VwGH 93/09/0001

VwGH93/09/000116.11.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Fuchs und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der L in X, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Y, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer an Allgemeinbildenden Pflichtschulen vom 17. November 1992, Zl. VII-897/14-1992, betreffend Disziplinarstrafe (Geldbuße und Verlust der schulfesten Stelle) nach dem LDG 1984, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §94 Abs1 impl;
B-VG Art14 Abs4 lita;
LDG 1984 §100;
LDG 1984 §72 Abs1 Z1;
LDG 1984 §72 Abs1 Z2;
LDG 1984 §72 Abs1;
LDG 1984 §78 Abs5;
LDG 1984 §92;
LDHG Bgld 1986 §6 litd;
VwRallg;
BDG 1979 §94 Abs1 impl;
B-VG Art14 Abs4 lita;
LDG 1984 §100;
LDG 1984 §72 Abs1 Z1;
LDG 1984 §72 Abs1 Z2;
LDG 1984 §72 Abs1;
LDG 1984 §78 Abs5;
LDG 1984 §92;
LDHG Bgld 1986 §6 litd;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. November 1992 wurde die Beschwerdeführerin wegen einer Dienstpflichtverletzung nach § 47 Abs. 3 des Schulunterrichtsgesetzes (SchUG) in Verbindung mit § 29 Abs. 1 des Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes (LDG 1984) (körperliche Züchtigung von Schülern) schuldig erkannt und über sie die Disziplinarstrafe der Geldbuße eines halben Monatsbezuges sowie der Verlust der schulfesten Stelle an der Volksschule X verhängt. Hingegen wurde die Beschwerdeführerin vom Vorwurf der beleidigenden Äußerung (Beschimpfung von Schülern) freigesprochen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, "nicht zu Unrecht mit einer Disziplinarstrafe belegt zu werden bzw. nicht zu Unrecht mit einer zu hohen Disziplinarstrafe bestraft zu werden bzw. nicht zu Unrecht und entgegen den gesetzlichen Voraussetzungen mit einer Sanktion für ein Disziplinarvergehen (Verlust der schulfesten Stelle) belegt zu werden, verletzt".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragte.

Mit Beschluß vom 7. September 1995 traf der Verwaltungsgerichtshof folgende Verfügung:

"Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens werden gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz VwGG und Art. 13 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes aufgefordert, sich BINNEN VIER WOCHEN ab Zustellung dieses Beschlusses schriftlich zur Frage zu äußern, ob nicht im Beschwerdefall Verjährung nach § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 vorliegt, was die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nach sich ziehen könnte.

Begründung

I. Sachverhalt

Auf Grund der Verwaltungsakten und des Beschwerdevorbringens geht der Verwaltungsgerichtshof vorläufig von folgendem Sachverhalt aus:

1. Mit dem an den Landesschulrat für Burgenland (LSR) im Dienstweg gerichteten Schreiben vom 8. Mai 1991 meldete die Schulleiterin der Volksschule X zwei Vorfälle betreffend den Verdacht der körperlichen Züchtigung von Schülern durch die Beschwerdeführerin (Vorfall vom 10. Jänner 1991 mit dem Schüler M und Vorfall vom 6. März 1991 mit den Schülern O und G) sowie einen Vorfall betreffend den Verdacht der Beschimpfung von Schülern durch die Beschwerdeführerin. Dieses Schreiben langte laut Eingangsstempel am 23. Mai 1991 beim LSR ein.

2. Mit Schreiben vom 13. September 1991 erstattete der LSR wegen dieser Vorfälle die Disziplinaranzeige bei der zuständigen Disziplinarkommission (DK).

3. Mit Bescheid vom 13. Dezember 1991 verfügte die DK deshalb die Einleitung des Disziplinarverfahrens nach § 92 LDG 1984 und beraumte gleichzeitig eine mündliche Verhandlung nach § 93 leg. cit. an (Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß).

Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin laut Rückschein am 18. Dezember 1991 zugestellt.

4. Nach der Aktenlage liegt kein Hemmungstatbestand nach § 72 Abs. 2 LDG 1984 (strafgerichtliches bzw. verwaltungsstrafrechtliches Verfahren) vor.

