VwGH 93/10/0188

VwGH93/10/018826.6.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M in U, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 22. Juli 1993, Zl. 18/103-9/1992, betreffend Übertretung des Naturschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

NatSchG Tir 1991 §43 Abs1 lita;
NatSchG Tir 1991 §6 Abs1 liti;
VStG §9 Abs1;
NatSchG Tir 1991 §43 Abs1 lita;
NatSchG Tir 1991 §6 Abs1 liti;
VStG §9 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Obmann des Vereines "XY". Mit Eingabe vom 1. Dezember 1991 teilte der Verein mit, er beabsichtige, an der B 169 in F eine Tafel mit der Aufschrift "Geplanter Ausbau B-169 ist Zerstörung von noch intaktem Lebensraum" aufzustellen. Die BH behandelte diese Mitteilung zunächst als Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach § 84 StVO. Mit Bescheid vom 11. Februar 1992 wies sie den Antrag ab. Dieser Bescheid wurde über Berufung des Vereines mit Bescheid der belangten Behörde vom 30. April 1992 ersatzlos aufgehoben. Begründend wurde die Auffassung vertreten, es handle sich bei der Tafel nicht um eine Werbeeinrichtung oder Ankündigung im Sinne des § 84 StVO; für ihre Aufstellung sei daher keine straßenrechtliche Bewilligung erforderlich. Die BH teilte dem Verein mit einem am 16. Juni 1992 zugestellten Schreiben mit, die Tafel dürfe bis zur Entscheidung im naturschutzbehördlichen Verfahren nicht aufgestellt werden. Zur weiteren Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das am heutigen Tag zur Zl. 93/10/0233 ergangene Erkenntnis verwiesen.

Einer am 27. Juli 1992 vom Gendarmerieposten S. wegen Übertretung der Straßenverkehrsordnung an die BH erstatteten Anzeige zufolge hätten unbekannte Personen ca. 10 m neben der B 169 auf dem Grundstück des F.D. eine Tafel mit der oben wiedergegebenen Aufschrift aufgestellt. Der Beschwerdeführer wurde von der BH zur Rechtfertigung betreffend den Vorwurf, durch Anbringung der erwähnten Tafel ohne Bewilligung eine Übertretung nach dem Naturschutzgesetz begangen zu haben, aufgefordert.

Der Beschwerdeführer legte dar, die Tafel sei von der "XY" aufgestellt worden, deren Obmann er sei; es handle sich jedoch nicht um eine Werbeeinrichtung.

Mit Straferkenntnis der BH vom 6. Oktober 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als verantwortliches Organ (Obmann der XY) zu verantworten, daß Mitte Juli 1992 außerhalb geschlossener Ortschaften im Gemeindegebiet F. ca. 10 m neben der Zillertalstraße (B 169) auf dem Grundstück des F. D., Bereich Freibad Zillertal, eine Werbeeinrichtung (Hinweistafel) im Ausmaß von 2,5 m x 1,5 m mit der Aufschrift "geplanter Ausbau der B-169 ist Zerstörung von noch intaktem Lebensraum" ohne Bewilligung angebracht wurde. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es sei im Straferkenntnis nicht davon die Rede, daß er selbst die Tafel aufgestellt hätte; es werde auch nicht behauptet, daß der Verein die Aufstellung veranlaßt hätte. Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 9 VStG sei nach ständiger Rechtsprechung, daß die Gesellschafter, Genossenschafter oder Vereinsmitglieder beschlossen hätten, einen strafrechtlichen Tatbestand zu setzen. Für derartige Beschlüsse sei der Obmann verantwortlich. Er sei hingegen nicht für Tätigkeiten der Mitglieder des Vereines verantwortlich, dies auch dann nicht, wenn die Tätigkeit im Interesse des Vereines sei. Der Beschwerdeführer sei auch nicht Eigentümer der Tafel oder sonst über diese verfügungsberechtigt. Im übrigen handle es sich nicht um eine Werbeeinrichtung nach dem Naturschutzgesetz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab, wobei sie den Spruch des Straferkenntnisses neu formulierte. Danach erkannte sie den Beschwerdeführer schuldig, er habe es als Obmann des Vereines "XY" mit dem Sitz in H und somit als im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ zu verantworten, daß durch diesen Verein vom 15. Juli 1992 bis 18. Juli 1992 außerhalb von geschlossenen Ortschaften im Gemeindegebiet von F ca. 10 m neben der B 169 auf dem Grundstück des F.D., Bereich Freibad Zillertal, eine Hinweistafel im Ausmaß von 2,5 m x 1,3 m mit der Aufschrift "Geplanter Ausbau der B-169 ist Zerstörung von noch intaktem Lebensraum", ohne naturschutzrechtliche Bewilligung angebracht wurde.

