VwGH 93/10/0054

VwGH93/10/005426.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 26. Jänner 1993, Zl. 18.322/03-IA8/93, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §68 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
AVG §68 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 9. September 1985 hatte H.R. die Erteilung einer Rodungsbewilligung für das Grundstück Nr. 172/1 beantragt. Einem Auszug aus dem Grundstücksverzeichnis des Vermessungsamtes W. vom 24. September 1985 zufolge umfaßt das Grundstück eine Fläche von 7757 m2.

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 5. August 1986 hatte die belangte Behörde den Antrag auf Bewilligung der Rodung des genannten Grundstückes abgewiesen. Begründend war die Auffassung vertreten worden, das Interesse an der Walderhaltung überwiege das geltend gemachte Interesse am Siedlungswesen. In den Begründungen der im Instanzenzug erlassenen Bescheide war wiederholt auf das Ausmaß der zur Rodung beantragten Fläche von 7757 m2 hingewiesen worden.

Am 4. Juni 1992 stellte der Beschwerdeführer - als nunmehriger Eigentümer - den Antrag, "die Forstbehörde wolle den teilweisen Rodungsantrag aus öffentlichem Interesse des Siedlungswesens auf den Parzellen 172/1, 172/2, 172/3, in dem für den Wohnbau unbedingt notwendigen Ausmaß mit der Auflage bewilligen, daß eine Ersatzaufforstung ... in dem aus der Anlage ersichtlichen Umfang unverzüglich zur Rodung durchgeführt werde."

Die BH hielt dem Beschwerdeführer vor, die Grundstücke Nr. 172/2 und 172/3 seien nicht Wald. Soweit sich der Rodungsantrag auf die Parzelle Nr. 172/1 beziehe, werde auf § 68 Abs. 1 AVG hingewiesen.

Der Beschwerdeführer schränkte mit Schriftsatz vom 15. Juli 1992 seinen Rodungsantrag auf das Grundstück Nr. 172/1 ein. Er führte aus, der Bescheid, mit dem der Rodungsantrag für dieses Grundstück seinerzeit abgewiesen worden sei, sei nicht ihm gegenüber erlassen worden. Darüber hinaus unterscheide sich sein Rodungsantrag vom abgewiesenen Antrag dadurch, daß die Rodung einer geringeren Fläche begehrt und eine Ersatzaufforstung angeboten werde. Er stelle daher den Antrag, "die Forstbehörde wolle den teilweisen Rodungsantrag aus öffentlichem Interesse des Siedlungswesens auf der Parzelle Nr. 172/1 in dem für den Wohnbau unbedingt notwendigen Ausmaß unter der angebotenen Ersatzaufforstung bewilligen".

Die BH trug dem Beschwerdeführer am 12. August 1992 unter anderem auf, das genaue Ausmaß der zur Rodung beantragten Fläche anzugeben.

Der Beschwerdeführer legte mit Schreiben vom 27. August 1992 dar, "das genaue Ausmaß der zur Rodung beantragten Fläche auf Parzelle Nr. 172/1 beträgt maximal 7000 m2; dies deshalb, weil anläßlich der Baumaßnahmen eine geringere Rodung tatsächlich notwendig werden könnte."

Mit Schreiben vom 8. September 1992 trug die BH dem Beschwerdeführer unter anderem auf, in die eingereichten Lageskizzen die Rodefläche derart einzuzeichnen, daß ihre eindeutige Feststellung in der Natur möglich sei und das genaue, mit den Lageskizzen übereinstimmende Ausmaß der Rodefläche anzugeben.

Der Beschwerdeführer erklärte daraufhin mit Schreiben vom 24. September 1992, das genaue Ausmaß der zur Rodung beantragten Fläche auf der Parzelle Nr. 172/1 betrage 7757 m2.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 1992 wies die BH den Rodungsantrag des Beschwerdeführers wegen entschiedener Sache zurück. Begründend wurde auf die dingliche Wirkung des Bescheides vom 5. August 1986 verwiesen; es liege ein identer Antrag vor, weil sowohl die Rodefläche als auch der Rodungszweck übereinstimmten. Das Anbot einer Ersatzaufforstung sei kein wesentliches Sachverhaltselement für die Entscheidung über den Antrag auf Rodungsbewilligung.

Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid nicht Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, er habe niemals in einer Äußerung oder in einem Antrag das genaue Rodungsausmaß für die Parzelle Nr. 172/1 mit 7757 m2 angegeben; er habe vielmehr immer darauf hingewiesen, daß "das Ausmaß der Rodung nur jene Fläche betragen muß, die unbedingt nötig ist, um das geplante Bauvorhaben realisieren zu können."

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die - von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen der §§ 69 bis 71 abgesehen - die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Ansuchen, die offenbar die Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, sind auch dann wegen "res iudicata" zurückzuweisen, wenn das Begehren nicht ausdrücklich auf Aufrollung der Sache lautet. Die Rechtskraft eines Bescheides erfaßt jedoch nicht einen Sachverhalt, der sich nach Erlassung des Bescheides geändert hat, es sei denn, daß sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid abgewiesenen Begehren nur dadurch unterscheidet, daß es in für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unwesentlichen Nebenumständen modifiziert worden ist. Dazu vertritt der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung die Auffassung, daß der Begriff "Identität der Sache" in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise beurteilt werden muß (vgl. das Erkenntnis vom 11. Dezember 1984, Slg. Nr. 11610/A, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Im Beschwerdefall war für die seinerzeitige Verweigerung einer Rodungsbewilligung das Überwiegen des Interesses an der Walderhaltung gegenüber jenem am Siedlungwesen entscheidend.

Die Beschwerde zeigt nicht auf, daß unter diesem maßgeblichen Gesichtspunkt sich das neue Begehren vom seinerzeit abgewiesenen derart unterscheide - oder sonst in den maßgeblichen Umständen eine solche Änderung eingetreten wäre -, daß der Sachverhalt von der Rechtskraft des seinerzeitigen Bescheides nicht umfaßt wäre.

Unter der hier gegebenen Voraussetzung der neuerlichen Geltendmachung des in der seinerzeitigen Entscheidung verneinten öffentlichen Interesses ist von der dinglichen Gebundenheit der Versagung einer Rodungsbewilligung auszugehen (vgl. ebenfalls das Erkenntnis vom 11. Dezember 1984, Slg. 11610/A). Es ist somit im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung, daß der Bescheid vom 5. September 1986 nicht gegenüber dem Beschwerdeführer, sondern gegenüber dessen Rechtsvorgängerin erlassen wurde. Ebensowenig berührt das Angebot einer Ersatzaufforstung die Identität der Sache (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 10. Oktober 1988, Zl. 87/10/0200).

Die Darlegungen der Beschwerde, die im Ergebnis geltend machen, es liege keine Identität der Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, weil sich der nunmehrige Rodungsantrag vom seinerzeitigen durch die "Einschränkung auf das für das Projekt notwendige Ausmaß" unterscheide, sind in mehrfacher Weise verfehlt: Zunächst ist darauf zu verweisen, daß die Forstbehörde die entsprechende Äußerung des Beschwerdeführers zu Recht als unbestimmt aufgefaßt und diesen mehrfach zur Präzisierung seines Antrages aufgefordert hat. Im Hinblick auf die im Sachverhalt wiedergegebenen Erklärungen des Beschwerdeführers - insbesondere jene vom 24. September 1992, wonach "das genaue Ausmaß der zur Rodung beantragten Fläche auf Parzelle Nr. 172/1 7757 m2 beträgt", hatte die Behörde davon auszugehen, daß der Antrag des Beschwerdeführers - ebenso wie der seinerzeitige, die Rodungsbewilligung versagende Bescheid - das gesamte Grundstück betraf.

Die oben wiedergegebenen Beschwerdeausführungen entfernen sich somit völlig vom Akteninhalt. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß es sich unter dem an einer rechtlichen Betrachtungsweise zu orientierenden Gesichtspunkt des maßgebenden Sachverhaltes selbst bei einer Herabsetzung der Rodungsfläche im allgemeinen um die Modifikation eines Nebenumstandes handelt, der für die Frage der Identität der Sache nicht entscheidend ist (vgl. neuerlich das Erkenntnis vom 11. Dezember 1984, Slg. 11610/A, und das Erkenntnis vom 27. September 1988, Zl. 88/10/0129). Ein Fall, in dem - im Sinne des Erkenntnisses vom 31. Mai 1978, Slg. 9574/A - ein (auch) vom Ausmaß der in Anspruch genommenen Fläche her vom seinerzeitigen Vorhaben völlig verschiedenes Projekt zu beurteilen gewesen wäre, lag hier nicht vor.

Die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ist somit nicht gegeben; die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

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