VwGH 94/06/0238

VwGH94/06/023815.12.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde der S in M, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 9. September 1994, Zl. Ve1-550-2230/1-2, betreffend Erteilung einer Baubewilligung, (mitbeteiligte Parteien: 1. RH 2. FH, beide in M und 3. Marktgemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister) zu Recht erkannt:

Normen

ABGB §1319a;
ABGB §473;
ABGB §492;
ABGB §493;
AVG §8;
BauO Tir 1989 §27;
BauO Tir 1989 §30 Abs1;
BauO Tir 1989 §30 Abs3;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §31;
BauO Tir 1989 §4 Abs1;
BauRallg;
B-VG Art94;
VwGG §34 Abs1;
ABGB §1319a;
ABGB §473;
ABGB §492;
ABGB §493;
AVG §8;
BauO Tir 1989 §27;
BauO Tir 1989 §30 Abs1;
BauO Tir 1989 §30 Abs3;
BauO Tir 1989 §30 Abs4;
BauO Tir 1989 §31;
BauO Tir 1989 §4 Abs1;
BauRallg;
B-VG Art94;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde, dem mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheid und dem ebenfalls vorgelegten Realteilungsvertrag vom 18. Juni 1959 ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Die Erstmitbeteiligte und der Zweitmitbeteiligte (Bauwerber) haben bei der drittmitbeteiligten Marktgemeinde um die Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau einer Wohnanlage auf Gp. 946/7 der KG M angesucht. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin jenes Grundstückes (Gp 946/9), über welches die Zufahrt zu der Wohnanlage erfolgen soll. Für den Eigentümer des Grundstückes der Bauwerber, Gp. 946/7, besteht (wie auch für die Eigentümer einiger anderer Grundstücke) aufgrund Punkt IV des Realteilungsvertrages vom 18. Juni 1959 die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über das Grundstück der Beschwerdeführerin.

Aufgrund des Antrages der Bauwerber wurde entgegen bereits in erster Instanz vorgetragenen Einwendungen der Beschwerdeführerin vom Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde als Baubehörde erster Instanz die Baubewilligung erteilt. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung gegen diesen Bescheid; die Berufung wurde vom Gemeindevorstand abgewiesen. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit welchem die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet abwies. Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, daß die Einwendung betreffend die Sicherstellung der Zufahrt zur Bauparzelle der Beschwerdeführerin und insbesondere das Vorbringen, daß der genannte Realteilungsvertrag verletzt würde, als privatrechtliche Einwendung zu qualifizieren sei und daher nicht zur Versagung der Baubewilligung führen könnte. Daß es sich um eine privatrechtliche Einwendung handle, sei im vorliegenden Fall auch daraus abzuleiten, daß sich die Beschwerdeführerin (gemeinsam mit einer weiteren Vorstellungswerberin) auf den zu einer näher genannten Zahl behängenden Rechtsstreit beim Bezirksgericht Y zwischen den Eigentümern des Weges und den Bauwerbern berufe.

Hinsichtlich des Einwandes, die Zufahrt würde zu schmal werden, verweist die belangte Behörde auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach hinsichtlich der Vorschriften der Bauordnung über das Erfordernis einer entsprechenden Zufahrt festgestellt worden sei, daß "diesbezüglich keine Nachbarinteressen beeinträchtigt werden". Soweit die Beschwerdeführerin (wiederum gemeinsam mit einer weiteren Vorstellungswerberin) geltend mache, daß die Anrainer ein subjektiv-öffentliches Interesse an der Benützung des Weges durch Einsatzfahrzeuge hätten, sei darauf hinzuweisen, daß nichts hervorgekommen sei, "wonach das geplante und bewilligte Gebäude auf dem Grundstück nicht so angeordnet sei, daß es sicher zugänglich sei und die erforderliche Bewegung und Sicherheit für den Einsatz von Feuerlösch- und Rettungsgeräten nicht gewährleistet" sei. Von der Tiroler Landesstelle für Brandverhütung sei im Rahmen einer Stellungnahme bei plan- und bescheidgemäßer Ausführung des Projektes kein Einwand erhoben worden.

