VwGH 94/14/0031

VwGH94/14/003125.1.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Doralt, über die Beschwerde des J P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 14. Oktober 1993, 682/2-2/T-1993, betreffend fahrlässige Abgabenverkürzung an Einkommensteuer zu Recht erkannt:

Normen

BAO §119;
FinStrG §34 Abs1;
FinStrG §8 Abs2;
BAO §119;
FinStrG §34 Abs1;
FinStrG §8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Rechtsanwalt, der seinen Gewinn gemäß § 4 Abs 3 EStG ermittelt, wies in den für die Jahre 1986 und 1987 erstellten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen die Einnahmen ohne Umsatzsteuer, die Ausgaben jedoch mit Vorsteuer aus, wobei der Vermerk "brutto" angebracht war. In den Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1986 und 1987 wies er die vereinnahmten Entgelte iSd § 4 Abs 1 UStG 1972, somit in gleicher Höhe wie die Einnahmen in den Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen, aus.

Das Finanzamt folgte den Erklärungen des Beschwerdeführers und erließ dementsprechende Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1986 und 1987.

Im Zug einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, der Beschwerdeführer habe die in den Jahren 1986 und 1987 erzielten Einnahmen ohne Umsatzsteuer, die Ausgaben jedoch mit Vorsteuer ausgewiesen, woraus Gewinnzurechnungen von rund 298.000 S und rund 340.000 S resultierten.

Das Finanzamt schloss sich den Ausführungen im gemäß § 151 Abs 3 BAO erstatteten Bericht an und erließ in wieder aufgenommenen Verfahren Bescheide betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1986 und 1987, wobei sich auf Grund der vom Beschwerdeführer unrichtig erstellten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen ein unbestrittenes Mehrergebnis an Einkommensteuer von 272.132 S ergab.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Bescheid erkannte die belangte Behörde den Beschwerdeführer nach § 34 Abs 1 FinStrG schuldig, er habe unter Verletzung seiner abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht fahrlässig von ihm in den Jahren 1986 und 1987 erzielte Einnahmen nicht erklärt und hiedurch eine Verkürzung an Einkommensteuer von insgesamt 272.132 S bewirkt. Die belangte Behörde verhängte eine Geldstrafe von 30.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage Arrest).

Die belangte Behörde ging von folgenden, in einem umfangreichen Verfahren ermittelten, unbestrittenen Sachverhalt und Ausführungen des Beschwerdeführers aus:

Der Beschwerdeführer, der sich eigenen Angaben zufolge in steuerlichen Angelegenheiten auskenne, weswegen er keines Steuerberaters bedürfe, sondern alle diesbezüglichen Arbeiten selbst mache oder von Kanzleikräften machen lasse, habe bis zum Jahr 1985 die Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen selbst erstellt, wobei ihm im Wesentlichen keine Fehler unterlaufen seien. In den Jahren 1986 und 1987 habe er die täglichen Einnahmen mit Umsatzsteuer, somit brutto, in ein Heft eingetragen. Aus diesen Aufzeichnungen habe er monatlich die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ermittelt. Zufolge Arbeitsüberlastung habe er in den Jahren 1986 und 1987 seiner Ehefrau die Erstellung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen auf Grundlage der von ihm aufgezeichneten Einnahmen übertragen. Trotz seiner diesbezüglichen Anweisung habe seine Ehefrau nur die Einnahmen ohne Umsatzsteuer addiert. Da seine Ehefrau bereits seit dem Jahr 1982 in der Kanzlei tätig sei, wobei ihr weder bei der Lohnverrechnung noch bei der Führung der Kassaagenden Fehler unterlaufen seien, haben er sich nicht veranlasst gesehen, die von ihr erstellten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen zu prüfen. Es habe im Verfahren nicht geklärt werden können, weswegen die Ehefrau des Beschwerdeführers die Einnahmen ohne Umsatzsteuer, die Ausgaben jedoch mit Vorsteuer addiert habe. Sowohl der Beschwerdeführer als auch seine Ehefrau seien davon ausgegangen, die ausgewiesenen Einnahmen enthielten die Umsatzsteuer, was sich daraus ergebe, dass zu Beginn der jeweiligen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung der Vermerk "brutto" angebracht sei. Dem Beschwerdeführer sei nicht aufgefallen, dass die in den Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen ausgewiesenen Einnahmen gleich hoch wie die in den Umsatzsteuererklärungen ausgewiesenen Entgelte seien, obwohl er sowohl die als Beilage zur jeweiligen Einkommensteuererklärung erstellte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und die jeweilige Umsatzsteuererklärung am selben Tag unterschrieben und dem Finanzamt überreicht habe. Der Beschwerdeführer habe zwar nicht in Abrede gestellt, dass er die von seiner Ehefrau erstellten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen nicht geprüft habe, jedoch stets bestritten, er habe die Absicht gehabt, Abgaben zu hinterziehen. Nach seiner Ansicht sei sein Verhalten bei der Erstellung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen eventuell als Verletzung der ihm obliegenden Offenlegungspflicht anzusehen, was aber nur als leichte Fahrlässigkeit gewertet werden könne. Überdies sei der Risikozusammenhang mit dem verpönten Erfolg unterbrochen, weil das Finanzamt bei Prüfung der von ihm überreichten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen und der Erklärungen hätte erkennen müssen, die Einnahmen seien unrichtig ausgewiesen. Dem Finanzamt sei daher grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen, was sein Verschulden ausschließe.

