VwGH 94/11/0352

VwGH94/11/035217.1.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der G in V, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 29. September 1994, Zl. KUVS-704-706/5/94 und KUVS-707/5/94, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung von Berufungen in einem Verwaltungsstrafverfahren nach dem Arbeitszeitgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §13 Abs2;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §13 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben, als mit ihm die Wiedereinsetzungsanträge der Beschwerdeführerin abgewiesen werden; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.630,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnissen des Bürgermeisters der Stadt V vom

24. und vom 25. Februar 1994 wurde die Beschwerdeführerin in ihrer Eigenschaft als das zur Vertretung einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. nach außen berufene Organ (Geschäftsführerin) schuldig erkannt, es verwaltungsstrafrechtlich zu verantworten zu haben, daß in Ansehung von zwei Arbeitnehmern der Gesellschaft gegen Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes verstoßen wurde. Die beiden Straferkenntisse wurden der Beschwerdeführerin am 2. März 1994 zugestellt. Dagegen erhob sie am 17. März 1994 zur Post gegebene Berufungen. Über Vorhalt der Verspätung durch die belangte Behörde stellte die Beschwerdeführerin Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurden die Wiedereinsetzungsanträge abgewiesen und die Berufungen gegen die Straferkenntnisse als verspätet zurückgewiesen.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin hatte die Wiedereinsetzungsanträge damit begründet, daß die als ihre Postbevollmächtigte fungierende Angestellte der Gesellschaft, die die Straferkenntnisse am 2. März 1994 vom Postzusteller übernommen und diese Übernahme auf den Rückscheinen bestätigt hätte, "aus unerfindlichen Gründen" die von ihr übernommenen Bescheidausfertigungen mit auf den 3. März 1994 lautenden Eingangsstempeln versehen habe. Der Datumsstempel dürfte versehentlich um zwei Tage vorgerückt worden sein. Die mit der Einbringung von Berufungen beauftragte Vertreterin der Beschwerdeführerin - die nunmehrige Beschwerdevertreterin - hat im Vertrauen auf die Richtigkeit der Eingangsstempel die Berufungsfrist vom 3. März 1994 ausgehend berechnet.

Die belangte Behörde begründet die Abweisung der Wiedereinsetzungsanträge damit, daß die Vertreterin der Beschwerdeführerin ein - dieser zuzurechnendes - Verschulden an der Fristversäumung treffe, weil "sie es unterließ, den Zustelltag unter anderem durch Rückfrage ... zu eruieren". Der Verwaltungsgerichtshof kann dieser Begründung nicht folgen: Der Beschwerdevertreterin waren die Ausfertigungen der Straferkenntnisse mit dem Auftrag übermittelt worden, Berufungen zu erheben. Die Bescheidausfertigungen trugen mit Datum versehene Eingangsstempel, die die Information der Partei für ihren Rechtsanwalt über das Datum der Zustellung zum Zweck der Berechnung der Berufungsfrist darstellen. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um die Geschäftsführerin eines als Kapitalgesellschaft organisierten Unternehmens mit einem Bürobetrieb; es war davon auszugehen, daß die Zustellung der Straferkenntnisse - die an der Geschäftsadresse erfolgte - nicht durch Hinterlegung, sondern durch Aushändigung durch ein Zustellorgan der Post erfolgt ist. Es bestand daher für die Beschwerdevertreterin kein Anlaß, an der Richtigkeit dieser Angabe zu zweifeln. Wenn diese Angabe unrichtig war, so trifft die Beschwerdevertreterin jedenfalls kein grobes Verschulden an der Fristversäumung im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG, welches die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschlösse.

Der angefochtene Bescheid ist daher insoweit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben, als mit ihm die Wiedereinsetzungsanträge der Beschwerdeführerin abgewiesen wurden.

Hingegen ist die Beschwerde unbegründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Berufungen richtet. Die Berufungen sind verspätet erhoben worden. Dies hat so lange zu ihrer Zurückweisung zu führen, als nicht die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist bewilligt wurde. Zum Zeitpunkt der Zurückweisung der Berufungen war dies nicht der Fall. Die Beschwerde ist in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Eine künftige Bewilligung der Wiedereinsetzung würde gemäß § 72 Abs. 1 AVG das Außerkrafttreten des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Zurückweisung der Berufungen bewirken.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr.416/1994, im Rahmen des gestellten Begehrens. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil ein solcher nur für drei Beschwerdeausfertigungen zugesprochen werden konnte.

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