VwGH 94/11/0060

VwGH94/11/006030.1.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden des S, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich

1. vom 20. Jänner 1994, Zl. Senat-MI-92-074, 2. vom 17. Mai 1994, Zl. Senat-MI-93-432, 3. vom 17. Mai 1994, Zl. Senat-MI-93-431, 4. vom 20. Oktober 1994, Zl. Senat-MI-93-430, 5. vom 20. Oktober 1994, Zl. Senat-MI-93-468, 6. vom 21. Oktober 1994, Zl. Senat-MI-94-434, und 7. vom 20. Oktober 1994, Zl. Senat-MI-94-424, jeweils betreffend Übertretungen des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AÜG §1 Abs2 Z5;
AÜG §16 Abs3;
AÜG §16 Abs4;
AÜG §22 Abs1 Z1 litc;
GmbHG §115 Abs1;
GmbHG §115 Abs2;
AÜG §1 Abs2 Z5;
AÜG §16 Abs3;
AÜG §16 Abs4;
AÜG §22 Abs1 Z1 litc;
GmbHG §115 Abs1;
GmbHG §115 Abs2;

 

Spruch:

Der erst- und der fünftangefochtene Bescheid werden, soweit sie die Bestrafung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz zum Gegenstand haben, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes zur Gänze aufgehoben.

Der zweit-, dritt-, viert-, sechst- und siebtangefochtene Bescheid werden (die drei erstgenannten Bescheide soweit sie die Bestrafung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz zum Gegenstand haben) im Umfang der Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben; im übrigen werden diese Beschwerden als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 22.990,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden wurde der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH mit Sitz in Niederösterreich (mit dem erstbis fünftangefochtenen Bescheid unter anderem, mit dem sechst- und siebtangefochtenen Bescheid ausschließlich) wegen Übertretungen nach § 22 Abs. 1 Z. 1 lit. c iVm § 16 Abs. 3 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988, (AÜG) bestraft, weil er in nachstehend angeführten Fällen als Beschäftiger an einer grenzüberschreitenden Überlassung von Arbeitskräften eines ungarischen Unternehmens an ein österreichisches Unternehmen ohne die erforderliche Ausnahmebewilligung nach § 16 AÜG beteiligt gewesen sei, und zwar (in der Reihenfolge der angefochtenen Bescheide)

1. am 28. September 1991 in Wien III,

Landstraßer Hauptstraße 148A (5 ausländische Arbeitskräfte);

2. am 28. Oktober 1991 in Wien XI, Am Kanal 11

(2 ausländische Arbeitskräfte);

3. am 29. Oktober 1991 in Wien XXI, Gerasdorfer Straße/Ecke Wacholdergasse (5 ausländische Arbeitskräfte);

4. am 28. Oktober 1991 in Wien XI, Brambillagasse 11 (2 ausländische Arbeitskräfte);

5. am 29. Oktober 1992 in Wien XIX, Kösselgasse 17 (3 ausländische Arbeitskräfte);

6. am 30. Oktober 1991 in Wien XXI, Bruckhaufen-Hauptstraße/Ecke Wildgänsegasse (3 ausländische Arbeitskräfte);

7. am 30. Oktober 1991 in Wien XV, Märzstraße 82 (2 ausländische Arbeitskräfte).

Es wurde jeweils eine Geldstrafe verhängt, die von der Erstbehörde festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe herabgesetzt und dem Beschwerdeführer ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben.

Der Beschwerdeführer macht in seinen Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und jeweils eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

Über die Beschwerden gegen den erst- bis fünftangefochtenen Bescheid wurde, soweit sie Übertretungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes zum Gegenstand haben, bereits im dafür zuständigen Senat entschieden (Erkenntnisse vom 21. März 1995, Zl. 94/09/0039, vom 7. September 1995, Zl. 94/09/0164, vom 21. März 1995, Zl. 94/09/0163, vom 7. September 1995, Zl. 94/09/0346, und vom 24. Mai 1995, Zl. 94/09/0347). Diese Beschwerden sind daher nur hinsichtlich der Übertretungen nach dem AÜG Gegenstand der vorliegenden Entscheidung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und über sie in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 16 Abs. 3 AÜG ist die Überlassung von Arbeitskräften vom Ausland nach Österreich nur zulässig, wenn ausnahmsweise eine Bewilligung gemäß Abs. 4 erteilt wurde. Abs. 4 regelt, unter welchen Voraussetzungen eine solche Bewilligung erteilt werden kann.

Gemäß § 22 Abs. 1 Z. 1 lit. c AÜG begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis S 50.000,-- im Wiederholungsfall von S 20.000,-- bis S 100.000,-- zu bestrafen, wer als Überlasser oder Beschäftiger an einer unzulässigen grenzüberschreitenden Überlassung (§ 16) beteiligt ist.

1.1. In den Beschwerden wird geltend gemacht, da die M. GmbH, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer zu den Tatzeiten war, und die M. kft mit Sitz in Budapest einen Konzern bildeten, komme das Konzernprivileg des § 1 Abs. 2 Z. 5 AÜG zum Tragen. Es habe daher gar keiner Ausnahmebewilligung nach § 16 Abs. 4 AÜG bedurft.

Die belangte Behörde verneinte in den angefochtenen Bescheiden das behauptete Vorliegen eines Konzernverhältnisses. In der Gegenschrift (zur Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid) vertritt sie unter Berufung auf Geppert (AÜG, 1989, 29) überdies die Auffassung, das besagte Konzernprivileg gelte nicht für die grenzüberschreitende Arbeitskräfteüberlassung, der genannten Bestimmung liege vielmehr ein nationaler Konzernbegriff zugrunde.

