VwGH 94/05/0303

VwGH94/05/030319.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde 1. des HS und 2. der GS, beide in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 9. März 1994, Zl. BauR - 011181/2 - 1994 Ha/Lg, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Gemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO OÖ 1976 §53 Abs2;
BauO OÖ 1976 §56 Abs3;
BauO OÖ 1976 §53 Abs2;
BauO OÖ 1976 §56 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 28. Jänner 1993 wurde den Beschwerdeführern "aufgrund des Antrages vom 14.1.1993 und nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, insbesondere der am 26.1.1993 durchgeführten Bauverhandlung ... die Baubewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. 1373/16, EZ 15, KG B," unter Auflagen erteilt. Bewilligt wurde das von den Beschwerdeführern eingereichte Projekt, beinhaltend ein Einfamilienwohnhaus mit integrierter Doppelgarage, Einfriedung und Kanalanschluß. Mit dem Baubewilligungsbescheid wurden unter anderem folgende Auflagen vorgeschrieben:

"3.) Der Grundriß des Gebäudes ist entsprechend dem Einreichplan und den Festlegungen im Befund der Verhandlungsschrift unter Einhaltung der Bestimmungen des Bebauungsplanes vom Bauführer am Bauplatz einzumessen.

...

5.) Der Bauführer haftet für die Einhaltung der Genehmigungsvorschreibungen sowie für die technisch einwandfreie Ausführung und die Standfestigkeit des Bauwerkes. Auf die Einhaltung der Bestimmungen des BGBl. 267/1954 i.d.F. des BGBl. 39/1974 wird hingewiesen.

...

17.) Für Zwecke der baubehördlichen Überprüfung sind noch vor Baubeginn die Baufluchtlinien entsprechend der Situierung im Bauplan durch den Bauführer in Form eines Schnurgerüstes darzustellen. Hiebei sind nachfolgende Abstände einzuhalten:

Zur Straße

zu den Nachbargrundstücken laut Plan

..."

Laut Einreichplan soll die Garage des bewilligten Projektes 1 m von der Grundstücksgrenze zum an das Grundstück Nr. 1373/16 der Beschwerdeführer westlich angrenzenden Grundstück Nr. 1373/15 der Anrainer W und TK errichtet werden. Die Grundstücksgrenze zwischen den beiden vorzitierten Grundstücken verläuft laut Maßstabskizze M 1 : 1000 der Vermessungskanzlei Dipl.Ing. Sch in W vom 14. Februar 1990, GZ 6461, zwischen den Vermessungspunkten 142 und 143.

Im Zuge eines Lokalaugenscheines am 9. November 1993 wurde von der Baubehörde erster Instanz eine Nachmessung beim Grundstück Nr. 1373/16 aufgrund des vorzitierten Katasterplanes durchgeführt. Dabei wurde vom Meßpunkt Nr. 117 eine Kontrollmessung in nördlicher Richtung zum Punkt 143 durchgeführt. Diese Messung ergab, daß die Grundgrenze zwischen Grundstück Nr. 1373/15 und Nr. 1373/16 von den Beschwerdeführern bzw. deren Bauführer falsch angenommen worden war. Als Grundgrenze wurde nicht die Verbindungslinie zwischen den Meßpunkten 142 und 143, sondern zwischen dem Meßpunkt 142 und dem von der Grundstücksgrenze 3,88 m entfernt auf Grundstück Nr. 1373/15 liegenden Vermessungspunkt 110 herangezogen. Dadurch wurde das gesamte Objekt der Beschwerdeführer in nördliche Richtung verschoben, sodaß nunmehr die Garage der Beschwerdeführer zum Teil auf dem Nachbargrundstück Nr. 1373/15 steht.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 10. November 1993 wurde gemäß § 56 in Verbindung mit §§ 53, 30 und 32 der Oberösterreichischen Bauordnung folgender Spruch gefaßt:

"I.

Über ihr mit Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Gemeinde B vom 28.1.1993, Zl. Bau8/1993-Le., bewilligtes Bauvorhaben zur Errichtung eines Wohnhauses auf der Parzelle Nr. 1373/16 KG B wird mit sofortiger Wirkung die

Untersagung der Fortsetzung der Bauausführung

bis zur Behebung dieses Mangels verfügt.

II.

Hinsichtlich des vorstehenden Spruchabschnittes I. wird die Niederschrift vom 9.11.1993, Zl. Bau8/1993, über den am 9.11.1993 in der Angelegenheit abgehaltenen Lokalaugenschein, worüber eine Fotokopie diesem Bescheid beiliegt, zu einem wesentlichen Bescheidbestandteil erklärt."

