VwGH 94/10/0190

VwGH94/10/019011.5.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde der A in 4020 Linz, vertreten durch Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 31. Oktober 1994, Zl. M-102993/1994-Kra, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §59 Abs1;
NatSchG OÖ 1982 §10 Abs1;
NatSchG OÖ 1982 §10 Abs2;
NatSchG OÖ 1982 §4;
VVG §1 Abs1;
VwRallg;
AVG §59 Abs1;
NatSchG OÖ 1982 §10 Abs1;
NatSchG OÖ 1982 §10 Abs2;
NatSchG OÖ 1982 §4;
VVG §1 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. August 1993 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (BH) der Beschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 und § 10 des Oberösterreichischen Naturschutzgesetzes 1982 (OöNSchG 1982) die naturschutzbehördliche Bewilligung zur Errichtung eines landwirtschaftlichen Gebäudes auf dem Grundstück Nr. 3213, KG N., unter Vorschreibung folgender Auflage:

"Das Gebäudedach ist mit einer anthrazitgrauen, kleinschuppigen Eindeckung auszuführen."

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, wobei sie beantragte, die Bescheidauflage ersatzlos zu streichen.

Die belangte Behörde holte im Rahmen eines ergänzenden Ermittlungsverfahrens das Gutachten der Amtssachverständigen für Natur- und Landschaftsschutz (vom 3. Jänner 1994) ein.

Darin heißt es wörtlich:

"Bei dem gegenständlichen Bauvorhaben handelt es sich um den Neubau eines landwirtschaftlichen Anwesens auf Parzelle 3213 in der KG. N., südöstlich der B 1. Das großräumige Landschaftsbild wird wie schon im Befund der Verhandlungsschrift vom 10.8.1993 sehr ausführlich angeführt, einerseits geprägt von der ca. 120 m nordwestlich vorbeiführenden B 1 u. den Betriebsgebäuden im Norden u. Nordosten, andererseits von der Steilböschung mit natürlichem Bewuchs nordwestlich des Gebäudes, den weiten ebenen landwirtschaftlich genutzten Flächen, den Schotterkegeln der Hochspannungsleitungsmaste, die mit Büschen u. Laubbäumen bewachsen sind u. einzelnen Gebäuden im Westen u. Südwesten sowie dem Siedlungsbereich von R. im Südosten.

Das Gebäude selbst weist ein Ausmaß von 10,0 m x 21,2 m auf, ist teilweise in Massiv- u. teilweise in Holzbauweise errichtet u. hat eine Firsthöhe von 10,25 m über dem bestehenden u. von ca. 8 m über dem aufgeschütteten Gelände.

Aufgrund seiner Lage, Proportionen u. Fassadengestaltung weist das Gebäude den Charakter eines landwirtschaftlich genutzten Gebäudes auf u. wird daher von einem Betrachter den südöstlich anschließenden landwirtschaftlich genutzten Flächen

u. nicht den Betriebsbauten im Anschluß an die B 1 zugeordnet.

Das unter 30 Grad geneigte Dach wurde, entgegen der Auflage im Bescheid vom 12.8.1993, mit ockerfarbener Alpendachsteineindeckung versehen u. stellt einen weithin sichtbaren, ungewohnten u. hellen Farbfleck im Landschaftsbild dar. Es existiert dieser Farbton zwar auch in der umliegenden Natur, doch tritt er dort nie so gleichförmig u. großflächig auf, sondern vielmehr kleinteilig, strukturiert, lebendig u. bewegt (siehe Blätter), sodaß sich keine so grelle, uniforme Fläche wie beim Dach (200 m2) ergibt. Die Störwirkung der Farbe wird also insbesonders durch die großflächige unstrukturierte Verwendung hervorgerufen. Es muß auch darauf hingewiesen werden, daß die Dachfläche nicht nur von der Bundesstraße aus weit einsehbar ist u. aufgrund der Farbgebung heraussticht, sondern auch im Grünbereich infolge der Helligkeit dominant aus der Landschaft herausleuchtet.

Ockergelbe Fassadenelemente bei einem Industriebau haben optisch sicher eine andere Wirkung u. können mit der Dachfläche eines landwirtschaftlich genutzten Gebäudes bzgl. der Wirkung auf das Landschaftsbild nicht gleichgesetzt werden.

...