1.2. In der Frage, ob die M. GmbH in einem Konzernverhältnis mit der M. kft, Budapest, gestanden ist, ist das jeweilige Beschwerdevorbringen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide darzutun.

Nach § 115 GmbHG liegt ein Konzern vor, wenn rechtlich selbständige Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken unter einer einheitlichen Leitung zusammengefaßt sind (Abs. 1) oder wenn ein rechtlich selbständiges Unternehmen aufgrund von Beteiligungen oder sonst unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluß eines anderen Unternehmens steht (Abs. 2). Es bedarf somit dreier Merkmale, um von einem Konzern iSd § 115 Abs. 1 GmbHG sprechen zu können: die einheitliche Leitung - rechtlich selbständiger Unternehmen - zu wirtschaftlichen Zwecken, bzw. - nach dem zweiten Absatz dieses Paragraphen - des beherrschenden Einflusses eines selbständigen Unternehmens auf ein anderes, wobei die Abhängigkeit durch Beteiligung, aber auch auf andere Weise, z.B. durch maßgebliche Finanzierung oder Personalunion in den Organen sowie durch Betriebsverpachtung, Betriebsüberlassungs-, Betriebsführungsvertrag oder Gewinn- und Verwaltungsgemeinschaften hergestellt sein kann (vgl. Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriß des österreichischen Gesellschaftsrechs5, 32).

Bei dem jeweiligen Beschwerdevorbringen, die M. GmbH sei zu 50 % an der M. kft beteiligt und der Geschäftsführer der M. GmbH (der Beschwerdeführer) sei zu den fraglichen Zeiten allein vertretungsbefugter Geschäftsführer der M. kft gewesen, handelt es sich um im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerungen. Die Behauptung, beide Umstände seien bereits im Verwaltungsverfahren dargelegt worden, trifft nicht zu. In den vom Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Bestätigungen seines Rechtsvertreters wurde lediglich behauptet, es bestehe ein Konzernverhältnis. Sachverhaltsangaben, die Grundlage für eine Überprüfung der Richtigkeit dieser Behauptung sein könnten, finden sich darin nicht. Bei seiner Vernehmung in den mündlichen Verhandlungen vor der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer jeweils vorgebracht, ER sei ("mit etwa 50 %") an der M. kft beteiligt und er habe sämtliche Verträge mit Herrn K als dem für die M. kft handelnden Organ abgeschlossen. Im Hinblick darauf kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie das behauptete Konzernverhältnis mit der (unbestritten gebliebenen) Begründung verneint hat, der Beschwerdeführer selbst habe keine einheitliche Leitung behauptet, zumal ihm offenbar keine Organstellung, sondern nur eine kapitalmäßige Beteiligung zugekommen sei, und es erscheine der belangten Behörde die - allenfalls - hinter der gewählten Konstruktion stehende Absicht, auf diese Weise ausländische Arbeitskräfte ohne die sonst erforderliche Ausnahmebewilligung nach dem AuslBG und dem AÜG beschäftigen zu können, für die Annahme einer "Vereinigung zu wirtschaftlichen Zwecken" als zu dürftig (siehe den zweitangefochtenen Bescheid, S. 12).

Ebensowenig wurde durch das geschilderte Vorbringen ein beherrschender Einfluß der M. GmbH auf die M. kft konkret dargetan, sodaß auch nicht von einem "Unterordnungskonzern" iSd § 115 Abs. 2 GmbHG ausgegangen werden kann.

1.3. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Erörterung der zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittigen Frage, ob dem § 1 Abs. 2 Z. 5 AÜG ein nationaler oder ein internationaler Konzernbegriff zu Grunde liegt.

2. Soweit die (auch insoweit inhaltlich übereinstimmenden) Beschwerden die Annahme der belangten Behörde bekämpfen, zwischen der M. GmbH und der M. kft habe auch kein Werkvertrag bestanden, genügt es, gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die diesbezüglichen Ausführungen in den oben genannten, den Beschwerdeführer betreffenden Erkenntnissen hinzuweisen.

3. In Ansehung der Strafbemessung enthalten lediglich die Beschwerden gegen den erst- bis drittangefochtenen Bescheid Ausführungen. Auch diese Ausführungen differenzieren nicht zwischen den Strafen nach dem AuslBG und dem AÜG und begnügen sich im übrigen mit der pauschalen Rüge, es hätte jeweils die Verhängung der Mindeststrafe genügt. Nicht bestritten wird insbesondere die der Anwendung des zweiten Strafrahmens zugrundeliegende Annahme, es liege in Ansehung des Beschwerdeführers bereits eine rechtskräftige Vormerkung nach dem AÜG vor, weshalb davon auszugehen ist, daß jeweils nur eine Geldstrafe in Höhe der vorgesehenen Mindeststrafe verhängt wurde. Im Hinblick darauf sind die zur Strafbemessung nach dem AuslBG aufgezeigten Begründungsmängel in Ansehung der nach dem AÜG verhängten Strafen ohne Belang.

4. Aus den bereits in den oben genannten Erkenntnissen angeführten Gründen (widersprüchliche Angaben über die Tatzeit im Bescheidspruch; Verstoß gegen § 65 VStG infolge Nichtbeachtung des Umstandes, daß den Berufungen in Ansehung der Ersatzfreiheitsstrafen Folge gegeben wurde) waren der erst- und der fünftangefochtene Bescheid zur Gänze, die übrigen Bescheide im Umfang der Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Berufungsverfahrens jeweils gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Im übrigen waren die letztgenannten Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

5. Der Kostenzuspruch stützt sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Er betrifft lediglich die Beschwerden gegen den sechst- und den siebtangefochtenen Bescheid; in Ansehung der übrigen Beschwerden erging ein Kostenzuspruch bereits in den oben genannten Erkenntnissen.

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