In rechtlicher Hinsicht ging die belangte Behörde von der unbestrittenen objektiven Unrichtigkeit der für die Jahre 1986 und 1987 erstellten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen aus. Zur Begründung des schuldhaften Verhaltens führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe die ihm als Rechtsanwalt - somit in steuerlichen Angelegenheiten Kundigen - zumutbare Sorgfalt bei der Erstellung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen insofern verletzt, als ihm trotz des zu Beginn der jeweiligen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung angebrachten Vermerkes "brutto" nicht aufgefallen sei, dass die ausgewiesenen Einnahmen auf keinen Fall richtig sein könnten. Hätte er die ihm zumutbare Sorgfalt aufgewendet, hätte er entdecken müssen, dass die tatsächlichen Einnahmen bedeutend höher als die ausgewiesenen sein müssten. Die Ausführungen über die Unterbrechung des Risikozusammenhanges gingen ins Leere, weil aus § 115 Abs 1 BAO nicht abgeleitet werden könne, jede objektive Unrichtigkeit einer Abgabenerklärung müsse einem Organwalter der Abgabenbehörde auffallen. Im Nichterkennen der objektiven Unrichtigkeit einer Abgabenerklärung sei überdies keine grobe Fahrlässigkeit eines Organwalters der Abgabenbehörde zu erblicken, was Voraussetzung für die Unterbrechung des Risikozusammenhanges wäre.

Über die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Was die Rüge des Beschwerdeführers betrifft, die belangte Behörde habe in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die für die Jahre 1987 und 1988 (statt richtig: 1986 und 1987) erstellten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen verwiesen, genügt es darauf hinzuweisen, dass es sich hiebei um einen offenkundigen und berichtigungsfähigen Schreibfehler handelt, was auch der Beschwerdeführer erkennt. Durch diesen Schreibfehler wird der Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt.

Der Beschwerdeführer behauptet, sein Verhalten könne höchstens als leichte unbewusste Fahrlässigkeit gewertet werden. Die belangte Behörde habe diesbezüglich jedoch keine Feststellungen getroffen.

Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Gemäß § 8 Abs 2 FinStrG handelt fahrlässig, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Sachverhalt verwirkliche, ihn aber nicht herbeiführen will. Bei einer unbewussten Fahrlässigkeit verkennt der Täter zufolge Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, dass er einen tatbildmäßigen Sachverhalt verwirklichen könne. Auf ein "Wissen" kommt es bei diesem Schuldvorwurf nicht an (vgl das hg Erkenntnis vom 27. Oktober 1997, 96/17/0456). Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe die ihm als Rechtsanwalt - somit in steuerlichen Angelegenheiten Kundigen - zumutbare Sorgfalt bei der Erstellung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen verletzt. Damit ist die belangte Behörde im Recht. Abgesehen davon, dass es der Beschwerdeführer unterlassen hat, die von seiner Ehefrau erstellten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen insbesondere dahingehend zu prüfen, ob sie seinen Anweisungen entsprochen hat, hätte ihm bei bloß flüchtiger Prüfung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen auffallen müssen, dass die Einnahmen ohne Umsatzsteuer ausgewiesen sind. In diesem Verhalten hat die belangte Behörde zu Recht ein unbewusst fahrlässiges Verhalten erblickt, was zu einer Verkürzung an Einkommensteuer geführt hat (vgl die hg Erkenntnisse vom 20. Jänner 1987, 86/14/0145, und vom 10. März 1994, 93/15/0180).

