VwGH 93/06/0171

VwGH93/06/017118.11.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Kratschmer und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des RS in B, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 1. April 1993, Zl. 1/02-25.671/105-1993, betreffend baubehördlichen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BauPolG Slbg 1973 §16;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8;
GdO Slbg 1976 §63 Abs4;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
BauPolG Slbg 1973 §16;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8;
GdO Slbg 1976 §63 Abs4;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 27. März 1984 wurde dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf den Grundstücken 456/7 und 456/13, KG H, erteilt. Mit Bescheid vom 11. Dezember 1984 wurden die Bauarbeiten eingestellt; mit Bescheid vom 1. April 1985 verfügte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Abbruch und die Beseitigung der nicht konsensgemäß ausgeführten Bauteile. Die dagegen eingebrachte Berufung blieb ebenso erfolglos wie die Vorstellung gegen den Bescheid der Gemeindevertretung. Nachdem ein Ansuchen um Bewilligung von Bauerleichterungen erfolglos geblieben war, verfügte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 27. Juli 1992, Zl. 333/1/92-Kr, gemäß § 16 des Baupolizeigesetzes die Demolierung der widerrechtlich ausgeführten Bauteile des Objektes auf der Gp. 456/7, KG H, wie folgt:

  1. "1. Die Traufenhöhe ist auf das anläßlich der Verhandlung vom 29.10.1984 festgelegte Maß von 6,37 m abzusenken und das Objekt ist auf den bewilligten Zustand zu bringen.
  2. 2. Diese Maßnahme ist von Frau LS und Herrn RS innerhalb einer Frist von 2 Monaten ab Zustellung dieses Bescheides auszuführen und dem Bürgermeister zu melden."

Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer eine als Einspruch bezeichnete Berufung ein. Mit Datum vom 18. Jänner 1993 erließ die Gemeindevertretung der mitbeteiligten Marktgemeinde zur Zl. 410/1/92-Kr einen Bescheid mit folgendem Spruch:

"Gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 25 Abs. 8 Bebauungsgrundlagengesetz bestätigt die Gemeindevertretung der Marktgemeinde B aufgrund ihres Beschlusses vom 9.12.1992 den Bescheid des Bürgermeisters vom 27.7.1992, Zahl 333/1/92-Kr, und weist die rechtzeitig eingebrachte Berufung von Herrn RS, wohnhaft in B, vom 10.8.1992 zurück."

Nach ausführlicher Darstellung des Verwaltungsgeschehens führte die Gemeindevertretung aus, sie sei der Auffassung, daß die Familie S die verfügte Baueinstellung niemals eingehalten habe und auch die fehlenden Unterlagen zur Weiterführung des Verfahrens gemäß § 25 Abs. 8 BGG (Unterschreitung der Nachbarabstände) trotz wiederholter Aufforderung nicht beigebracht hätten, dadurch sei auch der Gemeinde die Möglichkeit genommen worden, ein Verfahren um Bauerleichterung durchzuführen. Es stehe daher außer Zweifel, daß subjektiv-öffentliche Nachbarrechte der Frau M verletzt worden seien.

Innerhalb der Vorstellungsfrist richtete der Beschwerdeführer am 1. Februar 1993 an das Amt der Salzburger Landesregierung eine dem Berufungsvorbringen wortgleiche Eingabe, die mit "Betr. Schreiben der Gemeinde B v. 18.1.1993, Zl. 410/1/92-Kr" überschrieben war. Die Eingabe hatte folgenden Wortlaut:

