VwGH 93/12/0097

VwGH93/12/009718.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Unterer, über die Beschwerde der C in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Jänner 1993, Zl. 13-368/I Za 82/19-1993, betreffend Abgeltung einer Dauermehrdienstleistung nach § 61 GG 1956, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §39;
LDG 1984 §22 Abs1;
LDG 1984 §22 Abs3 Z2;
BDG 1979 §39;
LDG 1984 §22 Abs1;
LDG 1984 §22 Abs3 Z2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin steht als Hauptschullehrerin in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Steiermark; ihre Dienststelle ist die Hauptschule A.

Mit Beginn des Schuljahres 1991/92 wurde nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin der "Schulverbund Graz-West" eingerichtet, der aus einer Kombination von AHS und Pflichtschulen besteht. Die Beschwerdeführerin unterrichtet seitdem im Rahmen dieses Schulverbundes am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium K; diese Schule wird vom Bund verwaltet.

Erstmals mit Schreiben vom 11. Februar 1992, dann mit Schreiben vom 20. Mai 1992 verbunden mit dem Antrag auf bescheidmäßige Erledigung, machte die Beschwerdeführerin geltend, daß für ihre Lehrverpflichtung gemäß § 22 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 2 LDG 1984 das Bundeslehrer-Lehrverpflichtungsgesetz (BLVG) maßgeblich sei und begehrte die ihr davon ausgehend gebührende Mehrdienstleistungsvergütung.

Mit Bescheid vom 6. November 1992 wurde das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 20. Mai 1992 um Abgeltung der Dauermehrdienstleistung für das Schuljahr 1991/92 im Rahmen des Schulversuches Graz-West am Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium K abgelehnt. Maßgebend hiefür war nach der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides, daß der Unterricht der Beschwerdeführerin im Rahmen des Schulverbundes Graz-West an dem BG und BRG nicht auf einer befristeten Zuweisung gemäß § 22 Abs. 1 LDG 1984 beruht habe; sie sei vielmehr dem genehmigten Schulversuchsmodell zufolge an ihrer Stammschule verblieben.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, in ihrem Fall liege zweifellos eine vorübergehende Verwendung an einer in der Verwaltung des Bundes stehenden Schule gemäß § 22 LDG 1984 vor. Durch diese Bestimmung habe der Gesetzgeber gerade für jene Fälle eine Sondernorm geschaffen, in denen ein Landeslehrer, ohne daß sich an seiner dienstrechtlichen Stellung etwas ändere, an einer in der Verwaltung des Bundes stehenden Schule vorübergehend verwendet werde. Da sie an dem genannten BG und BRG unterrichte, liege nach ihrer Ansicht ein konkreter Fall des § 22 LDG 1984 vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung ohne erkennbares weiteres Ermittlungsverfahren keine Folge. Zur Begründung wird nach Darstellung des Verfahrensablaufes und der Rechtslage weiters ausgeführt, der Argumentation der Beschwerdeführerin, daß eine vorübergehende Verwendung an einer in der Verwaltung des Bundes stehenden Schule vorliege, könne nicht zugestimmt werden, denn § 22 Abs. 1 LDG 1984 bestimme ausdrücklich, daß der Landeslehrer bei Bedarf mit seiner Zustimmung, und der Freistellung von der bisherigen Unterrichtserteilung, vorübergehend u.a. einer in der Verwaltung des Bundes stehenden Schule zugewiesen werden könne. Von einer Freistellung von der bisherigen Unterrichtserteilung könne aber nicht gesprochen werden, denn die Beschwerdeführerin sei nach wie vor als Hauptschullehrerin im Rahmen des Schulversuches "Neue Mittelschule - Schulverbund Graz-West" beschäftigt. An diesem Umstand ändere auch nichts, daß sie im Rahmen dieses Schulversuches gegenwärtig an dem genannten BG und BRG dienstlich in Verwendung stehe. Eine Dienstzuweisung des Landesschulrates von der Hauptschule A an das genannte BG und BRG sei nicht erfolgt. Darüber hinaus müsse darauf hingewiesen werden, daß ein Schulversuch, auch wenn dadurch eine Zusammenarbeit von Bundesschulen und allgemeinbildenden Pflichtschulen gegeben sei, nicht eine Überstellung in den Bundesdienst zur Folge haben könne. Umgekehrt wäre auch zu bedenken, daß im Rahmen eines derartigen Schulversuches die Überstellung eines AHS-Lehrers an eine Hauptschule für diesen Lehrer eine Schlechterstellung darstellen würde, wenn die Begründung des Antrages der Beschwerdeführerin rechtlich relevant wäre. Daher sei wie im Spruch zu entscheiden und dem Antrag auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen des § 22 Abs. 1 LDG 1984 keine Folge zu geben gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der kostenpflichtige Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und kostenpflichtige Abweisung beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht darauf, daß ihr keine höhere Lehrverpflichtung abverlangt wird, als es § 22 LDG 1984 in Verbindung mit den Bestimmungen des BLVG entspreche, sowie in ihrem Recht auf die volle ihr davon ausgehende Mehrdienstleistungsvergütung nach § 61 GG 1956, durch unrichtige Anwendung ersterer Norm sowie durch Verletzung der Verfahrensbestimmungen über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