5. In der Folge erging der im Instanzenzug erlassene nunmehr angefochtene Bescheid vom 17. November 1992, mit dem die Beschwerdeführerin wegen einer Dienstpflichtverletzung nach § 47 Abs. 3 SchUG iVm § 29 Abs. 1 LDG 1984 (körperliche Züchtigung von Schülern) schuldig erkannt und über sie die Disziplinarstrafe der Geldbuße eines halben Monatsbezuges sowie der Verlust der schulfesten Stelle an der Volksschule X verhängt wurde. Hingegen wurde die Beschwerdeführerin vom Vorwurf der beleidigenden Äußerung (Beschimpfung von Schülern) freigesprochen.

II. Rechtsquellen

1. Im Beschwerdefall ist - da die Beschwerdeführerin als in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Burgenland stehende Volksschullehrerin zum Personenkreis nach § 1 Abs. 1 LDG 1984 gehört - dieses Gesetz anzuwenden. Die zuständigen Behörden sind im Burgenländischen Landeslehrer-Diensthoheitsgesetz festgelegt.

2.1. Die maßgebenden Rechtsvorschriften des LDG 1984 (in der im Beschwerdefall maßgebenden Stammfassung, BGBl. Nr. 302) lauten:

Verjährung

§ 72. (1) Ein Landeslehrer darf wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht

  1. 1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem die Dienstpflichtverletzung der zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufenen Behörde zur Kenntnis gelangt ist, oder
  2. 2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,

    eine Disziplinarverfügung (§ 100) erlassen oder ein Disziplinarverfahren eingeleitet (§ 92) wurde.

Disziplinaranzeige

§ 78. (1) Der Vorgesetzte hat jeden begründeten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung unverzüglich zu melden, wenn nach seiner Ansicht eine Belehrung oder Ermahnung nicht ausreicht.

(2) Die landesgesetzlich hiezu berufene Behörde hat die zur vorläufigen Klarstellung des Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen zu pflegen und bei Verdacht einer Dienstpflichtverletzung an die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens zuständige Behörde zu erstatten. Das gilt nicht,

  1. 1. wenn mit einer Belehrung oder Ermahnung des Landeslehrers das Auslangen gefunden werden kann,
  2. 2. wenn eine Disziplinarverfügung (§ 100) erlassen wird,
  3. 3. solange nach Abs. 4 vorzugehen ist oder
  4. 4. wenn nach Abs. 5 vorzugehen ist.

    ...

Einleitung

§ 92. (1) Der Vorsitzende der Disziplinarkommission hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige die Disziplinarkommission zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde im Auftrag der Disziplinarkommission durchzuführen.

(2) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen (Einleitung des Disziplinarverfahrens), so ist dieser Beschluß dem beschuldigten Landeslehrer, dem Disziplinaranwalt und der landesgesetzlich hiezu berufenen Behörde zuzustellen. Gegen die Einleitung des Disziplinarverfahrens ist kein Rechtsmittel zulässig.

...

Abgekürztes Verfahren

Disziplinarverfügung

§ 100. Hat der Landeslehrer einem Vorgesetzten oder der landesgesetzlich hiezu befugten Behörde eine Dienstpflichtverletzung gestanden, so kann die landesgesetzlich hiezu befugte Behörde hinsichtlich dieser Dienstpflichtverletzung ohne weiteres Verfahren schriftlich eine Disziplinarverfügung erlassen.

2.2. § 6 des Burgenländischen Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes 1986, LGBl. Nr. 37 in der Fassung LGBl. Nr. 16/1988, lautet:

"Dem Landesschulrat obliegt die Durchführung der nicht in den §§ 2 bis 5 angeführten Maßnahmen, insbesondere die

  1. a) ...

    ...

  1. d) Erlassung einer Disziplinarverfügung gemäß § 100

    Landeslehrer-Dienstrechtsgesetzes 1984."

