Normen
AsylG 1991 §23 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs2;
ZustG §23 Abs1;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;
AsylG 1991 §23 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs2;
ZustG §23 Abs1;
ZustG §8 Abs1;
ZustG §8 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 15. November 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des § 1 Asylgesetz (1968) in Verbindung mit der Genfer Flüchtlingskonvention sei. Da sich der Beschwerdeführer bis 29. Oktober 1991 im Polizeigefangenenhaus Wien IX, Rossauer Lände 7-9, befand, richtete die Behörde erster Instanz ein Ersuchen um Meldeauskunft an die Bundespolizeidirektion Wien, die ergab, daß der Beschwerdeführer ohne Angabe einer Anschrift am 29. Oktober 1991 verzogen sei. Der erstinstanzliche Bescheid wurde daraufhin gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz ohne Zustellversuch unter der Adresse des Polizeigefangenenhauses hinterlegt. Am 10. März 1992 wurde der Bescheid dem Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Wien - wie im Verwaltungsakt festgehalten - "formlos ausgef."
(heißt wohl: ausgefolgt). Daraufhin erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 16. März 1992 Berufung. Im Berufungsverfahren (am 6. Juli 1993) wurde der Beschwerdeführer zu den Verfolgungsgründen einvernommen, nicht aber zur Frage der verspäteten Berufung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurückgewiesen. Wie aus der bei den Akten befindlichen Empfangsbestätigung ersichtlich sei, sei der erstinstanzliche Bescheid am 18. November 1991 durch Hinterlegung ohne Zustellversuch gemäß § 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Zustellgesetz zugestellt worden. Der letzte Tag für die fristgerechte Einbringung der Berufung sei somit der 2. Dezember 1991 gewesen. Die gegenständliche Berufung vom 23. März 1992 sei daher verspätet.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Nach Auffassung des Beschwerdeführers habe die belangte Behörde zu Unrecht die Verspätung der Berufung angenommen. Voraussetzung für eine Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz sei, daß die Abgabestelle geändert werde. Dies müsse im Falle des § 8 Abs. 2 Zustellgesetz der Behörde vom Zusteller mitgeteilt worden sein, worauf diese keine neue Abgabestelle ermitteln können und auch keine Mitteilung einer neuen Abgabestelle erfolgt sein müsse. Der Beschwerdeführer habe die Abgabestelle jedoch nicht geändert. Der Beschwerdeführer sei nach seiner Entlassung aus der Schubhaft an seine bisherige Abgabestelle zurückgekehrt, habe dies jedoch nicht der Behörde mitgeteilt. Dennoch hätte die Behörde ohne Schwierigkeiten feststellen können, wo die Abgabestelle des Beschwerdeführers sei. Es seien daher die Voraussetzungen für eine Hinterlegung ohne vorherigen Zustellversuch nicht vorgelegen. Aber selbst wenn man diese Voraussetzung als gegeben annehme, habe die Hinterlegung gegen § 23 Abs. 1 Zustellgesetz verstoßen, weil der Bescheid weder beim Postamt, Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst hinterlegt worden sei. Die Hinterlegung ohne Zustellversuch sei daher ohne gesetzliche Grundlage erfolgt und die Zustellung nicht wirksam.
Gemäß § 8 Abs. 1 Zustellgesetz hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz, soweit die Verfahrensvorschriften nichts anderes vorsehen, die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann. § 23 Abs. 1 Asylgesetz 1991 sieht vor, daß, sofern eine Sendung auf Anordnung der Behörde ohne vorhergehenden Zustellversuch zu hinterlegen ist, diese beim Postamt, beim Gemeindeamt oder bei der Behörde selbst bereitzuhalten ist.
Die Zustellung gemäß § 8 Abs. 2 Zustellgesetz stellt sich im vorliegenden Fall schon deshalb als rechtswidrig und somit rechtsunwirksam dar, weil die Behörde zu Unrecht davon ausgegangen ist, daß bereits die Festnahme in Schubhaft eine Änderung der Abgabestelle im Sinne des § 8 Abs. 1 Zustellgesetz darstellt. Eine Änderung der Abgabestelle im Sinne der angeführten Bestimmung liegt aber immer erst dann vor, wenn die Partei die Abgabestelle nicht bloß vorübergehend, sondern dauernd verläßt (vgl. zum früheren § 28 Abs. 1 AVG das hg. Erkenntnis vom 8. März 1965, Zl. 2168/64; in diesem Sinne auch Mayer, Das österreichische Zustellrecht, 1983, 44 f, FN 5). Wird ein Fremder in Schubhaft genommen, die gemäß § 48 Abs. 2 Fremdengesetz grundsätzlich nicht länger als zwei Monate dauern darf, und ist der Fremde bereits im Zeitpunkt der Bescheiderlassung aus der Schubhaft wieder entlassen worden, kann keinesfalls schlechthin davon ausgegangen werden, daß der Fremde die bisherige Abgabestelle dauernd verlassen hat. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, daß der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall aus Anlaß seiner Entlassung aus der Schubhaft darauf hingewiesen wurde, sofort nach der Entlassung beim Büro für Asyl- und Flüchtlingsfragen eine Zustelladresse bekanntzugeben. Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht die Verspätung der Berufung angenommen. Der angefochtene Bescheid stellt sich schon aus diesem Grund als inhaltlich rechtswidrig gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG dar.
Auf die weiteren inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Rügen des Beschwerdeführers (insbesondere, ob die Hinterlegung im Polizeigefangenenhaus eine Zustellung bei der Behörde im Sinne des § 23 Abs. 1 Zustellgesetz darstellte) war bei diesem Ergebnis nicht mehr einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994.
Im Hinblick auf dieses Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung des Berichters über den Antrag des Beschwerdeführers, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
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