VwGH 93/09/0502

VwGH93/09/050219.10.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Fuchs und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführer Mag. Leitner und Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der H-Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des AMS Wien, Landesgeschäftsstelle, vom 19. November 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §13;
AuslBG §4 Abs6;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AuslBG §13;
AuslBG §4 Abs6;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte mit dem mit 21. Juli 1993 datierten Formular am 18. August 1993 den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den tunesischen Staatsangehörigen L. In der Rubrik für berufliche Tätigkeit war "Bäcker" angegeben. Auf dem Antragsformular finden sich mehrere handschriftliche Vermerke (offensichtlich des Bearbeiters bei der Behörde), wobei unter anderem auch eine Korrektur der beruflichen Tätigkeit von "Bäcker" auf "Bäckereiarbeiter" erfolgte.

Das zuständige Arbeitsamt wies den Antrag der beschwerdeführenden Partei mit Bescheid vom 23. August 1993 wegen bereits entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG mit der Begründung zurück, ein Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 19. Februar 1993 auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für L. als Bäckereiarbeiter sei mit Bescheid des Arbeitsamtes vom 2. März 1993 gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG abgewiesen worden. Der dagegen eingebrachten Berufung sei mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 13. Juli 1993 keine Folge gegeben worden. Nunmehr werde neuerlich der Antrag auf Beschäftigungsbewilligung für L. als Bäckereiarbeiter gestellt. Da zwischenzeitig keine maßgebende Änderung in der derzeitigen Arbeitsmarktlage eingetreten sei und auch sonst keine Änderung in den für die Entscheidung maßgebenden rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnissen, liege dieselbe Verwaltungssache vor, über die bereits einmal rechtskräftig entschieden worden sei.

In der Berufung führte die beschwerdeführende Partei aus, es entspreche den Tatsachen, daß bereits ein Antrag auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung für die Tätigkeit als Bäckereiarbeiter negativ entschieden worden sei. Der am 18. August 1993 gestellte Antrag beziehe sich aber auf die Tätigkeit als Bäcker, somit als Facharbeiter. Es sei zwischen Bäckereiarbeiter und Bäcker eine Differenzierung vorzunehmen, und es könne nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß arbeitslose Bäcker zur Verfügung stünden, die zur Vermittlung in Betracht kämen. Die Behörde hätte daher eine Überprüfung vorzunehmen gehabt und nicht ohne weiteres den Antrag zurückweisen dürfen. Da zwar eine Identität des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers vorliege, nicht aber eine Identität des beantragten Berufes, sei die Zurückweisung zu Unrecht erfolgt.

Der Berufung war eine - beglaubigt übersetzte - Bestätigung einer tunesischen Bäckerei über eine dort ausgeübte Tätigkeit des L. in den Jahren 1985 bis 1989 als Bäcker angeschlossen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. November 1993 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 68 Abs. 1 AVG keine Folge. Die belangte Behörde begründete den Bescheid im wesentlichen damit, einem Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 19. Februar 1993 auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für L. sei rechtskräftig mit Bescheid vom 13. Juli 1993 keine Folge gegeben worden. Nur einen Monat später, am 18. August 1993, habe die beschwerdeführende Partei beim Arbeitsamt neuerlich einen Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für L. als "Bäcker" gestellt. Wie bereits im vorhergehenden Antrag sei mangels entsprechender Ausbildung die berufliche Tätigkeit "im Einvernehmen mit Ihnen" auf "Bäckereiarbeiter" geändert worden. Es liege Identität der Sache vor: "identischer Arbeitgeber, identisch beantragter Ausländer, identisches Begehren, identische Behörde und identisch anzuwendende Verfahrensvorschriften". Ein rechtskräftiger Bescheid sei unanfechtbar und unwiderrufbar und entfalte die Wirkung, daß über die mit ihm erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden könne.

Zu dem im angefochtenen Bescheid herangezogenen Vorbescheid vom 13. Juli 1993 ist den vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen, daß es sich hiebei nicht um eine meritorische Berufungsentscheidung, sondern um eine - unter Aufhebung des angefochtenen Erstbescheides vom 2. März 1993 erfolgte - Zurückweisung des Antrages der beschwerdeführenden Partei auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für L. als Bäckereiarbeiter wegen bereits entschiedener Sache handelte.

Diese Entscheidung wegen entschiedener Sache vom 13. Juli 1993 beruhte wiederum auf einem im Instanzenzug ergangenen (meritorischen) Bescheid vom 28. Jänner 1993, der einen Antrag der beschwerdeführenden Partei vom 31. August 1992 auf Beschäftigungsbewilligung für L. sowohl gemäß § 4 Abs. 1 als auch § 4 Abs. 6 AuslBG abweisend erledigt hatte.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Absätzen 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben und sich das neue Parteibegehren im wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Juli 1994, 92/07/0099). Einer neuen Sachentscheidung steht die Rechtskraft eines früher in derselben Angelegenheit ergangenen Bescheides dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgeblichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1983, 83/09/0106).

Im Beschwerdefall sind die Behörde erster Instanz und ihr folgend die belangte Behörde bei der res judicata -Beurteilung vom (Zurückweisung-)Bescheid vom 13. Juli 1993 ausgegangen. Da es sich bei dieser Erledigung jedoch - im übrigen entgegen der Darstellung im erstinstanzlichen Bescheid vom 23. August 1993 - nur um eine Formalentscheidung (Zurückweisung wegen entschiedener Sache durch die Berufungsbehörde) handelte, wäre richtigerweise unter dem Gesichtspunkt des § 68 Abs. 1 AVG zur Beurteilung der Identität der Sach- und Rechtslage der rechtskräftige Bescheid vom 28. Jänner 1993 heranzuziehen gewesen, mit dem materiellrechtlich ein Abspruch über das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 4 Abs. 1 und 4 Abs. 6 AuslBG für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für L. erfolgte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Mai 1990, 90/09/0016). Zu § 4 Abs. 6 leg. cit. ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß durch die - wenn auch offensichtlich unrichtige - Zugrundelegung der für das Jahr 1992 maßgebenden Landeshöchstzahlenverordnung im Bescheid vom 28. Jänner 1993 keine Identität der Rechtslage mehr gegeben war.

Wegen der damit bei der Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG bereits grundsätzlich unterlaufenen Rechtswidrigkeit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das in der Beschwerde erstattete Vorbringen zur Identität der beruflichen Qualifikation des L. einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelmarken in Höhe von S 60,--, weil der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 5 VwGG nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen war.

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