VwGH 93/18/0420

VwGH93/18/042011.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des S in Z, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 13. Juli 1993, Zl. Fr 1058/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FinStrG §21;
FinStrG §35 Abs1;
FinStrG §44 Abs1 litc;
FrG 1993 §18 Abs2 Z3;
FrG 1993 §19;
FinStrG §21;
FinStrG §35 Abs1;
FinStrG §44 Abs1 litc;
FrG 1993 §18 Abs2 Z3;
FrG 1993 §19;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 13. Juli 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 iVm § 18 Abs. 2 Z. 3 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein bis 14. April 1998 befristetes Aufenthaltsverbot für das gesamte Bundesgebiet erlassen.

In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer mit Strafverfügung des Zollamtes Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 12. Oktober 1992 (rechtskräftig seit 19. November 1992) wegen der Finanzvergehen nach den §§ 13, 35 Abs. 1 des Finanzstrafgestzes (versuchter Schmuggel) und den §§ 13, 44 Abs. 1 lit. c iVm § 21 leg. cit. (versuchter vorsätzlicher Eingriff in die Rechte des Tabakmonopols) mit einer Geldstrafe von S 10.000,-- bestraft worden sei. Damit habe der Beschwerdeführer - so die rechtliche Schlußfolgerung - den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 3 FrG erfüllt; aufgrund dieser bestimmten Tatsache i. S. des § 18 Abs. 1 leg. cit. sei auch die dort umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Nach Zitierung der §§ 19 und 20 FrG führte die belangte Behörde zur Frage der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im wesentlichen folgendes aus: Der Beschwerdeführer halte sich seit 6. Juni 1989 in Österreich auf und gehe hier einer Beschäftigung nach; auch seine Gattin und seine zwei Kinder lebten in Österreich. Aufgrund des vierjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet sei eine nicht unerhebliche Integration des Beschwerdeführers anzunehmen; insofern stelle das Aufenthaltsverbot einen Eingriff in sein Privatleben dar. Diese Maßnahme führe auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Familienlebens des Beschwerdeführers, da dieser entweder getrennt von seiner Familie leben oder die Familie mit dem Beschwerdeführer das Bundesgebiet verlassen müßte. Durch das seiner Bestrafung zugrunde liegende Verhalten habe der Beschwerdeführer nicht nur zoll- und finanzrechtliche Vorschriften verletzt; es würden dadurch auch dem Staat und somit allen im Bundesgebiet lebenden Menschen erhebliche Einnahmen entgehen, die zur Aufrechterhaltung des sozialen Gefüges und insgesamt für das wirtschaftliche Wohl des Staates notwendig seien. Es müsse demnach als rechtskonform angesehen werden, wenn überall, wo die öffentliche Ordnung und Sicherheit durch einen Fremden gefährdet werde, mit dem Institut des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele vorgegangen werde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des § 18 Abs. 1 und 2 Z. 3, des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG lauten:

§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahmne gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

  1. 1. die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder
  2. 2. anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

3. im Inland wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen, mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit, oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft

worden ist;

§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

§ 20 (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

  1. 1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;
  2. 2. die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.
  3. 2. Die Beschwerde läßt die - zutreffende - Ansicht der

    belangten Behörde, es sei durch die besagte finanzbehördliche rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 3 FrG verwirklicht und es rechtfertige diese bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 leg. cit. die Annahme, daß der (weitere) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde, unbekämpft.

    Der Beschwerdeführer vertritt indes die Auffassung, daß in seinem Fall die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unzulässig sei. Mit diesem Einwand ist er im Recht.

    3. Die belangte Behörde hat - im Gegensatz zur Erstbehörde - aufgrund des vierjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers dessen Integration in Österreich angenommen und ist aufgrund dessen sowie mit Rücksicht auf den Aufenthalt der Familie des Beschwerdeführers (seiner Gattin und zweier Kinder), die nach der Aktenlage mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebt, zu dem Ergebnis gelangt, daß mit dem Aufenthaltsverbot ein erheblicher Eingriff in das Privat- wie auch Familienleben des Beschwerdeführers verbunden wäre. Damit aber war gemäß § 19 FrG die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer nur zulässig, wenn diese Maßnahme zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist. Letzteres wurde im angefochtenen Bescheid bejaht. Der Gerichtshof vermag ein solches "Dringend-geboten-sein" nicht zu erkennen. Wenngleich die dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Finanzvergehen nicht bagatellisiert werden dürfen und die von der belangten Behörde aus der deshalb erfolgten rechtskräftigen Bestrafung abgeleitete Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch den (weiteren) Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich keine Bedenken erweckt, erfordert der Schutz des solcherart beeinträchtigten Rechtsgutes doch nicht notwendigerweise die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Denn zum einen hält sich die durch die besagten Vergehen herbeigeführte Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung durchaus in Grenzen - eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit scheidet sachverhaltsbezogen von vornherein aus, eine Gefährdung des wirtschaftlichen Wohles Österreichs ist im Hinblick auf die Höhe der auf die geschmuggelten Zigaretten entfallenden Eingangsabgaben (S 11.354,--) wie auch die Höhe des Inlandverschleißpreises (S 11.640,--) nicht ernsthaft in Betracht zu ziehen -, zum anderen darf nicht außer acht gelassen werden, daß es sich nach der Aktenlage dabei um die erste und bisher einzige derartige Verfehlung des Beschwerdeführers gehandelt hat. Von daher gesehen ist die öffentliche Ordnung durch den Gesetzesverstoß des Beschwerdeführers nicht in einem solchen Maß als gefährdet anzusehen, daß zu deren Wahrung bzw. Schutz die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer dringend geboten wäre.

    4. Das über den Beschwerdeführer im Instanzenzug verhängte Aufenthaltsverbot erweist sich mithin im Grunde des § 19 FrG als unzulässig. Einer Prüfung der Frage, ob diese Maßnahme aus dem Blickwinkel des § 20 Abs. 1 leg. cit. als zulässig anzusehen ist, ist der Gerichtshof bei diesem Ergebnis enthoben.

    5. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

    6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1993.

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