Normen
LAO NÖ 1977 §165 Abs1;
LAO NÖ 1977 §168;
LAO NÖ 1977 §3 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
LAO NÖ 1977 §165 Abs1;
LAO NÖ 1977 §168;
LAO NÖ 1977 §3 Abs1;
VwGG §30 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.570,-- zu gleichen Teilen binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit zwei getrennten Bescheiden je vom 23. Juli 1980 setzte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gegenüber den Beschwerdeführerinnen gemäß § 15 der Niederösterreichischen Bauordnung anläßlich der erstmaligen Bauführung auf ihrem Grundstück Parz.Nr. 10 einen Aufschließungsbeitrag in der Höhe von S 67.424,85 fest. Diesen Betrag werde gemäß § 15 letzter Satz der Niederösterreichischen Bauordnung anläßlich der erstmaligen Errichtung der Aufschließungsanlagen zu diesem Grundstück fällig. Dieser Zeitpunkt werde von der Gemeinde durch Übersendung einer Lastschriftanzeige an die Grundeigentümerinnen bekanntgegeben. Der Einheitssatz betrug
S 1.800,--. Der Hebesatz wurde a) für die Fahrbahn mit 35 %,
- b) für den Kanal mit 25 %, c) für den Gehweg mit 25 % und
- d) für die Beleuchtung mit 15 % des Einheitssatzes festgesetzt.
Mit Lastschriftanzeigen vom 14. Juli 1989 zeigte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführerinnen jeweils einen Hälfteanteil von S 8.428,-- für den auf den Gehweg entfallenden Teil des Gesamtaufschließungsbeitrages mit einer Fälligkeit vom 15. August 1989 als Lastschrift und Rückstand an.
1.2. Mit Abgaben-Mahnungen vom 5. Oktober 1990 mahnte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde von den Beschwerdeführerinnen den vorhin genannten Aufschließungsbeitragsanteil von je S 8.428,-- ein, wobei als Fälligkeit der 15. August 1989 angegeben wurde. Mit zwei gleichzeitig mit den Mahnungen erlassenen Abgabenbescheiden vom 5. Oktober 1990 schrieb der Bürgermeister den Beschwerdeführerinnen aus Anlaß der Mahnung gemäß § 176 der Niederösterreichischen Abgabenordnung 1977 - NÖ AO 1977, LGBl. 3400, je eine Mahngebühr im Betrage von S 42,14 vor. Ebenso wurde den Beschwerdeführerinnen gemäß § 165 NÖ AO 1977 wegen verspäteter Entrichtung der Abgabe je ein Säumniszuschlag im Betrage von S 168,56 vorgeschrieben. Nach der Begründung dieses Bescheides sei im Falle einer Mahnung eine Mahngebühr von 0,5 % des eingemahnten Abgabenbetrages, mindestens jedoch S 15,-- und höchstens S 200,-- zu entrichten. Die angeführten Abgaben seien nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet worden, sodaß sich die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages in der Höhe von 2 % des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages ergebe.
Die Beschwerdeführerinnen erhoben Berufung und machten geltend, daß der eingemahnte Aufschließungsbeitrag für den Gehsteig mangels Errichtung eines Gehsteiges noch nicht fällig sei. Für die Feststellung der Fälligkeit zum 15. August 1989 fehle jede Begründung. Es werde die ersatzlose Aufhebung der Bescheide über Mahngebühr und Säumniszuschlag beantragt.
1.3. Mit Bescheid vom 2. Dezember 1992 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde den Berufungen der Beschwerdeführerinnen nicht statt. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Bezirkshauptmannschaft Mistelbach mit Verordnung vom 4. Februar 1991 gemäß § 43 Abs. 1 in Verbindung mit § 55 Abs. 2 StVO 1960 folgende Verkehrsleiteinrichtung angeordnet: "Sperrlinie" gemäß § 5 Abs. 1 der Bodenmarkierungsverordnung BGBl. Nr. 226/1963 im Zuge der unbenannten Gemeindestraße Gd.Nr. 10 an der südlichen Straßenseite in einem seitlichen Abstand von 1,25 m vor der Straßenfluchtlinie im Bereich zwischen dem westlichen Ende des Gd.Nr. 14 wobei auf Höhe der Grundstückseinfahrten die Sperrlinie zu unterbrechen sei. Des weiteren stütze sich der Gemeinderat auf das Gutachten des verkehrstechnischen Amtssachverständigen der Niederösterreichischen Landesregierung, demzufolge es in diesem Bereich verkehrstechnisch ausreichend sei, durch Aufbringung einer Bodenmarkierung einen Gehsteig zu schaffen. Gemäß § 44 Abs. 1 StVO 1960 trete die genannte Verordnung mit der Aufbringung der Bodenmarkierung in Kraft. Die Bodenmarkierung sei von der Gemeinde entsprechend der Verordnung am 1. Oktober 1992 aufgebracht worden.
Die Beschwerdeführerinnen erhoben Vorstellung. Die vom Gemeinderat mit 1. Oktober 1992 angenommene Fälligkeit des Aufschließungsbeitrages rechtfertige die bereits mit Bescheiden vom 5. Oktober 1990 vorgenommene Festsetzung von Mahngebühren und Säumniszuschlägen nicht. Darüber hinaus sei die Auffassung, durch die Maßnahmen der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach und der mitbeteiligten Gemeinde sei ein Gehsteig geschaffen worden, unzutreffend.
1.4. Mit Bescheid vom 4. Oktober 1993 - dem nunmehr angefochtenen Bescheid - wies die Niederösterreichische Landesregierung die Vorstellung als unbegründet ab. Nach der Begründung dieses Bescheides habe die Abgabenbehörde zweiter Instanz auch Änderungen der Sach- und Beweislage, welche erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingetreten seien, in der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen. Durch die Aufbringung der Bodenmarkierung sei am 1. Oktober 1992 ein Gehsteig im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 10 StVO 1960 geschaffen worden. Die im Abgabenbescheid aus dem Jahr 1980 genannte Voraussetzung für den Eintritt der Fälligkeit des restlichen Aufschließungsbeitrages sei damit noch während des Verfahrens über die Berufung vom 11. Oktober 1990 verwirklicht worden. Der Gemeinderat habe dies in seiner Berufungsentscheidung berücksichtigt. Die Beschwerdeführerinnen seien in ihren Rechten nicht verletzt worden. Da der Zeitraum der Säumnis bei der Festsetzung sowohl des Säumniszuschlages als auch der Mahngebühr keine Berücksichtigung finde, der tatsächlich später eingetretene Fälligkeitszeitpunkt zum 1. Oktober 1992 (Anbringung der Bodenmarkierung) die Höhe des ermittelten Säumniszuschlages bzw. der Mahngebühr nicht beeinflusse, seien auch dadurch keine Rechte der Beschwerdeführerinnen verletzt worden.
1.5. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend gemacht werden. In der Beschwerdebegründung wird unter anderem die Rechtsauffassung vertreten, die Festsetzung von Mahngebühren und Säumniszuschlägen habe die bescheidmäßige Festsetzung der Zahlungspflicht zur Voraussetzung (§ 159 NÖ AO 1977). Ein Abgabenbescheid sei den Beschwerdeführerinnen in Ansehung des nunmehr angenommenen Fälligkeitszeitpunktes zum 1. Oktober 1992 nicht zugegangen. Es fehle daher an der formellen Voraussetzung für das Entstehen der Zahlungspflicht und damit für die Annahme einer Säumigkeit ab 1. Oktober 1992. Unzutreffend sei auch die Behauptung im angefochtenen Bescheid, der Bürgermeister habe den Beschwerdeführerinnen am 14. Juli 1989 die Fälligkeit von jeweils S 8.428,-- "angezeigt", zumal über die für den Abgabepflichtigen bedeutsamen Tatsachen durch Bescheid abzusprechen sei (§ 69 Abs. 1 lit. b NÖ AO 1977) und andererseits heute weder die Gemeinde noch die belangte Behörde davon ausgingen, daß die Fälligkeit bereits im Jahr 1989 eingetreten sei. Von einer nunmehr angenommenen Fälligkeit mit 1. Oktober 1992 habe damals aber naturgemäß keine Rede sein können. Unzutreffend sei auch die Ansicht der belangten Behörde, durch die Aufbringung einer Sperrlinie am 1. Oktober 1992 sei ein Gehsteig hergestellt worden und damit die Fälligkeit des restlichen Aufschließungsbeitrages eingetreten.
1.6. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Gemeinde eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 165 Abs. 1 erster Satz NÖ AO 1977 lautet:
"Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß Abs. 2 bis 6 oder § 166 hinausgeschoben wird."
Gemäß § 167 NÖ AO 1977 beträgt der Säumniszuschlag 2 v.H. des nicht zeitgerecht entrichteten Abgabenbetrages. Nach § 168 leg. cit. wird der Säumniszuschlag im Zeitpunkt des Eintrittes der Verpflichtung zu seiner Entrichtung fällig.
Gemäß § 174 NÖ AO 1977 sind Abgabenschuldigkeiten, die nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet werden, in dem von der Abgabenbehörde festgesetzten Ausmaß vollstreckbar. Gemäß § 175 Abs. 1 leg. cit. ist die Abgabenschuldigkeit vor Ausstellung eines Rückstandsausweises gemäß § 177 einzumahnen. Nach § 175 Abs. 2 leg. cit. wird die Mahnung durch die Zustellung eines Mahnschreibens vollzogen, in dem der Abgabepflichtige unter Hinweis auf die eingetretene Vollstreckbarkeit aufgefordert wird, die Abgabenschuld binnen zwei Wochen, von der Zustellung an gerechnet, zu bezahlen (Mahnklausel). Gemäß § 176 Abs. 1 NÖ AO 1977 ist im Falle einer Mahnung nach § 175 eine Mahngebür von 0,5 v.H. des eingemahnten Abgabenbetrages, mindestens jedoch S 15,-- und höchstens S 200,-- zu entrichten. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle wird die Mahngebühr bei Zustellung des Mahnschreibens mit der Zustellung, bei Einziehung des Abgabenbetrages durch Postauftrag mit der Vorweisung des Postauftrages fällig.
Der Säumniszuschlag und die Mahngebühr zählen gemäß § 2 Abs. 2 lit. d NÖ AO 1977 zu den Nebengebühren der Abgaben und sind damit gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit. in ihrer Eigenschaft als Nebenansprüche Abgaben im Sinne dieses Gesetzes.
Gemäß § 3 Abs. 1 NÖ AO 1977 entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den die Abgabenvorschrift die Abgabepflicht knüpft.
2.2. Gegenstand der erstinstanzlichen Abgabenbescheide vom 5. Oktober 1990 ist je eine Abgabenvorschreibung, die sich auf die Verwirklichung des Abgabentatbestandes der (spätestens im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorgelegenen) Säumnis bei der Entrichtung einer fälligen Abgabenschuldigkeit gründet. Entscheidend für den Abgabentatbestand ist - auch wenn sich im förmlich als "Begründung" bezeichneten Teil der erstinstanzlichen Bescheide nichts über den Zeitpunkt der Fälligkeit des Aufschließungsbeitrages hinsichtlich des Teilbetrages für den Gehsteig findet - der vom Bürgermeister in der Abgaben-Mahnung, die sich auf demselben Formular wie der Abgabenbescheid befindet, ausgewiesene Fälligkeitstag vom 15. August 1989 für den Abgabenhauptanspruch. Was die Rechtswirkungen der erstinstanzlichen Bescheide anlangt, so wurde der darin verhängte Säumniszuschlag selbst gemäß § 168 NÖ AO 1977 im Zeitpunkt des Eintrittes der Verpflichtung zu seiner Entrichtung (gemäß § 165 Abs. 1 leg. cit. mit dem Ende des angenommenen Fälligkeitstages des Aufschließungsbeitrages), die Mahngebühr gemäß § 176 Abs. 1 leg. cit. mit Zustellung des Mahnschreibens fällig.
Vor dem Hintergrund des § 3 Abs. 1 NÖ AO 1977 betreffend die Entstehung des Abgabenanspruches und der zuletzt genannten Rechtsfolgen der erstinstanzlichen Abgabenvorschreibungen betrifft nun die Feststellung in der Begründung des Berufungsbescheides, der Gehsteig sei am 1. Oktober 1992 durch Auftragung einer Bodenmarkierung geschaffen worden - entgegen der Rechtsauffassung der belangten Gemeindeaufsichtsbehörde - kein bloßes Begründungselement der Abgabenvorschreibung dieser Nebengebühren, sondern berührt den Abgabenanspruch und damit den Gegenstand des bescheidmäßigen Abspruches selbst. Geht die Berufungsbehörde von einer (erst am 1. Oktober 1992 eingetretenen) Fälligkeit des Hauptanspruches aus, dann hätte sie den Spruch der erstinstanzlichen Bescheide, der von einer Fälligkeit der Hauptschuld mit 15. August 1989 und deren Nichtentrichtung zu diesem Zeitpunkt ausgeht, nicht aufrechterhalten dürfen. Die zum Inhalt der die Berufung abweisenden Berufungsentscheidung gewordene erstinstanzliche Nebengebührenvorschreibung findet in der Begründung des Berufungsbescheides keine Deckung. Auch hätte die diesen neuen Abgabentatbestand betreffende Abgabenvorschreibung nur von der Abgabenbehörde 1. Instanz erlassen werden dürfen.
Dadurch, daß die belangte Gemeindeaufsichtsbehörde den Berufungsbescheid nicht behoben hat, belastete sie ihren vor dem Verwaltungsgerichtshof in Beschwerde gezogenen Bescheid selbst mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der angefochtene Bescheid war somit schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.3. Bemerkt wird noch, daß sowohl die erstinstanzlichen Bescheide als auch der Berufungsbescheid des Gemeinderates vom Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde gefertigt sind.
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Stempelgebührenersatz war in der Höhe von dreimal S 120,-- für die Beschwerde und S 90,-- für den angefochtenen Bescheid in einfacher Ausfertigung zuzusprechen; das diesbezügliche Mehrbegehren war abzuweisen.
2.5. Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/2/513).
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