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 1. Februar 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 95 Abs. 1 Oö Gemeindeordnung sowie §§ 56 Abs. 3 und 53 Abs. 2 Oö Bauordnung als unbegründet abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 9. März 1994 wurde der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer mit der Feststellung keine Folge gegeben, daß die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt werden. In der Begründung führt die belangte Behörde hiezu aus, jede Situierungsänderung, durch welche die im Bau(Lage)plan festgelegten Abstände des bewilligten Bauvorhabens zu den Nachbargrundgrenzen (nicht nur ganz geringfügig) verringert würden, stelle eine im Sinne des § 53 Abs. 2 Oö Bauordnung bewilligungspflichtige Planabweichung dar. Dies müsse umsomehr gelten, wenn durch eine Situierungsänderung der im genehmigten Bau(Lage)plan festgelegte Abstand von 1 m nicht nur auf Null reduziert, sondern das Bauvorhaben sogar über die Nachbargrundgrenze hinweg zum Teil auf fremdem Grund errichtet werde. Die Zulässigkeit eines Bauvorhabens sei selbst bei einer nachträglichen Baubewilligung nur aufgrund der eingereichten Pläne zu beurteilen; auch mit einem nachträglichen Baubewilligungsbescheid könne daher ein von den Einreichunterlagen hinsichtlich des Abstandes zur Grundgrenze abweichender, tatsächlich bereits errichteter Bau nicht als baubehördlich bewilligt angesehen werden. Die absolute Priorität des Bauplanes gegenüber allen davon allenfalls abweichenden "faktischen Gegebenheiten" gehe soweit, daß sich der Bauwerber sogar einen Irrtum des Planverfassers bei der Erstellung des Einreichplanes selbst zuzuschreiben habe. Auch wenn eine in einem Einreichplan dargestellte Maßnahme durch das Bauansuchen in keiner Weise beabsichtigt gewesen sei, sei sie doch als Bestandteil des eingereichten Projektes anzusehen. Der im vorliegenden Fall baubehördlich genehmigte Bau- bzw. Einreichplan vom 14. Jänner 1993 weise unzweifelhaft, klar und deutlich einen (Garagen-) Abstand von 1 m zur Grenze des Nachbargrundstückes Nr. 1373/15 aus. Ebenso unzweifelhaft, klar und deutlich habe das Ermittlungsverfahren der Baubehörde erster Instanz ergeben, daß die Beschwerdeführer bei der Bauausführung diesen Abstand nicht eingehalten und die Garage zum Teil sogar auf Nachbargrund errichtet hätten. Der Umstand, daß für diese erwiesene Planabweichung möglicherweise ein Irrtum über den Verlauf der Grundgrenze ausschlaggebend gewesen wäre, sei in baurechtlicher Hinsicht unerheblich. Um den Plan bzw. die darin festgelegten Abstände zu den Nachbargrundgrenzen einhalten zu können, sei es Mindestvoraussetzung, daß sich der Bauwerber und/oder der von ihm bestellte Bauführer ein genaues und verläßliches Bild über die Grenzen des Bauplatzes mache. Die Rechtsfolgen des § 56 Abs. 3 Oö Bauordnung beschränkten sich vorerst einzig und allein auf die Untersagung der Fortsetzung der Bauausführung bis zur allfälligen "Behebung des Mangels". Als solche Mängelbehebung käme in einem Fall wie dem gegenständlichen (nur) die nachträgliche Bewilligung der erfolgten Planabweichungen in Betracht. Ob diese (Bau)Bewilligung gegebenenfalls erteilt werden könne, sei jedoch nicht Gegenstand des nach § 56 Abs. 3 Oö Bauordnung abzuführenden "Baueinstellungs"-Verfahrens.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 1994, B 797/94-3, nach Ablehnung der Behandlung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich zufolge ihrer in der Beschwerdeergänzung gemachten Ausführungen in dem Recht "auf richtige Handhabung der §§ 53 und 56 Oö Bauordnung, des § 68 AVG, auf Bauführung aufgrund einer rechtskräftigen Baubewilligung, auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren, auf Parteiengehör und auf Entscheidung durch die zuständige Behörde" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Baubehörden stützten ihren "Baueinstellungs"-Auftrag

auf § 56 Abs. 3 in Verbindung mit § 53 Abs. 2 Oö Bauordnung

(BO).

§ 56 Abs. 3 BO hat folgenden Wortlaut:

"Stellt die Baubehörde fest, daß bewilligungspflichtige Bauvorhaben ohne Baubewilligung ausgeführt werden, daß sich der Bauherr keines befugten Bauführers bedient (§ 54 Abs. 1), daß der Bauherr keine besondere sachverständige Person beizieht (§ 54 Abs. 6), daß Planabweichungen vorgenommen werden, die einer Baubewilligung bedürfen (§ 53 Abs. 2), oder daß nicht entsprechende Baustoffe oder entsprechende Baustoffe unsachgemäß verwendet oder mangelhafte Konstruktionen ausgeführt oder Bestimmungen über die Bauausführung in gröblicher Weise verletzt werden, so hat die Baubehörde die Fortsetzung der Bauausführung bis zur Behebung des Mangels zu untersagen. Wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, kann die Untersagung der Fortsetzung der Bauausführung auch ohne vorangegangenes Ermittlungsverfahren gemäß § 57 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 schriftlich oder mündlich erfolgen. An die Untersagung sind neben dem Bauherrn und dem Bauführer alle bei der Bauausführung Beschäftigten gebunden."