"Das Burgenländische Landeslehrer-Diensthoheitsgesetz 1986 sieht in seinen §§ 12 ff die Einrichtung von Disziplinarkommissionen und Disziplinaroberkommissionen vor. III. Zur Verjährungsproblematik

Die vorläufige Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes, daß im Beschwerdefall Verjährung nach § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 eingetreten sein könnte, beruht auf folgenden Überlegungen:

1. Der Gesetzgeber stellt den Beginn des Fristenlaufes der Verjährungsfrist nach § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 auf die Kenntnis der Dienstpflichtverletzung durch die "zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufene Behörde" ab. Der Bundesgesetzgeber hat aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 14 Abs. 4 lit. a B-VG) offengelassen, welche Behörde dies ist, weil deren Festlegung in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers fällt (vgl. auch § 2 LDG 1984). Der zuständige burgenländische Landesgesetzgeber hat Disziplinarkommissionen vorgesehen und den LSR u.a. zur Erlassung von Disziplinarverfügungen zuständig gemacht.

2. Der Eintritt der Verjährung wird nach § 72 Abs. 1 LDG 1984 entweder durch die Erlassung einer Disziplinarverfügung oder die Einleitung des Disziplinarverfahrens nach § 92 leg. cit. ausgeschlossen. Dies gilt auch für die Z. 1, denn dem Gesetz läßt sich nicht entnehmen, daß die Erlassung einer Disziplinarverfügung nicht geeignet wäre, die in Z. 1 geregelte Verjährung auszuschalten.

3. Anderes ergibt sich auch nicht durch die in Z. 1

verwendete Wortgruppe "... zur Durchführung des

Disziplinarverfahrens berufene Behörde ...". Keinesfalls läßt sich daraus ableiten, das LDG 1984 habe damit nur jene Behörde gemeint, vor der das Disziplinarverfahren im engeren Sinn (Verfahren nach §§ 91 ff vor der Disziplinarkommission oder vor der an deren Stelle tretenden sonstigen Landesbehörde im Sinn des § 102 LDG 1984) durchzuführen ist. Denn das LDG 1984 selbst unterscheidet zwischen dem Verfahren vor der DK (§§ 91 ff) bzw. der ihre Aufgaben übernehmenden sonstigen Landesbehörde, für die nach § 102 LDG 1984 dieselben Verfahrensbestimmungen wie für die DK gelten, einerseits und dem abgekürzten Verfahren (§ 100 LDG 1984) bei der Disziplinarverfügung andererseits. Außerdem ist auch die Erlassung eines Bescheides ein Teil des Verfahrens (vgl. dazu Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 5. Auflage, Rz 259).

4. Tritt aber der Ausschluß der Verjährung nach § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 durch die (zeitgerechte) Erlassung einer Disziplinarverfügung ein, dann kommt es für den Beginn des Fristenlaufes auch auf die Kenntnis der Dienstpflichtverletzung durch jene Behörde an, die zu deren Erlassung zuständig ist:

denn der Ausschluß der Verjährung setzt voraus, daß die Verjährungsfrist bereits zu laufen begonnen hat. Daß dabei die materiellen Voraussetzungen für die Erlassung einer Disziplinarverfügung nach der Lage des Einzelfalles nicht in Betracht kommen, spielt mangels einer entsprechenden gesetzlichen Unterscheidung keine Rolle.

5. Die hier vertretene vorläufige Auslegung des § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 dürfte auch dem historischen Willen des Gesetzgebers entsprechen. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum LDG 1984, 274 Blg. Sten. Prot. NR 16. GP, Seite 50, wird zu § 72 darauf hingewiesen, diese Bestimmung entspreche dem § 94 BDG 1979 (im Wortlaut identisch mit § 54 BDG 1977, daher schon bisher dem Rechtsbestand des LDG angehörend). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1983, Slg. N.F. Nr. 11.097 A) setzt auch die Kenntnisnahme der Dienstpflichtverletzung durch die zur Erlassung einer Disziplinarverfügung zuständige Dienstbehörde die sechsmonatige Verjährungsfrist in Gang.

Im übrigen ließe sich wohl eine sachliche Rechtfertigung für eine unterschiedliche Gestaltung des Instituts der Verjährung im Disziplinarrecht zwischen Bundesbeamten und Landeslehrern nicht finden.