In Ausführung dieses Beschwerdepunktes bemängelt die Beschwerdeführerin im wesentlichen fehlende Feststellungen über Organisation und Rechtsform des Schulverbandes (richtig nach der Bezeichnung der belangten Behörde: Schulversuch "Neue Mittelschule" am BG und BRG K "Schulverbund Graz-West").

Als inhaltliche Rechtswidrigkeit macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde gebe den Grund für die Abweisung ihres Begehrens in Anknüpfung an die Worte "und der Freistellung von der bisherigen Unterrichtserteilung" im § 22 Abs. 1 LDG 1984 damit an, daß in ihrem Fall "von einer Freistellung von der bisherigen Unterrichtserteilung ... nicht gesprochen werden könne", denn sie sei "nach wie vor als Hauptschullehrerin im Rahmen des Schulversuches "Neue Mittelschule - Schulverbund Graz-West" beschäftigt". Dementgegen werde sie aber tatsächlich nicht "nach wie vor" als Hauptschullehrerin im Schulverband beschäftigt, sondern im Rahmen ihrer neuen Verwendung, die erst ab Beginn des Schuljahres 1991/92 und unter gänzlichem Wegfall ihrer früheren Verwendung erfolge. Falls die belangte Behörde habe zum Ausdruck bringen wollen, daß sie nach wie vor als Hauptschullehrerin verwendet werde, so treffe auch das nicht zu. Richtig sei lediglich, daß sie weiterhin einstufungsmäßig Hauptschullehrerin sei und auch weiterhin im Personalstand der Hauptschule A (Stammschule der Beschwerdeführerin) geführt werde. Die primär maßgebliche Bestimmung des § 22 Abs. 3 Z. 2 LDG 1984 knüpfe aber nicht an die Verwendung, sondern allein daran an, ob die betreffende Schule in der Verwaltung des Bundes stehe. Daran, daß das für das genannte BG und BRG zutreffe, habe jedenfalls auch der Schulverbund nichts geändert.

Diesem Vorbringen kommt hinsichtlich der Interpretation des § 22 Abs. 1 LDG 1984 aus folgenden Überlegungen Berechtigung zu:

Nach § 22 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes, BGBl. Nr. 302/1984 (LDG 1984), kann der Landeslehrer bei Bedarf mit seiner Zustimmung unter Freistellung von der bisherigen Unterrichtserteilung vorübergehend einer Dienststelle des Bundes oder der Landesverwaltung oder einer in der Verwaltung des Bundes stehenden Schule zugewiesen werden.