§ 53 Abs. 2 BO hat folgenden Wortlaut:

"Vom bewilligten Bauvorhaben darf ohne Bewilligung der Baubehörde nur abgewichen werden, wenn

a) die Abweichung solche Änderungen betrifft, zu deren Vornahme auch bei bestehenden baulichen Anlagen eine Bewilligung nicht erforderlich ist, und

b) Bedingungen oder Auflagen des Baubewilligungsbescheides hievon nicht berührt werden."

Nach dem von den Behörden festgestellten, durch den Akteninhalt gedeckten und von den Beschwerdeführern diesbezüglich auch nicht angezweifelten Sachverhalt haben die Beschwerdeführer entgegen dem rechtskräftigen Baubwilligungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 28. Jänner 1993 das bewilligte Projekt teilweise auf Fremdgrund errichtet und die aus dem dem Baubewilligungsbescheid zugrundeliegenden Bauplan ersichtlichen Abstände von den Grundstücksgrenzen nicht eingehalten. Damit haben sie insbesonders auch gegen die eingangs wiedergegebenen Auflagen im Baubewilligungsbescheid verstoßen.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Abweisung der Vorstellung der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf die von den Beschwerdeführern vorgenommenen Planabweichungen, welche Auflagen des Baubewilligungsbescheides berühren, nicht zu erkennen.

Auch die Ausführungen in der Beschwerde vermögen keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen. Ob der gültige Bebauungsplan der mitbeteiligten Partei eine Kotierung der Grundstücksgrenzen in nachvollziehbarer Weise ausweist, ist schon deshalb ohne Belang, weil sich die Grundstücksgrenzen aus der maßstabgetreuen Skizze der Vermessungskanzlei Dipl.Ing. Sch eindeutig ergeben und von den Beschwerdeführern gar nicht angezweifelt werden. Daß die Beschwerdeführer die Verbindungslinie zwischen den Vermessungspunkten 142 und 110 irrtümlich als Grundstücksgrenze angenommen haben, ändert nichts daran, daß sie entgegen dem Baubewilligungsbescheid Planabweichungen vorgenommen haben, die gegen Auflagen des Baubewilligungsbescheides verstoßen. Ob ein Nachbar der Beschwerdeführer entgegen den Vorschriften des Bebauungsplanes eine Garage errichtet hat, kann im gegenständlichen Verfahren nicht geprüft werden und ändert nichts am bescheidwidrigen Verhalten der Beschwerdeführer. Auf welche entscheidungsrelevanten Ausführungen in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof die Beschwerdeführer in ihrer Beschwerdeergänzung verweisen, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.

Der Hinweis in der Beschwerde auf § 68 AVG ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar. Insoweit die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang ausführen, eine Abänderung des sie begünstigenden Baubewilligungsbescheides, aus dem ihnen das Recht zur Errichtung ihres Wohnhauses erwachsen sei, wäre unzulässig, ist zu bemerken, daß mit dem angefochtenen Bescheid die Rechtmäßigkeit der Baueinstellung durch die Baubehörden im Grunde des § 56 Abs. 3 BO in Verbindung mit § 53 Abs. 2 BO überprüft worden ist. Eine Abänderung des Baubewilligungsbescheides der Baubehörde erster Instanz vom 28. Jänner 1993 ist dadurch nicht erfolgt. Der Weiterbau wurde von den Baubehörden nur deshalb untersagt, weil die Bauführung dem Baubewilligungsbescheid widersprochen hat.

In ihrer Verfahrensrüge vermögen die Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Durchführung der beantragten Beweise hätte kommen sollen. Daß die Beschwerdeführer das bewilligte Projekt teilweise auf fremdem Grund gebaut haben, wird von ihnen auch in der Beschwerde nicht angezweifelt. Die Beschwerdeführer vermögen daher auch keine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuzeigen.

Grundlage für den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 28. Jänner 1993 waren die Verhandlungsergebnisse vom 26. Jänner 1993, die sich insbesondere neben dem vorgelegten Plan der Beschwerdeführer auch aus der bereits mehrfach erwähnten Mappenskizze der Vermessungskanzlei Dipl.Ing. Sch ergeben. Aus diesen Urkunden ist die Grenze zwischen den Grundstücken 1373/16 und 1373/15 eindeutig ersichtlich. Ob nunmehr aufgrund eines zivilgerichtlichen Verfahrens feststeht, daß die Beschwerdeführer infolge Bauführung gemäß § 418 ABGB gutgläubig Eigentum erworben haben, ist für das mit Bescheid der Berufungsbehörde vom 1. Februar 1994 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nach § 56 Abs. 3 BO in Verbindung mit § 53 Abs. 2 BO ohne Belang, hat doch die Vorstellungsbehörde die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des von ihr zu überprüfenden Berufungsbescheides anzuwenden. Sollte durch die Bauführung neuer Grund erworben worden sein, zeigt dies umso deutlicher, daß nicht der Baubewilligung entsprechend gebaut wurde.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

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