Begründend wird dargelegt, der Beschwerdeführer habe im Schriftsatz vom 31. August 1992 eingestanden, daß die beschriebene Tafel vom Verein "XY", deren Obmann er sei, aufgestellt wurde. Der Standort der Tafel befinde sich außerhalb einer geschlossenen Ortschaft; es handle sich um eine Werbeeinrichtung im Sinne des Naturschutzgesetzes. Durch ihre Aufstellung ohne Bewilligung sei daher die Verwaltungsübertretung nach § 43 Abs. 1 lit. a des Tiroler Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 29/1991 (NSchG), verwirklicht. Den Beschwerdeführer als Obmann des Vereins treffe die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach § 9 Abs. 1 VStG.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 6 Abs. 1 lit. i erster Halbsatz NSchG bedarf die Errichtung, Aufstellung, Anbringung und Änderung von Werbeeinrichtungen außerhalb geschlossener Ortschaften einer Bewilligung.

Nach § 43 Abs. 1 lit. a NSchG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer ein nach den §§ 6, 7, 8, 9 und 26 Abs. 2 bewilligungspflichtiges Vorhaben ohne Bewilligung ausführt.

Im Beschwerdeverfahren ist nicht mehr strittig, daß die angebrachte Tafel unter den Begriff der "Werbeeinrichtung" im Sinne des § 6 Abs. 1 lit. i NSchG fällt (vgl. hiezu die Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 3 leg. cit.) und es sich bei ihrer Aufstellung somit um ein bewilligungspflichtiges Vorhaben im Sinne des § 43 Abs. 1 lit. a iVm § 6 Abs. 1 lit. i NSchG handelte. Ebensowenig ist strittig, daß im Zeitpunkt der Anbringung der Tafel eine naturschutzbehördliche Bewilligung nicht vorlag.

Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde habe nicht überprüft, ob dem Aufstellen der Tafel ein Vereinsbeschluß dahingehend zugrunde liege, daß die Tafel vor dem Vorliegen einer naturschutzbehördlichen Bewilligung aufgestellt werden solle. Ein solcher Beschluß, einen strafbaren Tatbestand zu setzen, wäre Voraussetzung für eine Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers nach § 9 VStG. Die belangte Behörde sei auch nicht auf das Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen, er sei nicht Eigentümer der Tafel und auch sonst nicht verfügungsberechtigt.

Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß er das zur Vertretung des Vereines nach außen berufene Organ ist. Voraussetzung dafür, ihn als strafrechtlich Verantwortlichen nach § 9 Abs. 1 VStG heranzuziehen, ist zunächst, daß die strafbare Handlung der juristischen Person zuzurechnen wäre; dies wäre dann der Fall, wenn die Behörden die Begehung der Tat durch den Verein (also dessen Organe oder Beauftragte) als erwiesen annehmen könnten. Für eigenmächtige Handlungen Vereinsangehöriger wäre der Beschwerdeführer nicht verantwortlich (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 26. April 1990, Zlen. 90/06/0020, 0021). Im Beschwerdefall durfte die belangte Behörde ohne Rechtswidrigkeit die Begehung der Tat "durch den Verein" (dessen Organe oder Beauftragte) annehmen: Der Beschwerdeführer hat in einer durch seinen Rechtsanwalt nach dem Vorhalt des konkreten, die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers umfassenden Vorwurfes der strafbaren Handlung verfaßten Stellungnahme ausdrücklich eingeräumt, "der Verein" habe die Tafel aufgestellt. Dieser Sachverhaltsvortrag war zwar nicht durch Nennung der natürlichen Personen, die die Aufstellung der Tafel vornahmen oder veranlaßten, konkretisiert; dennoch begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde ihre Auffassung, die strafbare Handlung sei dem Verein zuzurechnen, auf die Äußerung des Beschwerdeführers, "der Verein" habe die Tafel aufgestellt, gründete. Diese Äußerung konnte im vorliegenden Fall insbesondere deshalb nicht anders als in Richtung des Zugeständnisses eines Handelns von Organen oder Beauftragten des Vereines aufgefaßt werden, weil der Beschwerdeführer auch in der Folge - und selbst in der Beschwerde - keine konkrete Behauptung des Inhaltes aufstellte, die Tafel sei von Dritten oder eigenmächtig von Vereinsmitgliedern aufgestellt worden. Vielmehr stellen sich seine Darlegungen in Berufung und Beschwerde lediglich als Rüge von Feststellungsmängeln dar, die keine konkrete Gegenbehauptung bzw. nicht einmal die konkrete Behauptung, die Organe oder Beauftragten des Vereines hätten mit der Aufstellung der Tafeln nichts zu tun gehabt, enthalten.