6. Dies führt bei dem im Beschwerdefall gegebenen Sachverhalt (vgl. dazu Punkt I.) zur Verjährung nach § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 (Einlangen der Meldung der Direktorin der Volksschule X beim LSR am 23. Mai 1991; Zustellung des Einleitungs- und Verhandlungsbeschlusses der DK an die Beschwerdeführerin am 18. Dezember 1991). Bemerkt wird, daß die Verjährung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen aufzugreifen ist. Dem Umstand, daß die Beschwerdeführerin den (bei Zutreffen der vorläufigen Rechtsansicht) erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erlassenen Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß der DK bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht bekämpft hat, kommt keine rechtserhebliche Bedeutung zu."

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben zu dieser Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes nach § 41 Abs. 1 VwGG Stellungnahmen abgegeben.

Während die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 15. September 1995 der vorläufigen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes beitritt, geht die belangte Behörde in ihrer Äußerung vom 3. Oktober 1995 davon aus, maßgeblich sei die Kenntnis der Disziplinarkommission für Landeslehrer (DK), weil nur ihr im Beschwerdefall die Kompetenz für die Abwicklung des Disziplinarverfahrens zugekommen sei, habe doch der LSR von seiner Möglichkeit, eine Disziplinarverfügung zu erlassen, aus rechtlichen Erwägungen nach § 100 LDG 1984 (es liege kein Geständnis vor) nicht Gebrauch machen können und auch nicht Gebrauch gemacht. Andererseits würde die Disziplinarverfügung bei einem rechtzeitig erhobenen Einspruch nach § 101 LDG 1984 außer Kraft treten und erst danach die DK für ein weiteres Verfahren zuständig sein. Der LSR habe im Beschwerdefall nur als Anzeiger fungiert und im Sinne der Alternativbestimmung des § 72 Abs. 1 LDG 1984 sogleich die Anzeige an die DK erstattet. Es fehle daher im Beschwerdefall dem LSR der Charakter einer Disziplinarbehörde, weshalb auch nicht Verjährung eingetreten sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist (auch) der LSR als "zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufene Behörde" (im folgenden Disziplinarbehörde) im Sinne des § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 anzusehen. Dies ergibt sich einerseits daraus, daß das LDG 1984 auch der (rechtzeitigen) Erlassung einer Disziplinarverfügung in § 72 Abs. 1 leg. cit. die Wirkung des Ausschlusses der Verjährung zuerkennt, ohne daß erkennbar wäre, daß dies nur im Fall der (absoluten) Verjährung nach § 72 Abs. 1 Z. 2 LDG 1984 zutreffen soll. Die Wendung "eine Disziplinarverfügung (§ 100) erlassen oder ein Disziplinarverfahren eingeleitet (§ 92) wurde" bezieht sich vielmehr wegen der Absatzgliederung unterschiedslos auf beide Verjährungstatbestände nach Z. 1 und Z. 2. Andererseits ist aus der Systematik des LDG 1984 abzuleiten, daß auch die Erlassung einer Disziplinarverfügung das Ergebnis eines - wenn auch abgekürzten - Verfahrens ist.