Die im § 22 Abs. 1 LDG 1984 im Rahmen des Abschnittes III "Verwendung des Landeslehrers" normierte personalrechtliche Maßnahme ist trotz bestehender Unterschiede mit der im § 39 BDG 1979 geregelten Dienstzuteilung vergleichbar. Entscheidend für eine solche Dienstzuteilung nach § 39 BDG 1979 bzw. auch für die Personalmaßnahme nach § 22 Abs. 1 LDG 1984 ist, daß an die Stelle der Dienstleistung an der Stammdienststelle vorübergehend eine andere Dienststelle tritt, bei der der Beamte (Landeslehrer) seine Dienstleistung zu erbringen hat. Durch den Hinweis auf die Zustimmung des Landeslehrers wird im § 22 Abs. 1 LDG 1984 nur zum Ausdruck gebracht, daß eine solche Verwendung - im Gegensatz zur Regelung nach Abs. 2 des § 22 LDG 1984 oder des § 39 BDG 1979, nach der zeitlich begrenzt eine Dienstzuteilung auch gegen den Willen des Beamten vorgenommen werden kann - nicht gegen den Willen des Landeslehrers verfügt werden darf. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher der Auffassung der belangten Behörde, eine Dienstzuweisung im Sinne des § 22 Abs. 1 LDG 1984 liege deshalb nicht vor, weil keine (ausdrückliche) Zustimmung der Beschwerdeführerin gegeben sei, schon deshalb nicht folgen, weil bei der gegebenen Sachlage vom Vorliegen der Zustimmung auszugehen ist und für diese weder nach § 22 Abs. 1 LDG 1984 noch nach einer anderen Bestimmung eine förmliche Erklärung vorgesehen ist. Welche rechtliche Bedeutung der Zustimmung an sich für die Wirksamkeit der Dienstzuweisung zukommt, kann daher dahingestellt bleiben.

Was das weitere Tatbestandserfordernis der Freistellung von der bisherigen Unterrichtserteilung, nämlich der Dienstleistung an der Hauptschule A, betrifft, besteht kein Zweifel, daß die Beschwerdeführerin zur Unterrichtserteilung nicht mehr an ihrer Stammschule eingesetzt ist. Dafür, daß die rechtliche Grundlage des Umstandes, daß die Beschwerdeführerin nicht mehr an der Hauptschule A, sondern - wofür vieles spricht - vorübergehend im Rahmen einer anderen Organisation unterrichtet, nicht in einem nach § 22 Abs. 1 LDG 1984 konkludenten Dienstauftrag zu suchen ist, daß die Beschwerdeführerin also beispielsweise eigenmächtig ihre Dienstleistung an einer anderen Schule aufgenommen hätte, gibt es keine Anzeichen. Darauf, ob die Beschwerdeführerin als Hauptschullehrerin verwendet wird oder nicht, ob aus dieser Verwendung die Möglichkeit einer Überstellung in eine andere Verwendungsgruppe folgt oder nicht bzw. ob sie - so die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift - in der Bezugsvorschreibung des Bundes aufscheint, kommt es nach § 22 Abs. 1 LDG 1984 überhaupt nicht an.

Da schon diese Überlegungen zeigen, daß die belangte Behörde von einer unrichtigen Rechtsauffassung hinsichtlich des rechtlichen Inhaltes und der Bedeutung des § 22 Abs. 1 LDG 1984 ausgegangen ist und die tatsächliche organisatorische Eingliederung der Beschwerdeführerin nicht untersucht hat, mußte der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde, ausgehend von vorstehenden Überlegungen, die tatsächliche organisatorische Stellung der Beschwerdeführerin im Rahmen des genannten Schulversuches, unbeschadet der für den Schulversuch maßgebenden Vorschriften, zu prüfen haben. Insbesondere wird daher die Frage zu klären sein, ob die Beschwerdeführerin ihre Unterrichtserteilung tatsächlich noch in die Organisation ihrer bisherigen Dienststelle oder in die Organisation des genannten BG und BRG eingegliedert zu erbringen hat oder ob ihre Dienststelle, zu der sie tatsächlich zugewiesen worden ist, der Schulversuch Graz-West selbst ist. Erst dann kann die Frage nach § 22 Abs. 3 Z. 2 LDG 1984 beurteilt werden, ob eine Verwendung der Beschwerdeführerin im Sinne der genannten gesetzlichen Bestimmung an einer in der Verwaltung des Bundes stehenden Schule mit den daraus resultierenden Folgen gegeben ist.

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