Zusammenfassend muß festgestellt werden, daß das Dach mit der dzt. Farbgebung ein sehr grelles unruhiges Element aus jedem Blickwinkel darstellt u. somit auch als negativer Eingriff in das Landschaftbild zu bewerten ist. Es muß daher die "Beruhigung" des Daches durch Deckung mit kleinteiligem grauen Material gefordert werden ..."

Die Beschwerdeführerin erhielt vom Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs Kenntnis und erstattete dazu eine Stellungnahme des Dipl. Ing. Wolfgang P. Dieser vertrat unter anderem die Auffassung, daß das Grundstück der Beschwerdeführerin zwischen dem Siedlungsgebiet im Süden und dem Betriebsbaugebiet im Norden liege. Es sei sowohl Teil des einen wie auch des anderen Bereiches.

Die Amtssachverständige widersprach dem in einer ergänzenden Stellungnahme (vom 30. Mai 1994). Ihrer Ansicht nach handle es sich bei dem landwirtschaftlichen Gebäude der Beschwerdeführerin um ein Einzelobjekt in einem landwirtschaftlich genutzten Grünbereich. Die nördlich und nordöstlich gelegenen Betriebsflächen befänden sich etwa 250 m entfernt; die Siedlungsbereiche im Westen ca. 300 m, im Südwesten ca. 400 m und im Südosten mehr als 500 m. Zusätzlich sei festzuhalten, daß sich die genannten Nutzungsbereiche auf unterschiedlichen Geländehöhen befänden. Aufgrund dieser räumlichen Situation sei klar ersichtlich, daß sich das Anwesen ganz offensichtlich in einer beachtlichen Entfernung von mindestens einem viertel Kilometer zu den nächstliegenden Gebäuden befände. Von der nördlich gelegenen Bundesstraße sei von dem Gebäude fast nur das Dach sichtbar, da sich das Gebäude auf tieferem Geländeniveau befände. Dadurch sei eine klare Abgrenzung von den nördlich gelegenen Betriebsgebäuden gegeben; das Gebäude werde als landwirtschaftlich genutzte Fläche empfunden. Die gelbe Dachfläche steche gewissermaßen isoliert aus dem grünen Umfeld heraus und erscheine dadurch umso fremdartiger und störender. Für das isoliert stehende Gebäude bedeute diese auffällige Farbgebung der Dachdeckung ein starkes Herausheben nicht nur aus der unmittelbaren Umgebung, sondern auch aus den umliegenden Siedlungsbereichen mit vergleichbaren Dachformen. Aus diesem Grund stelle das Dach in seiner derzeitigen Farbgebung einen Störfaktor im Landschaftsbild dar.

Die Beschwerdeführerin erstattete auch dazu eine Stellungnahme, in der sie im wesentlichen den Ausführungen der Amtssachverständigen widersprach.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid der BH bestätigt. Nach zusammenfassender Wiedergabe des bisherigen Verfahrensgeschehens und der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen vertrat die belangte Behörde im wesentlichen unter Berufung auf Befund und Gutachten der Amtssachverständigen die Auffassung, daß das beantragte Vorhaben der Beschwerdeführerin einen maßgeblichen Eingriff in das Landschaftsbild darstelle. Das Vorhaben in der beantragten Form stünde im krassen Gegensatz zu den Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes. Aufgrund der maßgeblichen Eingriffswirkungen in das Landschaftsbild müsse davon ausgegangen werden, daß das alleinige private Interesse der Beschwerdeführerin an der Verwirklichung des Vorhabens das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz nicht zu überwiegen vermöge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 4 Abs. 1 Z. 1 OöNSchG 1982 bedürfen Bauvorhaben im Sinne des § 41 Abs. 1 lit. a bis d der Oberösterreichischen Bauordnung, LGBl. Nr. 35/1976, unbeschadet nach anderen Gesetzen erforderlicher behördlicher Genehmigungen, einer Bewilligung der Naturschutzbehörde, es sei denn, daß sie in einer geschlossenen Ortschaft oder in einem Gebiet ausgeführt werden sollen, für das ein rechtswirksamer Bebauungsplan (§ 19 Oberösterreichisches Raumordnungsgesetz) vorhanden ist.

Eine Bewilligung gemäß § 4 ist nach § 10 Abs. 1 OöNSchG 1982 zu erteilen,

a) wenn das Vorhaben, für das die Bewilligung beantragt wurde, weder den Naturhaushalt oder die Grundlagen von Lebensgemeinschaften von Pflanzen- und Tierarten in einer Weise schädigt, noch den Erholungswert der Landschaft in einer Weise beeinträchtigt, noch das Landschaftsbild in einer Weise stört, die dem öffentlichen Interesse am Natur- und Landschaftsschutz zuwiderläuft oder

b) wenn öffentliche oder private Interessen am beantragten Vorhaben das öffentliche Interesse am Natur- und Landschaftsschutz überwiegen.

