied einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit, das weder als Vertreter namhaft gemacht noch von der Abgabenbehörde als Vertreter bestellt worden war bzw. dessen steuerlichem Vertreter zugestellt worden war. Das Erkenntnis vom 27. Juni 1991, Zl. 91/13/0002, betrifft einen Fall, in dem einem Feststellungsbescheid, der einem im Sinne des § 81 Abs. 2 BAO bestellten Vertreter einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit zugestellt worden war, deshalb keine Wirkung zukam, weil eines der Mitglieder der Personengemeinschaft nicht voll handlungsfähig und kein Sachwalter bestellt war.
Die belangte Behörde hat daher mit ihrer Auffassung, der Bescheid vom 22. März 1991 gehöre nicht dem Rechtsbestand an, das Gesetz verkannt; sie hat infolge ihrer verfehlten Rechtsansicht nicht erkannt, daß der Erlassung eines neuerlichen Feststellungsbescheides betreffend die Einkünfte des Jahres 1989 die Rechtskraft des ersterwähnten Bescheides, der weder von der Oberbehörde behoben noch im Zuge eines Wiederaufnahmsverfahrens aufgehoben worden war, entgegenstand.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.
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