Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Vorgeschichte dieses Beschwerdefalles ist dem hg. Erkenntnis vom 30. März 1993, Zlen. 92/08/0216, 0267, 93/08/0005, zu entnehmen. Wie - aus diesem Erkenntnis ersichtlich - schon früher mehrmals wurde der Beschwerdeführer am 25. Jänner 1993 neuerlich dem "Renovierungsprojekt" zugewiesen. Nach dem Inhalt eines Aktenvermerks vom 3. März 1993 wurde ihm mitgeteilt, daß er sich bei der Projektleitung melden könne und ein "effektiver Kurseinstieg" mit 26. Jänner 1993 möglich wäre. Der Beschwerdeführer habe die Auskunft darüber verweigert, ob er am Projekt teilnehmen werde. Daraufhin sei ihm für 26. Jänner ein Kontrolltermin gegeben worden. Nach Rücksprache mit der Kursbetreuung habe er weder am
25. noch am 26. Jänner vorgesprochen. Der Bezug sei daher zur Klärung im Sinne des § 10 mit 26. Jänner 1993 eingestellt worden. Erst am 2. März 1993 habe der Beschwerdeführer wieder vorgesprochen, weshalb die Niederschrift erst verspätet aufgenommen werden konnte. Nach dem Inhalt der Niederschrift vom 2. März 1993 erklärte der Beschwerdeführer, nicht bereit zu sein, sich der Nach-(Um)Schulung zu unterziehen, gab dazu aber keinen näheren Kommentar ab und verweigerte die Unterschrift.
Mit Bescheid vom 17. März 1993 stellte das Arbeitsamt Linz fest, daß der Beschwerdeführer den Anspruch auf Notstandshilfe gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977, für den Zeitraum vom 26. Jänner bis 22. März 1993 verloren habe, weil er sich geweigert habe, ohne wichtigen Grund an der Arbeitsmarktausbildung Renovierungsprojekt teilzunehmen. Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine Berufung folgenden Inhaltes:
"Betreff: Berufung gegen den Bescheid vom 17. März 1993
Begründung
Wenn der Arbeitslose sich weigert eine ihm vom Arbeitsamt zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, verliert er für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Der im Bescheid enthaltene Vorwurf ist nicht richtig. Ich ersuche daher meine Bezüge auszuzahlen."
Mit Bescheid vom 22. April 1993 hat die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß § 63 Abs. 3 AlVG" (gemeint wohl: § 63 Abs. 3 AVG) mangels begründeten Berufungsantrages zurückgewiesen. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Zitierung mehrerer Rechtsvorschriften, darunter auch jener des § 63 Abs. 3 AVG, begründete die belangte Behörde diesen Bescheid damit, daß der Beschwerdeführer seine Berufung "nicht ordnungsgemäß begründet" habe. Mit seiner Behauptung, der im Bescheid enthaltene Vorwurf sei nicht richtig, habe er keine Gründe dargelegt, die den Berufungsantrag rechtfertigten. Mangels begründeten Berufungsantrages sei daher die Berufung des Beschwerdeführers vom 26. März 1993 gemäß § 63 Abs. 3 AVG zurückzuweisen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung u.a. einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Die belangte Behörde zieht nicht in Zweifel, daß der Antrag des Beschwerdeführers in seiner Berufung seine "Bezüge auszuzahlen" in diesem Sinn ein ausreichender Antrag ist. Ob dieser Antrag auch begründet ist, hängt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht davon ab, ob die Begründung rechtlich zutreffend oder vertretbar ist, sondern ausschließlich davon, ob daraus entnommen werden kann, womit der Beschwerdeführer meint, seinen Rechtsstandpunkt vertreten zu können. Eine Berufungsanmeldung bzw. die Ankündigung, erst künftig die Berufung näher begründen zu wollen, ist kein begründeter Berufungsantrag im Sinne des § 63 Abs. 3 AVG (vgl. dazu das ebenfalls den Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 93/08/0191, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze erweist sich die Auffassung der belangten Behörde, § 63 Abs. 3 AVG erfordere die Darlegung von Gründen, die "den Berufungsantrag rechtfertigten", als verfehlt. Es reicht vielmehr aus, die Gründe darzulegen, aus denen der Beschwerdeführer meint, daß seine Berufung berechtigt sei.
Im Beschwerdefall wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 AlVG der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 26. Jänner bis 22. März 1993 für verlustig erklärt, weil er sich geweigert habe, ohne wichtigen Grund an der Arbeitsmarktausbildung Renovierungsprojekt teilzunehmen. Die Berufungsausführungen des Beschwerdeführers, dieser Vorwurf sei nicht richtig und er beantrage, ihm die Bezüge auszuzahlen, ist - unabhängig davon, ob man "nicht richtig" im rechtlichen oder tatsächlichen Sinne versteht - eine noch ausreichende Begründung im Sinne der zitierten Rechtsprechung, die es der Berufungsbehörde ermöglicht, die diesbezügliche Begründung des erstinstanzlichen Bescheides darauf zu überprüfen, ob diese Begründung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht "richtig" ist oder nicht.
Da die belangte Behörde durch die Zurückweisung der Berufung den Beschwerdeführer in seinem Recht auf eine Sachentscheidung verletzt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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