"Wir haben im April 1984 nach einen von Baumeister X gezeichneten, von Gemeinde und Nachbarn unterschriebenen genehmigten Plan, zum bestehenden Altbau ein 3-Wohneinheitenhaus zu Bauen begonnen. (Einsichtnahme 14 Tage vor u. nachher, durch die Nachbarn, der Plan wurde von den Nachbarn für in Ordnung befunden. Im August als wir beim Altbau den Dachstuhl abgerissen hatten, da Altbau und Neubau gemeinsam überdacht wurde, lies uns Frau M (Nachbarin) durch die Gemeinde den Bau einstellen. Angeblich weil das Haus zu hoch wäre, obwohl die Maße genau nach Plan eingehalten wurden, in der Höhe um eine Ziegelreihe niedriger geblieben sind als im Plan vorgesehen. Ausserdem war Herr Baumeister X bei allen Entscheidenden Arbeiten anwesend. (Schnürgerüst, Zusammenwiegen Kellerdecke, Altbau Neubau usw. Durch die Baueinstellung haben drei Familien Gesundheitliche und Finanzielle Schäden davongetragen, da uns das Wasser bis in den Keller aus den Steckdosen usw. geronnen ist und sich ein Pilz gebildet hat. Dann hat uns der damalige Herr Bürgermeister erlaubt das Dach einzudecken.

Unsere Ansuchen um Bauerleichterung, haben nichts gebracht, einmal war Herr Bürgermeister und Nachbar M nicht anwesend, dazu kam noch das wir nicht alle geforderten Pläne vorlegen konnten, da unser Herr Geometer von Frau M, das Betreten Ihres Grundstückes verboten wurde (Er mußte die Vermessung Einstellen, aber er kostete unser Geld Zu Ihrer Angabe Belichtung und Besonnung, Haus M möchte ich folgendes Richtigstellen Nach einem Gutachten steht die Sonne am 24. Dezember am niedrigsten und das Haus M wird zur gänze, durch die Sonne beschienen.

Wir wurden gezwungen bis zum Verwaltungsgerichtshof zu gehen, der Herausfand das für meine Frau und alleinige Grundbesitzerin der Bau nie Eingestellt war, und ein Abbruch abgelehnt wurde, daher war es möglich das wir unser Haus beinahe vertiggestellt haben. Trotz Verwaltungs und Rechtsanwaltskosten von etwa 150.000. Schilling.

Als kleiner Postbeamter und Alleinverdiener, scheuten meine Frau und ich keine Arbeit, um unseren Kindern ein schönes Heim zu Errichten.

Aber so wie es den Anschein hat, hat unsere Gemeinde genug Wohnungen zu Vergeben

Ein durch Gemeindebürger gewählter Bürgermeister, würde durch den Abbruch Bestehender Bauteile, einem 23 jährigen Mädchen das durch eine Kopfoperation (Frühpensionistin) ist, Ihren Traum einer eigenen Wohnung zu nichte machen.

Einschreiben

Hochachtungsvoll

RS"

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 1. April 1993 hat die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Gemeindevertretung der Marktgemeinde B vom 18. Jänner 1993 als unzulässig zurückgewiesen. Nach einer wörtlichen Wiedergabe der Eingabe des Beschwerdeführers wurde ausgeführt, dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 1. Februar 1993 könne selbst bei pflichtgemäßer, ihm entgegenkommender weiten Auslegung weder ein Antrag noch eine Begründung im Sinne des § 63 Abs. 4 der Salzburger Gemeindeordnung 1976 entnommen werden. Vielmehr werde es sich bei diesem Schreiben um eine "allgemeine Beschwerde" des Beschwerdeführers handeln, die er deshalb verfaßt haben dürfte, weil wegen seiner Baumaßnahmen bereits zahlreiche Bescheide an ihn ergangen seien.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, daß die Vorstellungsbehörde als Aufsichtsbehörde den zweitinstanzlichen Bescheid vom 18. Jänner 1993 nicht auf inhaltliche Rechtswidrigkeit überprüft hat.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Marktgemeinde hat eine Sachverhaltsdarstellung vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwar hat die Berufungsbehörde nach dem Wortlaut des letzten Teiles des Spruches ihres Bescheides die Berufung des Beschwerdeführers zurückgewiesen, jedoch ergibt sich aus der gewählten Formulierung im ersten Teil des Spruches "bestätigt die Gemeindevertretung den Bescheid des Bürgermeisters vom 27.7.1992" im Zusammenhang mit der Begründung, daß die Berufung meritorisch erledigt wurde.

