VwGH 93/09/0231

VwGH93/09/023121.4.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der W-Gesellschaft m.b.H. in K, vertreten durch Dr. G, dieser vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Niederösterreich vom 13. April 1993, Zl. IIIe 6702 B/975 185, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AuslBG §4 Abs6 Z2 idF 1990/450;
AuslBG §4 Abs6 Z2 idF 1990/450;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die beschwerdeführende Partei stellte am 22. Jänner 1993 beim Arbeitsamt den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den rumänischen Staatsangehörigen L. Als berufliche Tätigkeit wurde im Antrag "angelernte Fachkraft für den Formenbau" angegeben, als Entlohnung brutto S 13.500,-- pro Monat.

In einer Beilage zu diesem Anbringen wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß sie L. in ihrem Werkzeugbau benötige, weil dieser durch seinen Beruf als Steinhauer sehr gute Kenntnisse in der Herstellung von Modellen und Freiformflächen habe. Zum Kundenkreis der Beschwerdeführerin zähle auch ein Schischuhproduzent. Für die Anfertigung der Formen seien laufend Modelle herzustellen und L. solle für diese Tätigkeit eingestellt und angelernt werden. Da ein Vermittlungsauftrag bisher unbeantwortet geblieben sei, sei es ein "Glücksfall", einen Menschen mit diesen Kenntnissen gefunden zu haben. Es sei beinahe unmöglich, einen Werkzeugmacher mit dieser Qualifikation zu bekommen, weil sich die Ausbildung der Facharbeiter meist auf moderne "CNC-Maschinen" beschränke. Die beschwerdeführende Partei habe bereits mehrfach Kundenanfragen ablehnen müssen, weil sie nicht in der Lage gewesen sei, die Formen herzustellen. Diese Aufträge seien dann nach Italien vergeben worden. L. sei bereits in Wien als Fliesenleger-Hilfsarbeiter beschäftitgt gewesen, habe aber dieser Tätigkeit nicht entsprechen können.

Dem Antrag war weiters eine "Bestätigung" des rumänischen Unternehmens "M" angeschlossen, in der L., Absolvent der allgemeinen Pflichtschule, nach Ausübung des Berufes eines Steinhauers in der Marmorbearbeitung "während einer Mindestzeit von 12 Monaten" und einer Überprüfung der theoretischen und praktischen Kenntnisse die Qualifizierung in diesem Beruf bestätigt wurde.

Das Arbeitsamt wies den Antrag mit Bescheid vom 1. März 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG mit der Begründung ab, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der beantragten Bewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der in § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.

In der Berufungsschrift wiederholte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen ihr Antragsvorbringen, wies neuerlich auf die Unmöglichkeit hin, Modellbauer mit Kenntnissen des Handmodellierens zu finden und es daher zielführender sei, Werkzeugbauer einzustellen und diese nach Bedarf im Modellbau weiterzubilden. L. verfüge als gelernter Steinhauer über sehr gute Kenntnisse in der Herstellung von Modellen und Freiformflächen von Hand und dies sei gerade für die Aufträge des Schischuhproduzenten dringend von Nöten. L. sei bereits im Besitze einer Arbeitsbewilligung gewesen, sei nicht neu eingereist, werde im Betrieb dringend benötigt, könne für die Art von Aufträgen, die im Unternehmen laufend zu erledigen seien, mit "Fug und Recht" als Schlüsselkraft bezeichnet werden und würde auch sehr "anständig" entlohnt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG keine Folge gegeben. Im Rahmen der Darstellung der Rechtslage stellte die belangte Behörde auch fest, die für 1993 für das Bundesland Niederösterreich mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales festgesetzte Landeshöchstzahl sei seit Jänner dieses Jahres überschritten. Im Verfahren erster Instanz habe der Unterausschuß des Vermittlungsausschusses aus arbeitsmarktpolitischen und gesamtwirtschaftlichen Erwägungen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Zu den Berufungsausführungen sei nach eingehender Prüfung der Sach- und Rechtslage festzustellen, daß es sich bei dem beantragten Ausländer bestenfalls um eine "Anlernkraft" handle. Daraus sei abzuleiten, daß für den freien Arbeitsplatz nicht unbedingt ein "gelernter Formenbauer", sondern auch eine andere Anlernkraft eingesetzt werden könnte. Der Vermittlungsauftrag beim Arbeitsamt laute jedoch eindeutig auf "Formenbauer mit abgeschlossener Lehre". Somit sei von den beim Arbeitsamt vorgemerkten Arbeitsuchenden eine höhere Qualifikation verlangt worden als von dem beantragten Ausländer. Wenn der beantragte Ausländer als Schlüsselkraft bezeichnet werde, müsse angenommen werden, daß ihm tragende Bedeutung im Betrieb zukäme. Daraus müsse geschlossen werden, daß diese Arbeitskraft auch eine der Wichtigkeit für den Betrieb entsprechende Investition wert sein müsse. Die im Antrag auf Erteilung der Beschäftigungsbewilligung angegebene Entlohnung von S 13.500,-- entspreche zwar dem kollektivvertraglichen Facharbeiterlohn, nicht aber dem kollektivvertraglichen Mindestlohn eines Formenbauers (dieser betrage S 14.512,-- monatlich brutto). Bei diesem Lohnangebot werde keine inländische Arbeitskraft zu gewinnen sein. Wenn diese Arbeitskraft zudem als Schlüsselkraft bezeichnet werde, wäre umsomehr die tragende Position durch eine entsprechende Investition in diese Arbeitskraft zu untermauern. Aufgrund der Lohnangaben könne die Berufungsbehörde "bei bestem Willen" der Argumentation, es handle sich um eine Schlüsselkraft, nicht folgen. Da somit die Voraussetzungen gemäß § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG nicht gegeben seien, hätten auch die Berufungseinwendungen keine andere Entscheidung erwirken können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht auf Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe rechtfertigt die Abweisung der Beschwerde.

