Normen
AVG §66 Abs4;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
AVG §66 Abs4;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 18. August 1993 wurde der Beschwerdeführerin unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen und Hinweisen die Baubewilligung zur Errichtung eines Zu- und Umbaues des bestehenden KFZ-Betriebes auf der Liegenschaft Nr. 54/3, KG K, erteilt. Gegen diesen Bescheid brachten die Nachbarn I. und E.P. Berufung ein. Während des Berufungsverfahrens wurde von der Beschwerdeführerin ein geändertes Projekt vorgelegt, in dem insbesondere die fensterlose Ausführung der Feuermauer und die Errichtung einer 2 cm dicken Trennschichte gegen das Grundstück der Berufungswerber vorgesehen war. Über das geänderte Projekt fanden zwei mündliche Verhandlungen am 28. Februar 1994 sowie am 7. April 1994 statt. Nach Einholung von Sachverständigengutachten erließ der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 20. Mai 1994 einen Bescheid, mit dem ca. 50 Auflagen des erstinstanzlichen Bescheides vollinhaltlich bestätigt wurden, darunter auch die erste Auflage mit dem Wortlaut:
"Zur Ausführung des gegenständlichen Bauvorhabens bedarf es neben der baubehördlichen auch der Bewilligung der Gewerbebehörde und der Wasserrechtsbehörde. Vor Vorliegen der Bewilligung der Wasserrechtsbehörde und der Gewerbebehörde darf mit den Baumaßnahmen nicht begonnen werden."
Überdies wurden weitere Auflagen, vor allem in brandschutztechnischer Hinsicht, vorgeschrieben. Gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Mai 1994 brachte die Beschwerdeführerin die Vorstellung ein, die sich ausschließlich auf die oben zitierte Auflage betreffend das Vorliegen der Bewilligung der Gewerbebehörde und der Wasserrechtsbehörde bezog.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. August 1994 hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Mai 1994 als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Rechtsbehelf der Vorstellung setze die Erschöpfung des gemeindlichen autonomen Instanzenzuges voraus. Erhebe eine Partei gegen einen Bescheid der Behörde erster Instanz keine Berufung, so sei sie gegen den bestätigenden Bescheid der Berufungsbehörde, der infolge der Berufung einer anderen Partei erlassen wurde, mangels Erschöpfung des Instanzenzuges nicht beschwerdelegitimiert. Die Nichtbekämpfung des erstinstanzlichen Bescheides stünde nur dann dem Recht der Beschwerdeführerin, das Rechtsmittel der Vorstellung zu erheben, nicht im Wege, wenn der erstinstanzliche Bescheid infolge eines Rechtsmittels eines Dritten zum Nachteil des Beschwerdeführers geändert worden sei. Im vorliegenden Fall habe der Gemeinderat aufgrund der Berufung von Nachbarn den erstinstanzlichen Bescheid insoferne abgeändert, als zusätzliche Auflagen (vor allem in brandschutztechnischer Hinsicht) aufgenommen worden seien. Durch diese Auflagen fühle sich die Beschwerdeführerin jedoch offenbar nicht beschwert. Die bekämpfte Auflage sei nämlich bereits im erstinstanzlichen Bescheid vorgeschrieben worden, der allerdings von der Beschwerdeführerin nicht angefochten worden sei. Im vorliegenden Fall sei daher davon auszugehen, daß die Nichtbekämpfung des erstinstanzlichen Bescheides die Legitimation zur Erhebung einer Vorstellung ausschließe. Zwar sei der erstinstanzliche Bescheid durch den Bescheid des Gemeinderates abgeändert worden, doch fehle es der Beschwerdeführerin am Rechtsschutzinteresse, habe sie doch die Möglichkeit gehabt, bereits mit Erhebung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid diese Auflage zu bekämpfen. Da die Beschwerdeführerin sohin den innergemeindlichen Instanzenzug nicht ausgeschöpft habe, sei die Vorstellung zurückzuweisen gewesen. Abschließend sei auszuführen, daß die Beschwerdeführerin durch die bekämpfte Auflage nicht in ihren Rechten verletzt werden könne, da sie lediglich das in der Rechtsordnung vorherrschende Kumulationsprinzip zum Ausdruck bringe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde (außer dem in Abs. 2 erwähnten Fall), sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern. "Sache" des Berufungsverfahrens ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat. Im Falle einer eingeschränkten Berufung ist Sache der vom Rechtsmittel erfaßte Teil des Bescheides, wenn dieser vom übrigen Bescheidinhalt trennbar ist (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 542 zu E 87 und 88 zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Entscheidet die Berufungsbehörde in der Sache selbst, so tritt ihre Entscheidung an die Stelle der Entscheidung der Behörde erster Instanz, die Berufungsentscheidung hat die rechtliche Wirkung, daß der erstinstanzliche Bescheid in der Berufungsentscheidung aufgegangen ist.
Nun wurde im Beschwerdefall im Rahmen des Berufungsverfahrens das Projekt abgeändert. Gegenstand der Entscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde war das modifizierte Projekt, einschließlich aller vom Gemeinderat vorgeschriebenen Auflagen. Der aufgrund der Berufung von Nachbarn erlassene Bescheid des Gemeinderates ist somit zur Gänze an die Stelle des erstinstanzlichen Bescheides getreten. Bei dieser Sachlage (Änderung des Projektes und zusätzliche Auflagen aufgrund einer Berufung von Nachbarn) kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß durch die Nichtbekämpfung der bereits im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Auflage betreffend das Verbot des Baubeginnes vor Erwirkung einer wasser- und gewerbebehördlichen Genehmigung die Erhebung der Vorstellung durch die Beschwerdeführerin unzulässig war, bildet doch die Baubewilligung für das geänderte Projekt einschließlich der vorgeschriebenen Auflagen eine untrennbare Einheit. Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, aufgrund der Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeinderates eine inhaltliche Entscheidung zu treffen. Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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