Gemäß § 63 Abs. 4 der Salzburger Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 56/1976 in der Fassung LGBl. Nr. 78/1985, kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde auf dem Gebiete der Landesvollziehung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Rechtsmittelzuges innerhalb von zwei Wochen, von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung an die Landesregierung erheben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der hinsichtlich des Erfordernisses des begründeten Antrages gleichlautenden Regelung des § 63 Abs. 3 AVG sind ein Berufungsantrag und eine Berufungsbegründung an sich unverzichtbarer Bestandteil einer Berufung im Sinne der zitierten Bestimmung. Der (Berufungs)Antrag bezeichnet das Thema, über welches die (Berufungs)Behörde abzusprechen hat und muß sinngemäß dahin lauten, den Bescheid zu beheben oder in bestimmter Weise abzuändern (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. April 1990, Zlen. 89/04/0252 und 89/04/0253, sowie vom 20. August 1992, Zl. 92/06/0080). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist allerdings eine formalistische Auslegung der Begriffsmerkmale eines begründeten Berufungsantrages den Verwaltungsverfahrensgesetzen fremd; es ist erforderlich, aber auch ausreichend, daß eine Berufung (hier Vorstellung), die den gesetzlichen Erfordernissen entspricht, erkennen läßt, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt zu vertreten zu können glaubt (vgl. das Erkenntnis vom 25. November 1990, Zl. 90/05/0122, und die dort angeführte Judikatur).

Der Auftrag der Baubehörden lautete auf Absenkung der Traufenhöhe auf 6,37 m, was in Anbetracht der gemessenen Traufenhöhe von 7,77 bzw. 8,53 m eine Verminderung der Höhe um 1,40 bis 2,16 m bedeutete. Sowohl in der Berufung als auch in der Vorstellung schilderte der Beschwerdeführer das Verwaltungsgeschehen aus seiner Sicht und schloß seine Eingabe mit den Ausführungen, daß durch den Abbruch bestehender Bauteile einem 23-jährigen Mädchen der Traum einer eigenen Wohnung zunichte gemacht würde. In diesem Zusammenhang ist die von der belangten Behörde vorgetragene Auffassung, es werde sich bei dem Schreiben um eine "allgemeine Beschwerde" des Beschwerdeführers handeln, die er deshalb verfaßt haben dürfte, weil wegen seiner Baumaßnahmen bereits zahlreiche Bescheide an ihn ergangen seien, nicht zu teilen. Der Beschwerdeführer hat seine Eingabe innerhalb der Vorstellungsfrist bei der gemäß § 63 Abs. 4 der Salzburger Gemeindeordnung zuständigen Behörde eingebracht und das Datum und die Aktenzahl sowie die Erledigung angegeben, gegen die sich seine Eingabe richtete. Es kann den in der Gegenschrift der belangten Behörde gemachten Ausführungen, es sei erst nach entsprechenden Ermittlungen klar gewesen, daß sich die Eingabe des Beschwerdeführers gegen einen Bescheid gerichtet habe, nicht gefolgt werden. Bei einer ersten Durchsicht des vorgelegten Verwaltungsaktes mußte die belangte Behörde erkennen, daß es sich bei dem "Schreiben" der Marktgemeinde B unter dem angegebenen Datum 18. Jänner 1993 mit der Geschäftszahl 410/1/92-Kr um einen Bescheid handelte. Der an die Landesregierung gerichteten Eingabe des Beschwerdeführers ist zu entnehmen, daß seiner Ansicht nach das Gebäude nicht zu hoch und daher der Demolierungsauftrag zu Unrecht erlassen worden sei (vgl. die Ausführungen, daß der Plan eingehalten und (die) "Höhe um eine Ziegelreihe niedriger geblieben" ist, als im Plan vorgesehen) und er deshalb die Aufhebung dieses Auftrages begehrte; letzteres deshalb, weil dem erkennbaren Rechtsschutzziel des Beschwerdeführers NUR mit einer kassatorischen Entscheidung der belangten Behörde Rechnung getragen werden kann. (Zur Maßgeblichkeit der Erkennbarkeit des Rechtsschutzzieles nach den Umständen des konkreten Falles vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. August 1992, Zl. 92/06/0080).

Dadurch, daß die belangte Behörde die Vorstellung des Beschwerdeführers daher zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte