VwGH 94/08/0119

VwGH94/08/011929.3.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde des P in U, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 25. März 1994, Zl. VII/1-F-27.074/26-94, betreffend Kostenbeitrag gemäß §§ 15 und 42 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

SHG NÖ 1974 §15 Abs5;
SHG NÖ 1974 §15 Abs5;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Vater eines im Jahre 1971 geborenen behinderten Sohnes, dem mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 14. November 1988 gemäß § 18 des Niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes (NÖ SHG) Hilfe zur Erziehung und Schulbildung gewährt wurde.

Mit Bescheid vom 8. Oktober 1993 verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft Wien-Umgebung den Beschwerdeführer, gemäß §§ 15 und 42 NÖ SHG auf Grund seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht für seinen Sohn zu den Kosten der Sozialhilfe ab September 1992 einen Kostenbeitrag von S 2.570,-- zu leisten. Die Wochenenden seien dabei berücksichtigt worden.

Nach der Begründung habe die NÖ Landesregierung dem Sohn des Beschwerdeführers Hilfe für behinderte Menschen gewährt und trage die Kosten der Unterbringung in einer Wohngemeinschaft des Österreichischen Hilfswerkes für Taubblinde und hochgradig Hör- und Sehbehinderte (ÖHTB) in Wien. Da sein Sohn volljährig sei, habe der Beschwerdeführer im Rahmen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht einen Kostenbeitrag im Ausmaß der erhöhten Familienbeihilfe zu leisten. Bei Unterbringung behinderter Menschen in Einrichtungen außerhalb Niederösterreichs orientiere sich das Amt der NÖ Landesregierung hinsichtlich der Zahlung von Pflegegebühren, sofern kein eigener Vertrag zwischen dem Land Niederösterreich und der Einrichtung bestehe, an den Vereinbarungen des jeweiligen Landes mit der Einrichtung. Im Beschwerdefall seien der Einrichtung gegenüber die Tagessätze in der Höhe anerkannt worden, wie sie vom Magistrat der Stadt Wien bezahlt würden. Im Übereinkommen der Stadt Wien mit dem ÖHTB vom 22. Jänner 1993 sei unter Punkt III Abs. 8 geregelt, dass Einnahmen (Erlöse, Erträge, desgleichen Beträge, die von den behinderten Menschen bzw. von deren Unterhaltspflichtigen geleistet würden), mit Ausnahme von Spenden und ähnlichen Zuwendungen, von den Ausgaben in Abzug zu bringen seien. Die Einhebung eines Beitrages durch die Einrichtung stehe daher im Widerspruch zum zitierten Übereinkommen, sofern es sich nicht um eine Spende oder ähnliche freiwillige Zuwendung handle.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin brachte er im Wesentlichen vor, es sei richtig, dass die finanzielle Hauptlast der Unterbringung seines Sohnes das Land Niederösterreich trage. Richtig sei aber auch, dass die Eltern seit Beginn der Unterbringung an das ÖHTB erhebliche Beiträge leisten müssten. Derzeit werde ein Haushaltsbeitrag von monatlich S 3.450,-- vorgeschrieben, da der vom Land Wien bewilligte und vom Land Niederösterreich übernommene und tatsächlich vergütete Tagessatz nicht alle notwendigen Kosten abdecke. Darüber hinaus müssten die Eltern noch für die Kosten für Bekleidung sowie für alle notwendigen Zusatzleistungen, wie etwa Zuschüsse für die Krankenkasse, aufkommen. Überdurchschnittlich hohe Kosten fielen auch für Sehbehelfe sowie für notwendige Erholungs- und Urlaubsaktionen auf. Da das Land Wien bei Einrichtungen, die Förderbeiträge zur Abdeckung von zusätzlichen Leistungen einheben würden, auf die Vorschreibung der gesetzlichen Unterhaltspflicht verzichte, werde ersucht, vom Land Niederösterreich nicht schlechter gestellt zu werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde nach einer Darstellung des Verfahrensganges und der Wiedergabe der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen aus, auf Grund des Übereinkommens der Stadt Wien mit dem ÖHTB (Punkt III Absatz 8) wäre dieses verpflichtet, Einnahmen von den Ausgaben in Abzug zu bringen. Ein Abzug in der Höhe der vom Beschwerdeführer geleisteten Zahlungen sei allerdings nicht erfolgt. Es sei daher davon auszugehen, dass die vom Beschwerdeführer geleisteten Zahlungen als freiwillige Leistungen betrachtet worden seien. Auch die sonst in der Berufung angeführten Sonderbelastungen könnten nicht zu einer Herabsetzung oder einem Entfall des Kostenbeitrages führen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 15 Abs. 5 NÖ SHG sind "bei internen Unterbringungen ... jedenfalls Kostenbeiträge in der Höhe der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages ... zu leisten. Bei internen Unterbringungen volljähriger behinderter Menschen sind darüber hinaus keine Kostenbeiträge zu erbringen".

Nach § 15 Abs. 6 NÖ SHG ist von der Verpflichtung zum Kostenbeitrag "ganz oder zum Teil abzusehen, wenn durch den Kostenbeitrag die Inanspruchnahme der Hilfe aus sozialen Gründen erschwert oder der Erfolg der Hilfe gefährdet würde".

Gemäß § 42 Abs. 1 NÖ SHG haben Personen, die gesetzlich oder vertraglich zum Unterhalt des Hilfeempfängers verpflichtet sind, "im Rahmen ihrer Unterhaltspflicht Kostenersatz zu leisten".

Der volljährige Sohn des Beschwerdeführers ist intern in einer Einrichtung des ÖHTB untergebracht.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 23. September 1996, B 3419/95, ausgesprochen, dass unter einer internen Unterbringung im Sinne des § 15 Abs. 5 NÖ SHG nur eine solche zu verstehen sei, die den Lebensunterhalt vollends sichert. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 24. Juni 1997, Zl. 95/08/0128, dem angeschlossen.

Der Beschwerdeführer hat in diesem Zusammenhang bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht, unter anderem Aufwendungen für die Bekleidung seines Sohnes tragen zu müssen. Die belangte Behörde hat zu diesem wesentlichen Punkt des Verfahrens nach dem Akteninhalt keine Ermittlungen gepflogen und in ihrer Entscheidung auch keine Feststellungen getroffen. Der Sachverhalt bedarf daher in einem wesentlichen Punkt der Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

Sollte sich im fortgesetzten Verfahren herausstellen, dass der Lebensunterhalt des Sohnes des Beschwerdeführers durch die gewährte Hilfe im Sinne des Verfassungsgerichtshofes "vollends gesichert" war, so ist der (verfassungskonform interpretierte) Tatbestand des § 15 Abs. 5 NÖ SHG erfüllt. In diesem Fall wird sich die belangte Behörde nur noch mit der Frage auseinander zu setzen haben, ob durch die (dann: nachträgliche) Einhebung des (vollen) Kostenbeitrages im Sinne des § 15 Abs. 6 NÖ SHG die Inanspruchnahme der Hilfe aus sozialen Gründen erschwert oder der Erfolg der Hilfe gefährdet würde.

Sollten die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 NÖ SHG hingegen nicht erfüllt sein, so wird die belangte Behörde dann zu beurteilen haben, ob eine Ersatzpflicht nach § 42 Abs. 1 NÖ SHG in Betracht kommt. Nur in dem Umfang, in dem dies zu bejahen wäre, und (fallbezogen) im Rahmen des § 66 Abs. 4 AVG, könnte auch die Pflicht zur Leistung eines Kostenbeitrages bestehen (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis vom 24. Juni 1997).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. März 2000

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