Gemäß § 10 Abs. 2 OöNSchG 1982 ist eine Bewilligung unter Bedingungen, befristet oder mit Auflagen zu erteilen, soweit dies erforderlich ist, um Schädigungen, Beeinträchtigungen bzw. Störungen der im Abs. 1 lit. a erwähnten Art auszuschließen oder auf ein möglichst geringes Ausmaß zu beschränken.

1. Die Beschwerdeführerin bestreitet zunächst die Kompetenz der Naturschutzbehörde. Begründet wird dies im wesentlichen damit, sie habe sich mit Schreiben vom 21. März 1993 an die BH mit der Bitte gewandt, rechtliche Schritte im Hinblick auf Verlegungs- und Erneuerungsarbeiten der ÖBB auf der Liegenschaft EZ 1348 einzuleiten. Gleichzeitig habe sie auf das von ihr geplante Bauvorhaben hingewiesen. Die BH habe ihr daraufhin mit Schreiben vom 4. Mai 1993 mitgeteilt, daß eine Kompetenz der BH in diesem Zusammenhang nicht gegeben sei. Aus diesem Schreiben habe sie den Schluß gezogen, daß die naturschutzbehördliche Kompetenz im gegenständlichen Fall nicht gegeben sei und habe daher die Baumaßnahmen fortgesetzt, ohne um eine naturschutzbehördliche Bewilligung anzusuchen.

Dieses Vorbringen ist aus folgenden Erwägungen nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen:

Mit dem genannten Schreiben vom 4. Mai 1993 hat die BH der Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß die ÖBB die 110 KV-Leitung "Asten-Attnang" lediglich erneuere, wobei die Trassenführung nicht geändert werde. Dabei komme es aufgrund einer Forderung des Naturschutzbeauftragten zu einer Absenkung der Maste, um die ungünstige Beeinflussung des Landschaftsbildes auszuschalten. Eine gesonderte Bewilligung nach dem OöNSchG 1982 sei dafür nicht erforderlich.

Weshalb die Beschwerdeführerin aus diesem Schreiben den Schluß gezogen hat, daß auch für ihr Bauvorhaben eine naturschutzrechtliche Bewilligung nicht erforderlich sei, kann nicht nachvollzogen werden.

2. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, der Spruch der belangten Behörde sei zu unbestimmt, da eine Farbe "anthrazitgrau" in der Farbskala nicht existiere; es gebe lediglich die Farbe "anthrazit" bzw. "anthrazitfarben", genügt der Hinweis, daß nach Brockhaus Wahrig, Deutsches Wörterbuch (1980), unter "anthrazitgrau" die Farbe schwarzgrau zu verstehen ist. Es widerspricht auch nicht dem Gesetz, wie die Beschwerdeführerin behauptet, eine bestimmte farbliche Ausführung eines Daches vorzuschreiben ohne gleichzeitig eine Farbalternative zuzulassen.

3. Der Beschwerdeführerin kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie der belangten Behörde vorwirft, diese habe bei ihrer Entscheidung die konkreten örtlichen Verhältnisse außer Ansatz gelassen.

Voraussetzung für eine Entscheidung nach den §§ 4 und 10 Abs. 1 OöNSchG 1982 ist eine durch das Ermittlungsverfahren gedeckte ausreichende Beschreibung des im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorhandenen Landschaftsbildes und der Wirkung des Vorhabens auf dieses Landschaftsbild, die eine Beurteilung der zu lösenden Rechtsfrage ermöglicht. Dazu hat der Sachverständige in einem ausreichenden Befund zunächst jenes Landschaftsbild zu beschreiben, in welches ein beabsichtigtes Bauvorhaben eingreift, um sodann unter Beschreibung des Bauvorhabens darzutun, auf welche Art und Weise sich das Bauvorhaben im Sinne der genannten Gesetzesstellen in dem gegebenen Landschaftsbild auswirken wird (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 10. Oktober 1988, Zl. 87/10/0062).

Diesen Anforderungen entspricht das oben wiedergegebene Sachverständigengutachten, weshalb für die belangte Behörde keine Veranlassung zur (weiteren) Beweisaufnahme durch Ortsaugenschein und Beiziehung "geeigneter Sachverständiger" bestand.

4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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