§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:

"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und

  1. 1. bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
  2. 2. die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
    1. a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
    2. b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
    3. c) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
    4. d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
  1. 3. öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
  2. 4. die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."

    Die belangte Behörde ist - wie bereits das Arbeitsamt - davon ausgegangen, daß die Landeshöchstzahl überschritten ist und daß der Vermittlungsausschuß der beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht zugestimmt hat. Die beschwerdeführende Partei hat diese Annahme der Anwendungsvoraussetzungen für das erschwerte Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG nicht bestritten. Mit Rücksicht darauf wäre es an ihr gelegen gewesen, Gründe vorzubringen, die für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG hätten maßgebend sein können (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1993, Zl. 92/09/0302, und die dort angeführte Judikatur).

    Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 20. Oktober 1988, Slg. Nr. 12.798/A, vgl. ferner die Erkenntnisse vom 18. März 1993, 92/09/0243, vom 6. September 1993, 93/09/0129 und vom 21. Oktober 1993, 93/09/0157) liegt ein besonders wichtiger Grund im Sinne der Bestimmung des § 4 Abs. 6 AuslBG nur bei Bestehen eines QUALIFIZIERTEN Interesses an der Beschäftigung des Ausländers vor, das über das betriebsbezogene wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Befriedigung eines dringenden Arbeitskräftebedarfs hinausgehen muß. Der von der beschwerdeführenden Partei im Hinblick auf die betriebliche Situation dargestellte dringende Bedarf an der Beschäftigung des L. (Bedarf an dessen Einstellung, um Kundenwünsche bzw. Aufträge erfüllen zu können) stellt nur insoweit unbeachtliches eigenwirtschaftliches Interesse dar, woran auch der Hinweis auf eine angebliche "Schlüsselkraftposition" nichts ändert (vgl. hiezu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. März 1993, 92/09/0366, vom 22. April 1993, 92/09/0393, 0394, sowie vom 2. September 1993, 93/09/0156). Wenn die belangte Behörde auch eine Schlüsselkraftstellung des L. in unzulänglicher Weise ausschließlich mit der (geringen) Höhe des dem L. gebotenen Entgelts verneint hat (siehe hiezu wiederum das Erkenntnis vom 2. September 1993, 93/09/0156), läßt das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei doch insgesamt nichts erkennen, woraus sich das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 AuslBG ableiten ließe. Das Vorbringen, L. sei eine Schlüsselkraft ZUR ERHALTUNG VON ARBEITSPLÄTZEN INLÄNDISCHER ARBEITNEHMER, wurde erstmals in der Beschwerde erstattet, sodaß es sich als gemäß § 41 VwGG unzulässige Neuerung darstellt (zum Schlüsselkraftbegriff, der Anlernkräfte grundsätzlich nicht umfaßt, siehe im übrigen das hg. Erkenntnis vom 23. März 1994, 93/09/0185).

    Mit Rücksicht auf die somit im Ergebnis begründete Bestätigung der Abweisung des Antrages der beschwerdeführenden Partei durch die belangte Behörde gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG erübrigte es sich, weiter auf das - allenfalls im Rahmen einer Abweisung nach § 4 Abs. 1 AuslBG relevante - Beschwerdevorbringen einzugehen, wonach die belangte Behörde nicht dargetan habe, wer tatsächlich im Rahmen der von der Behörde durchzuführenden Arbeitsvermittlung für den Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden sei.

    Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers

    BGBl. Nr. 104/1991.

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