Hinsichtlich des Vorbringens, daß § 4 Tiroler Bauordnung nicht eingehalten werde, wurde ausgeführt, daß es sich bei § 4 Abs. 1 Tiroler Bauordnung um eine Bestimmung handle, die nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht dem Schutz der Nachbarn dient.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde erblickt eine Rechtsverletzung zunächst darin, daß der Dienstbarkeitsweg auf Grundparzelle 946/9 eine Breite von ca. 3 Metern habe und durch das Bauvorhaben für 14 Wohneinheiten mit einem erheblichen Verkehr belastet würde und eine ordnungsgemäße Zufahrt für die übrigen Dienstbarkeitsberechtigten nicht mehr möglich sein werde. In der Beschwerde wird auch auf die Schwierigkeit des Zufahrens mit LKWs zum Bauplatz und mit Einsatzfahrzeugen im Brandfalle oder Katastrophenfalle hingewiesen.

Mit diesem Vorbringen stützt sich die Beschwerdeführerin - wie schon die belangte Behörde zutreffend erkannt hat - nicht auf subjektiv-öffentliche Rechte im Sinne des § 30 Abs. 4 Tir BauO 1989, LGBl. Nr. 33, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 72/1994. Die belangte Behörde ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß § 4 der Tiroler Bauordnung hinsichtlich der gesicherten Zufahrtsmöglichkeit zum Baugrundstück den Nachbarn kein subjektives Recht einräumt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 27. April 1976, Zl. 664/76, und das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1978, Zl. 148/77).

Die von der Beschwerdeführerin vermeinte "Ausdehnung" der Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens auf nunmehr

14 Wohneinheiten ist weder eine von den Verwaltungsbehörden im Baubewilligungsverfahren zu beurteilende Frage, noch auch die rechtliche Folge der erteilten Baubewilligung. Mit der im Verwaltungsverfahren erteilten Baubewilligung wird lediglich die Bewilligung zur Errichtung des beantragten Projekts erteilt und damit über die Zulässigkeit der Errichtung aus baurechtlicher Sicht abgesprochen. Eine zivilrechtliche Wirkung derart, daß etwa der Realteilungsvertrag aus dem Jahre 1959 als geändert anzusehen wäre, kommt der Baubewilligung nicht zu. Die Frage, ob die Bewohner des zu errichtenden Gebäudes ohne Änderung dieses Vertrages ebenfalls das Geh- und Fahrrecht haben, ist eine zivilrechtliche Frage. Die von der Baubehörde erster Instanz ausgesprochene Verweisung der diesbezüglichen Einwendung auf den Zivilrechtsweg ist insoferne zutreffend.

Wenn die Beschwerde im Zusammenhang mit dem Zufahrtsweg darauf hinweist, daß die Beschwerdeführerin als Wegeigentümerin den aus dem Realteilungsvertrag berechtigten (weiteren) Benützern des Weges hafte, so wird damit ebenfalls nicht ein Umstand aufgezeigt, auf den die Baubehörde im Baubewilligungsverfahren Bedacht zu nehmen hätte. Das von der Beschwerdeführerin behauptete subjektiv-öffentliche Recht im Hinblick auf die Zufahrtsrechte der übrigen aus dem Realteilungsvertrag Berechtigten wäre nur gegeben, wenn die Tir. BauO bei der Umschreibung der Bewilligungsvoraussetzungen auch die Bedachtnahme auf derartige Rechte vorschriebe. Da derartiges nicht der Fall ist, braucht auch nicht auf die Frage eingegangen werden, ob damit allenfalls mittelbar auch ein subjektives Recht der Beschwerdeführerin als Eigentümerin des mit der Dienstbarkeit belasteten Grundstücks eingeräumt wird (eine Vorschrift, derzufolge der Eigentümer eines Grundstücks, auf dem eine entsprechende Dienstbarkeit lastet, insoferne die Parteistellung hätte, fehlt ebenfalls in der Tir. Bauordnung). Im Hinblick auf die in der Beschwerde auch in diesem Zusammenhang angesprochene Problematik der gesicherten Zufahrt ist auf die vorstehenden Ausführungen zu § 4 Tiroler Bauordnung zu verweisen; die Beschwerdeführerin verkennt, daß durch die Erteilung einer Baubewilligung keine Zufahrtsrechte eingeräumt werden, wie in der Beschwerde formuliert wird (vgl. für den ähnlichen Fall der Benutzung von Rohren für die Durchleitung von Wasser über Nachbargrundstücke das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1991, Zl. 89/06/0007). Auch die in der Beschwerde angesprochenen Probleme der Schneeräumung, Wegstreuung und Wegerhaltung werden durch die Erteilung einer Baubewilligung auf einem durch den in Rede stehenden Weg erschlossenen Grundstück nicht in zivilrechtlich bindender Weise geregelt. Die in der Beschwerde diesbezüglich angestellten Überlegungen gehen daher ins Leere.