Wie bereits im Administrativverfahren vertritt der Beschwerdeführer die Ansicht, der Risikozusammenhang mit dem verpönten Erfolg sei unterbrochen. Er habe zwar objektiv unrichtige Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen überreicht. Das Finanzamt hätte jedoch bei Prüfung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen und der von ihm überreichten Erklärungen ohne langwieriges Beweis- und Ermittlungsverfahren erkennen müssen, die Einnahmen seien unrichtig ausgewiesen. Dem Finanzamt sei daher grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen, was sein Verschulden ausschließe.

Mit diesen Ausführungen rügt der Beschwerdeführer, (irgend)ein Organwalter der Abgabenbehörde habe es unter Verletzung der Bestimmungen des § 115 Abs 1 BAO unterlassen, die Plausibilität der von ihm überreichten Erklärungen zu prüfen. Damit zeigt der Beschwerdeführer ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zwar haben die Abgabenbehörden nach der eben erwähnten Bestimmung die abgabenpflichtigen Fälle zu erforschen und von Amts wegen die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu ermitteln, die für die Abgabepflicht und die Erhebung der Abgaben wesentlich sind. Dies entbindet jedoch den Abgabenpflichtigen nicht von der in § 119 BAO normierten Verpflichtung, die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht .... bedeutsamen Umstände nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offen zu legen, wobei diese Offenlegung vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen muss. Die Frage der Strafbarkeit bei Verletzung der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht hängt nicht davon ab, ob der Abgabepflichtige darauf vertrauen kann, die Abgabenbehörde werde seine Erledigungen prüfen und erforderlichenfalls richtig stellen, somit bei Prüfung die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Erklärung hätte erkennen können, sondern davon, ob der Abgabepflichtige seiner Offenlegungs- und Wahrheitspflicht nicht nachgekommen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 28. November 1984, 83/13/0177, Slg Nr 5938/F). Ein eventuelles Mitverschulden der Abgabenbehörde an der unrichtigen Festsetzung von Abgaben unterbricht somit den Risikozusammenhang mit dem verpönten Erfolg nicht. Es mag im Übrigen dahingestellt bleiben, ob einem Organwalter des Finanzamtes auch bei eingehender Prüfung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen im Zusammenhang mit den Umsatzsteuererklärungen aufgefallen wäre, entweder die Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen oder die Umsatzsteuererklärungen müssten unrichtig sein. Denn nach § 4 Abs 3 EStG 1972 idF BGBl Nr 531/1984 können ab dem Jahr 1985 nach Wahl des Steuerpflichtigen bei der Gewinnermittlung die für Lieferungen und sonstige Leistungen geschuldeten Umsatzsteuerbeträge und die abziehbaren Vorsteuerbeträge als durchlaufende Posten behandelt werden. Wird von dieser Bestimmung Gebrauch gemacht, sind sowohl die Einnahmen ohne Umsatzsteuer als auch die Ausgaben ohne Vorsteuer in den Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen auszuweisen. Daraus ergibt sich, dass bei Anwendung der eben erwähnten Bestimmung die in den Umsatzsteuererklärungen ausgewiesenen vereinnahmten Entgelte iSd § 4 Abs 1 UStG in gleicher Höhe wie die Einnahmen in der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ausgewiesen werden. Für die Inanspruchnahme der eben erwähnten Bestimmung bedarf es keiner besonderen Mitteilung an die Abgabenbehörde. Bei eingehender Prüfung der vom Beschwerdeführer für die Jahre 1986 und 1987 überreichten Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen hätte ein Organwalter des Finanzamtes ungeachtet des Vermerkes "brutto" daher auch davon ausgehen können, der Beschwerdeführer behandle die Umsatzsteuerbeträge und die abziehbaren Vorsteuerbeträge als durchlaufende Posten. Dazu kommt, dass in den Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen für die Jahre 1986 und 1987 weder Ausgaben für entrichtete Umsatzsteuerzahllasten noch Einnahmen für Umsatzsteuergutschriften aufscheinen, was ebenfalls dafür gesprochen hätte, der Beschwerdeführer habe die Umsatzsteuerbeträge und die abziehbaren Vorsteuerbeträge als durchlaufende Posten behandelt.

Die belangte Behörde ist daher nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie das Verhalten des Beschwerdeführers zumindest als unbewusst fahrlässig und den Risikozusammenhang mit dem verpönten Erfolg als gegeben angesehen hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994.

Wien, am 25. Jänner 2000

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