Räumt daher der zur Festsetzung der Zuständigkeit zur Ausübung der Diensthoheit (einschließlich in Disziplinar- und Leistungsfeststellungsangelegenheiten) nach Art. 14 Abs. 4 lit. a B-VG berufene Landesgesetzgeber (hier: § 6 lit. d des Burgenländischen Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes 1986 - Bgld LLDHG 1986) dem LSR die Kompetenz zur Erlassung von Disziplinarverfügungen (und damit einer Schulbehörde des Bundes eine Mitwirkungsbefugnis im Disziplinarverfahren) ein, dann hat er den LSR zur Disziplinarbehörde im Sinne des § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 gemacht, auch wenn dessen Befugnisse (so wie im Anwendungsbereich des BDG 1979 die Zuständigkeit der Dienstbehörde im Vergleich gegenüber der DK) eingeschränkt sind. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde ist die Rolle des LSR in diesem Fall nicht nur auf die Möglichkeiten der Erlassung einer Disziplinarverfügung oder der Erstattung (Weiterleitung) einer Disziplinaranzeige beschränkt, kommt ihm doch nach § 78 Abs. 5 LDG (iVm § 6 Bgld LLDHG 1986) auch die Zuständigkeit zu, von der Ergreifung einer dieser beiden Maßnahmen abzusehen, "wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Dienstpflichtverletzung unbedeutend sind" (formlose Beendigung des Disziplinarverfahrens). Ob die jeweils vom Gesetz für die einzelnen Vorgangsweisen geforderten unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind oder nicht, hat der LSR zu beurteilen.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kommt es bei Beurteilung der Verjährung nach § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 nicht darauf an, ob nach der Lage des Einzelfalles der LSR von der Möglichkeit der Erlassung einer Disziplinarverfügung nach dem Gesetz überhaupt Gebrauch machen konnte (bzw. er zur formlosen Einstellung des Disziplinarverfahrens berechtigt war) oder ihm als einzige gesetzmäßige Handlungsweise nur die Erstattung (Weiterleitung) der Disziplinaranzeige offenstand. Da § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 schlechthin auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Dienstpflichtverletzung durch die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufene Behörde abstellt, zu der grundsätzlich - wie oben dargelegt - auch die vom Landesgesetzgeber zur Erlassung einer Disziplinarverfügung berufene Behörde gehört, ist es rechtlich unerheblich, ob im konkreten Fall die materiellen Voraussetzungen des § 100 LDG 1984, dessen wesentliche Voraussetzung - nämlich das Geständnis - im übrigen keineswegs mit der Kenntnis der Behörde von der Dienstpflichtverletzung zusammenfallen muß, für die Erlassung einer Disziplinarverfügung (so in bezug auf § 54 Abs. 1 Z. 1 BDG 1977 in Verbindung mit dem Landeslehrer-Dienstgesetz, BGBl. Nr. 245/1962, und § 5 Abs. 1 des Niederösterreichischen Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes 1976, LGBl. 2600-0, bereits das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1983, 83/09/0016 =

Slg. N.F. Nr. 11097/A) oder nach § 78 Abs. 5 LDG 1984 für die formlose Einstellung gegeben waren oder nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hält daher an der in seiner Verfügung vom 7. September 1995 vertretenen Auffassung fest, daß auch dem Landesschulrat, dem nach § 6 lit. d des Burgenländischen LLDHG 1986 die Erlassung einer Disziplinarverfügung gemäß § 100 LDG 1984 obliegt, die Stellung einer Disziplinarbehörde im Sinn des § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 zukommt, und die sechsmonatige Verjährungsfrist ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Dienstpflichtverletzung durch den Landesschulrat zu laufen beginnt.

Dies führt bei dem im Beschwerdefall gegebenen Sachverhalt zur Verjährung nach § 72 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 (Einlangen der Meldung der Direktorin der Volksschule X beim LSR am 23. Mai 1991; Zustellung des Einleitungs- und Verhandlungsbeschlusses der DK an die Beschwerdeführerin am 18. Dezember 1991). Die Verjährung ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen aufzugreifen. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin den erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erlassenen Einleitungs- und Verhandlungsbeschluß der DK bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts nicht bekämpft hat, kommt keine rechtserhebliche Bedeutung zu. Im Beschwerdefall liegen auch keine Hemmungsgründe nach § 72 Abs. 2 LDG 1984 vor.

Die belangte Behörde hat daher ihren angefochtenen Bescheid dadurch, daß sie in teilweiser Abweisung der Berufung den Schuldspruch der Disziplinarbehörde erster Instanz bestätigte statt wegen Verjährung einen Freispruch nach § 87 Abs. 1 Z. 1 LDG 1984 auszusprechen, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, sodaß er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Kostenzuspruch stützt sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Das abgewiesene Mehrbegehren betrifft Stempelgebühren für eine nichterforderliche Drittausfertigung der Beschwerde sowie weitere unter dem Titel "Eingangsgebühren" verzeichnete Kosten, deren Summe möglicherweise auf einem Schreibfehler (S 360,-- statt der tatsächlich angeführten S 960,--) beruhen, die nicht zu entrichten waren und auch tatsächlich von der Beschwerdeführerin nicht entrichtet wurden.

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