Zu dem Vorbringen betreffend die allfällige Errichtung von Apartments (diesbezüglich wird ein Verfahrensmangel geltend gemacht) ist darauf hinzuweisen, daß das Baubewilligungsverfahren ein Projektgenehmigungsverfahren darstellt. Die erteilte Baubewilligung kann dem Konsenswerber jeweils nur das der - aufgrund des Antrags - erteilten Bewilligung entsprechende Recht vermitteln. Allfällige - wie und woraus immer erschließbare - Absichten des Bauwerbers - etwa hinsichtlich einer anderen als der beantragten Verwendung - ermöglichen nicht die Versagung der beantragten Bewilligung. Für den Fall der zweckwidrigen Verwendung stehen der Baubehörde eigene Instrumente zur Verfügung (vgl. für die Verwendung zu einem anderen als dem bewilligten Verwendungszweck, insbesondere für die bewilligungslose Verwendung als Apartmenthaus § 43 Abs. 3 Tir. BauO 1989). Gegenstand der Baubewilligung ist die Errichtung einer Wohnanlage und es wird auch in der Beschwerde nicht vorgebracht, daß mit dem mit der Vorstellung bekämpften Bescheid etwa entgegen der im Beschwerdefall anzuwendenden neuen Rechtslage nach dem Tir ROG 1994 die Verwendung für Freizeitwohnsitze bewilligt worden wäre (vgl. § 15 iVm der Übergangsvorschrift des § 110 Abs. 1 zweiter Satz Tir ROG 1994, demzufolge aber unter den dort genannten Voraussetzungen nur die Bewilligung für den Neubau von Wochenendhäusern zulässig ist). Auf das Vorbringen betreffend das Fehlen einer Widmung für Apartmenthäuser ist daher im Beschwerdefall nicht näher einzugehen. Selbst wenn die belangte Behörde insoferne ein Vorbringen in der Vorstellung übergangen haben sollte (in der sehr genauen Sachverhaltsdarstellung der Beschwerde fehlt ein Hinweis auf ein diesbezügliches Vorbringen in der Vorstellung, auch in Punkt IV. der Beschwerde wird nur ausgeführt, daß "bereits im Verfahren I. Instanz" die Einwendung erhoben worden sei), besteht damit jedenfalls keine Wesentlichkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z 3 lit c VwGG eines derartigen etwaigen Verfahrensmangels.

Da sich somit die vorliegende Beschwerde einerseits auf zivilrechtliche Einwendungen stützt, deren Verweisung auf den Zivilrechtsweg von der Vorstellungsbehörde zu Recht als zutreffend qualifiziert wurde, sie sich andererseits hinsichtlich der Frage der rechtlich gesicherten Zufahrt nach § 4 Tiroler Bauordnung nicht auf subjektive Rechte im Sinne des § 30 Abs. 4 Tiroler Bauordnung stützt und auch kein wesentlicher Verfahrensmangel gegeben ist, liegen die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vor.

Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

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