Die Auffassung, eine Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers nach § 9 Abs. 1 VStG könne nur auf der Grundlage einer formellen Beschlußfassung der Vereinsorgane in Richtung des strafbaren Verhaltens in Betracht kommen, ist nicht zu teilen; entscheidend für die Verantwortlichkeit des Organs nach § 9 Abs. 1 VStG ist im vorliegenden Zusammenhang lediglich die Begehung der strafbaren Handlung im Rahmen einer Tätigkeit für die juristische Person.

Der strafbare Tatbestand knüpft auch nicht an Eigentum bzw. Verfügungsberechtigung die Werbeeinrichtung betreffend an; das entsprechende Vorbringen des Beschwerdeführers ist daher ebenfalls nicht zielführend.

Die Beschwerde macht weiters geltend, die belangte Behörde habe das Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes nicht geprüft; es sei nicht einmal für einen Fachmann erkennbar, "daß in der Tiroler Landesregierung je nach Abteilung der Begriff der Werbeeinrichtung verschieden interpretiert wird". Damit beruft sich die Beschwerde der Sache nach auf den Schuldausschließungsgrund des Irrtums über die Rechtswidrigkeit des Verhaltens. Auch damit ist die Beschwerde nicht im Recht.

Nach § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

Mit den oben wiedergegebenen Darlegungen nimmt der Beschwerdeführer offenbar darauf Bezug, daß die strittige Tafel nicht als Werbeeinrichtung im Sinne des § 84 StVO qualifiziert worden war. Damit ist für den Beschwerdeführer schon deshalb nichts zu gewinnen, weil dem Verein schon vor der Aufstellung der Tafel von der BH mitgeteilt worden war, daß diese - ungeachtet der Entbehrlichkeit einer straßenrechtlichen Bewilligung - erst nach Erteilung einer naturschutzbehördlichen Bewilligung zulässig sei. Daß es sich bei der Tafel um eine Werbeeinrichtung im Sinne des Bewilligungstatbestandes handelte, konnte im übrigen angesichts des klaren Wortlautes der Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 3 NSchG nicht zweifelhaft sein. Danach ist Werbeeinrichtung eine im Landschaftsbild in Erscheinung tretende Einrichtung, die der Anpreisung oder der Ankündigung dient oder sonst auf etwas hinweisen oder die Aufmerksamkeit erregen soll. Es kann somit nicht davon die Rede sein, daß - im Hinblick auf Unklarheiten bei der Auslegung des Begriffes der Werbeeinrichtung nach dem NSchG - eine allfällige Unkenntnis von der Bewilligungspflicht als unverschuldet angesehen werden könnte.

Soweit die Beschwerde - mit näherer Begründung - geltend macht, von einer schützenswerten Landschaft im Bereich des Standortes der Tafel könne nicht die Rede sein, verkennt sie, daß die Schutzwürdigkeit der Landschaft nicht zum Tatbestand der Übertretung nach § 43 Abs. 1 lit. a iVm § 6 Abs. 1 lit. i NSchG gehört. Es kommt nicht auf die "Bewilligungsfähigkeit" des Vorhabens an, sondern darauf, ob ein bewilligungspflichtiges Vorhaben ohne (im Zeitpunkt der Errichtung vorliegende) Bewilligung verwirklicht wurde.

Der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde trete mit dem Schreiben vom 13. Jänner 1993 "als Anklagebehörde in Erscheinung, da sie den Vorwurf gegen den Beschwerdeführer abändert", ist nicht nachvollziehbar. Mit dem erwähnten Schreiben wurde der gegenüber dem Beschwerdeführer erhobene Vorwurf im Sinne des oben wiedergegebenen Spruches des sodann erlassenen Berufungsbescheides konkretisiert. Eine Auswechslung der Tat liegt nicht vor; die ihr durch § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 VStG gesetzten Grenzen hat die belangte Behörde nicht überschritten. Inwiefern die belangte Behörde mit dem erwähnten Vorhalt "als Anklagebehörde in Erscheinung getreten" wäre und dadurch eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides herbeigeführt hätte, ist nicht ersichtlich.

Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt nicht vor; die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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