Normen
EStG 1972 §3 Z5 litb;
EStG 1972 §4 Abs4 Z5 litb;
EStG §3 Abs1 Z3 litc;
EStG §4 Abs4 Z5 litb;
NBG §69 Abs1 Z4;
EStG 1972 §3 Z5 litb;
EStG 1972 §4 Abs4 Z5 litb;
EStG §3 Abs1 Z3 litc;
EStG §4 Abs4 Z5 litb;
NBG §69 Abs1 Z4;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Begründung
Die Mitbeteiligte ist auf dem Gebiet der psychologischen Beratung selbständig tätig. In den Beilagen zu den Einkommensteuererklärungen 1988 und 1989 führte sie unter der Bezeichnung "Forschungsprojekt "Teamsupervision" österreichische Nationalbank" Bezüge (1988 S 268.000,--, 1989 S 132.000,--) an; zu diesen Bezügen führte sie sodann in den genannten Beilagen jeweils aus: "Für die Bezüge aus öffentlichen Mitteln zur unmittelbaren Förderung der Wissenschaft wird Steuerfreiheit gem. § 3 Zi 5 EStG" (bzw. in der Beilage für 1989: "§ 3 (1) Zi 3 EStG") "beantragt."
Das Finanzamt erließ den Abgabenerklärungen entsprechende Einkommensteuerbescheide für 1988 und 1989, in denen die in Rede stehenden Bezüge nicht angesetzt wurden. In der Folge forderte das Finanzamt die Mitbeteiligte auf, zum Zwecke der Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit den Vertrag des Forschungsprojektes "Teamsupervision" vorzulegen.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 1991 legte die Mitbeteiligte sodann Unterlagen vor; dieses Schreiben hat folgenden Inhalt:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
anbei überreichen wir die Bewilligung des Forschungsprojektes Jubiläumsfonds Nr. 3121 sowie die dazugehörigen Merkblätter.
Das Forschungsprojekt wurde von Frau Dr. A durchgeführt. Das Ergebnis des Forschungsprojekts war die wissenschaftliche Arbeit "Teamcoaching, Supervisionen, Institutionen" von F/B und kann beim Fonds der Österreichischen Nationalbank jederzeit angefordert werden. Die Arbeit hat einen Umfang von ca. 200 Seiten.
Die Mittel der Österreichischen Nationalbank wurden zur unmittelbaren Förderung der Wissenschaft bzw. zur Schaffung der fachlichen Voraussetzungen für wissenschaftliche Tätigkeit geleistet.
Die Forschungsarbeit wurde in keiner Weise veröffentlicht oder sonst wissenschaftlich verwertet (Voraussetzung für die Steuerbefreiung gemäß § 3 EStR 1984, Abschn. 8, Abs. 3).
Für weitere Fragen stehen wir jederzeit gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen"
Mit Bescheiden vom 29. April 1992 nahm das Finanzamt die Verfahren betreffend Einkommensteuer 1988 und 1989 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ zugleich geänderte Einkommensteuerbescheide, in denen die in Rede stehenden Bezüge als steuerpflichtig erfaßt wurden. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Vorhalteverfahren habe neue Tatsachen hervorgebracht; die gegenständlichen Förderungsmittel des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank fielen nicht unter die Befreiungsbestimmung des § 3 Z. 5 EStG 1972 bzw. § 3 Abs. 1 Z. 3 EStG 1988, weil es sich hiebei weder um öffentliche Mittel, noch um Mittel einer öffentlichen Stiftung oder einer Institution im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 5 EStG handle. Letzteres ergebe sich daraus, daß der Fonds mangels eigener Rechtspersönlichkeit keine juristische Person gemäß § 4 Abs. 4 Z. 5 lit. d EStG 1988 sein könne und auch nicht als durch Bundesgesetzes errichteter Fonds im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 5 lit. b leg. cit. anzusehen sei. Unter Bedachtnahme auf den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sei daher die Wiederaufnahme der Verfahren zu verfügen gewesen.
Gegen die vorgenannten Bescheide legte die Mitbeteiligte Berufung ein. In dieser führte sie zur Wiederaufnahme der Verfahren aus, es seien im Vorhalteverfahren keine neuen Tatsachen oder Beweismittel bekannt geworden, die zu einer anderen Würdigung des berufungsgegenständlichen Sachverhaltes hätten führen können. Das Finanzamt habe in der Bescheidbegründung nicht angeführt, welche der im Vorhalteverfahren ermittelten Informationen Tatsachen gewesen seien und welche die rechtliche Würdigung betroffen hätten. Das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme des Verfahrens diene nicht dazu, Fehler in der rechtliche Würdigung nachträglich zu korrigieren.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung Folge und hob die angefochtenen Bescheide auf. Die Erläuterungen in den Beilagen zu den Einkommensteuererklärungen 1988 und 1989 stellten dar, daß die Bezüge im Zusammenhang mit einem Forschungsprojekt der Oesterreichischen Nationalbank stünden. Das nach Erlassung der Bescheide durchgeführte Ermittlungsverfahren habe zu keinen neuen Tatsachen geführt, auf die sich eine Wiederaufnahme der Verfahren stützen könnte.
Gegen diesen Bescheid erhob der Präsident der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gemäß § 292 BAO Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, die Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Z. 5 lit. b EStG 1972 sind Bezüge oder Beihilfen aus öffentlichen Mitteln, aus Mitteln einer öffentlichen Stiftung oder aus Mitteln einer im § 4 Abs. 4 Z. 5 genannten Institution, sofern hiedurch Wissenschaft oder Forschung unmittelbar gefördert werden, von der Einkommensteuer befreit. Das EStG 1988 enthält eine entsprechende Steuerbefreiung in § 3 Abs. 1 Z. 3 lit. c.
Mit Erkenntnis vom 1. März 1983, 82/14/0303, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 letzter Satz VwGG verwiesen wird, hat der Verwaltungsgerichtshof in bezug auf Honorare, die die Oesterreichische Nationalbank aus Mitteln ihres "Jubiläumsfonds" für ein Forschungsprojekt ausgezahlt hat, ausgesprochen, daß sie nicht als öffentliche Mittel im Sinn des § 3 Z. 5 EStG 1972 angesehen werden können. Dies gilt gleichermaßen hinsichtlich der entsprechenden Befreiungsbestimmung des EStG 1988. Die Mitbeteiligte bringt vor, beim Jubiläumsfonds handle es sich um einen durch Bundesgesetz "geführten Fonds", ein solcher Fonds sei den durch Bundesgesetz errichteten Fonds im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 5 lit. b EStG 1972 bzw. den durch Bundes- oder Landesgesetz errichteten Fonds im Sinne des § 4 Abs. 4 Z. 5 lit. b EStG 1988 gleichzuhalten. In einem im Verwaltungsakt befindlichen Schreiben der Oesterreichischen Nationalbank wird als gesetzliche Grundlage für die Führung des Fonds § 69 Abs. 1 des Nationalbankgesetzes 1984 angeführt. Demnach ist der Jubiläumsfonds ein von der Bank errichteter Fonds zur Förderung der Forschungs- und Lehraufgaben der Wissenschaft (§ 69 Abs. 1 Z. 4 NationalbankG 1984). Demgegenüber stellt der klare Wortlaut des § 4 Abs. 4 Z. 5 lit. b EStG 1972 und 1988 auf Fonds ab, deren Errichtung durch ein Gesetz erfolgt.
Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme der Verfahren von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Der beschwerdeführende Präsident bekämpft die Berufungsentscheidung betreffend Wiederaufnahme der Verfahren im wesentlichen mit dem Vorbringen, die in den Beilagen zu den Einkommensteuererklärungen verwendete Formulierung habe nicht erkennen lassen, wer tatsächlich die Stelle gewesen sei, welche die Bezüge ausgezahlt habe.
Ob aus den Beilagen der Einkommensteuererklärungen hervorgeht, daß nicht Mittel einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft, sondern Mittel der Nationalbank zu den in Rede stehenden Bezügen geführt haben, ist eine Tatfrage. Der angefochtene Bescheid enthält keine schlüssige Darlegung, aus welchen Gründen die belangte Behörde angenommen hat, die in den genannten Beilagen gewählte Formulierung lasse erkennen, daß ein Forschungsprojekt der Nationalbank vorliege und sohin Mittel der Nationalbank Verwendung gefunden hätten. Er geht nicht darauf ein, ob das Finanzamt die Formulierung nicht auch dahingehend verstanden haben konnte, daß die Nationalbank Objekt einer - von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft finanzierten - Studie gewesen sei.
Die belangte Behörde hat sohin Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Auf die das Ermessen betreffenden Ausführungen in der Beschwerde und der Gegenschrift war nicht einzugehen, weil der angefochtene Bescheid die Entscheidung des Finanzamtes wegen des Fehlens von neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismitteln aufgehoben hat und somit keine Ermessensentscheidung enthält.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)