VwGH 93/06/0060

VwGH93/06/006017.6.1993

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde 1. der MK und 2. des AK in M, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tir LReg vom 2.2.1993, Zl. Ve1-550-1639/26, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mP: 1. N-Wohnbau GmbH in S, vertr durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, 2. Marktgemeinde M, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 1966;
B-VG Art119a Abs5;
GdO Tir 1966;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.480,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisse vom 17. Mai 1991, Zl. 91/06/0006, und vom 9. Juli 1992, Zl. 92/06/0051, verwiesen. Gegenstand der Beschwerden war jeweils die Frage, ob das Bauvorhaben ein Apartmenthaus im Sinne des § 16a Abs. 1 lit. a des Tiroler Raumordnungsgesetzes darstelle. Mit dem erstgenannten Erkenntnis wurde der Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 23. November 1990 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, mit dem zweitgenannten jener vom 31. Jänner 1992 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend wurde im zuletzt genannten Erkenntnis ausgeführt, daß trotz des von der Vorstellungsbehörde durchgeführten ergänzten Ermittlungsverfahrens jedenfalls im Hinblick auf die Wohnungen Top Nr. 5 und Top Nr. 15 der Sachverhalt nicht genügend erhoben worden sei, die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen würden sich nicht schlüssig aus dem Akteninhalt ergeben, es könne daher nicht abschließend beurteilt werden, ob mehr als drei Objekte nicht der Befriedigung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes dienten. Bezüglich der Wohnung Top Nr. 5 könne nicht nachvollzogen werden, weshalb die dreijährige Tochter der Mieterin ihren ganzjährig gegebenen Wohnbedarf zwar im selben Ort wie ihre Mutter, aber in einer in einem anderen Ortsteil gelegenen Wohnung befriedigen sollte. Hinsichtlich der Wohnung Top Nr. 5 sei ein Mietvertrag vorgelegt worden, wonach diese Wohnung als Personalwohnung verwendet werden könne. Da nicht feststehe, ob das Personal, an das diese Wohnung untervermietet werden könne, dort ganzjährig wohne oder nur während der Winter- bzw. Sommersaison, sei der Nachweis, daß diese Wohnung der Befriedigung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes diene, nicht erbracht. Da die belangte Behörde die Voraussetzungen des § 16a TROG nur bei 20 von insgesamt 23 Wohnungen überprüft habe, die von ihr gezogenen Schlüsse jedenfalls in bezug auf die Wohnungen Top Nr. 5 und 15 nicht nachvollzogen werden könnten, könne nicht beurteilt werden, ob das gegenständliche Gebäude als Apartmenthaus verwendet werde oder nicht.

Aufgrund dieses Erkenntnisses hat die belangte Behörde ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Bezüglich der Wohnung Top Nr. 5 wurde eine Meldebestätigung der am 31. Juli 1962 geborenen M.H., der Mutter des oben angeführten dreijährigen Kindes, vorgelegt. Daraus ging hervor, daß die Genannte seit 28. August 1989 im verfahrensgegenständlichen Gebäude, Top Nr. 5 mit ordentlichem Wohnsitz gemeldet ist. Hinsichtlich der Top Nr. 15 wurde ein Nachtrag zu einem Mietvertrag vorgelegt, aus dem hervorgeht, daß eine Untervermietung nur an Beschäftigte der Vermieterin erfolgen dürfe. Zum Nachweis, daß eine bestimmte Person dort ganzjährig wohnt, wurde eine Vereinbarung zwischen der Mieterin und dem bei ihr angestellten Küchenchef vorgelegt, wonach die gegenständliche Wohnung vom Küchenchef im Rahmen seines Dienstverhältnisses ganzjährig bewohnt wird. Dies zusammen mit der ebenfalls vorgelegten Meldebestätigung war nach Ansicht der Vorstellungsbehörde ausreichend, eine positive Prognoseentscheidung dahingehend zu treffen, daß die gegenständliche Wohnung tatsächlich ganzjährig benützt wird. Die belangte Behörde führte ergänzend aus, bezüglich der Wohnungen Top Nr. 12, 14 und 18 sei kein Ermittlungsverfahren durchgeführt werden, da diese erwiesenermaßen als Ferienwohnungen verwendet würden, was jedoch im Rahmen des § 16a Abs. 1 lit. a TROG zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift, ebenso wie die erstmitbeteiligte Partei, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Es sei nochmals in Erinnerung gerufen, daß gemäß § 16a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984, in der Fassung LGBl. Nr. 38/1984 (TROG 1984) Apartmenthäuser im Sinne dieses Gesetzes Gebäude sind, in denen mehr als drei Wohnungen nicht ständig der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes dienen, sondern überwiegend als Aufenthalt während des Wochenendes, des Urlaubes, der Ferien oder sonst nur zeitweilig als Zweitwohnstätte benützt werden sollen. Nach § 30 Abs. 4 der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989 (TBO), kann der Nachbar subjektiv-öffentlichrechtliche Einwendungen auf Vorschriften über die widmungsgemäße Verwendung von Grundstücken, insbesondere auf die §§ 12 bis 17 des Tiroler Raumordnungsgesetzes stützen.

Bereits in seinem oben angeführten Erkenntnis vom 9. Juli 1992 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß er keine Bedenken gegen die Annahme der belangten Behörde hege, wonach bezüglich der insgesamt 13 (von 23 bewilligten) geförderten Wohnungen aufgrund der im Rahmen der Wohnbauförderung vorgelegten Bezugs- und Meldebestätigungen davon auszugehen sei, daß diese Wohnungen ständig der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes dienten. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgeführt, daß die Gemeindeaufsichtsbehörde nicht verpflichtet sei, aufgrund der vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten Verfahrensmängel selbst ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, tue sie dies aber, sei sie zur Durchführung eines mängelfreien Verfahrens verpflichtet.

In dem Umstand, daß die Gemeindeaufsichtsbehörde die noch erforderlichen Ermittlungen selbst durchgeführt hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken. Der Tiroler Gemeindeordnung ist eine Bestimmung, wonach es der Gemeindeaufsichtsbehörde verwehrt wäre, auch im dritten Rechtsgang selbst ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchzuführen, nicht zu entnehmen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt auch keine Bedenken gegen die von der Gemeindeaufsichtsbehörde vorgenommene Beweiswürdigung. Die Meldebestätigung der am 31. Juli 1962 geborenen M.H., der Mutter der am 10. Mai 1989 geborenen S.H., wonach die Mutter am selben Tag (28. August 1991) wie ihre Tochter ihren bisherigen Hauptwohnsitz aufgegeben, und nunmehr ihren Hauptwohnsitz im gegenständlichen Gebäude, Wohnung Top. Nr. 5 hat, läßt die Annahme der belangten Behörde, wonach sowohl Mutter als auch Tochter im gegenständlichen Wohnobjekt ihren ganzjährig gegebenen Wohnbedarf decken, als durchaus schlüssig erscheinen. Der belangten Behörde kann auch aufgrund der vorgelegten Bestätigung und des Nachtrages zum Mietvertrag nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausgegangen ist, daß die Wohnung Top Nr. 15 einem namentlich genannten Küchenchef zur Verfügung gestellt wird und dieser dort seinen ganzjährig gegebenen Wohnbedarf deckt.

Das Beschwerdevorbringen, wonach Bedenken angebracht seien, wenn die gegenständliche Wohnung Top Nr. 15 ab 1. November 1993 dem Sohn der Eigentümerin "prekaristisch zur Nutzung für seine eigenen Wohnbedürfnisse" überlassen wird, ist zwar berechtigt, doch beziehen sich diese Bedenken auf einen Sachverhalt, der allenfalls nach dem 1. November 1993 verwirklicht werden wird. Es wird Aufgabe der Gemeindebehörden sein, auch in Zukunft zu überprüfen, ob dieses Gebäude nicht zu einem späteren Zeitpunkt als Apartmenthaus im Sinne des § 16a Abs. 1 lit. a TROG anzusehen sein wird.

Hingegen vermag der Verwaltungsgerichtshof die Bedenken, die die Beschwerdeführer hinsichtlich der Top Nr. 21 vorbringen, nicht zu teilen. Aus der Aktenlage ergibt sich, daß ein Eigentümer dieses Objektes, Medizinalrat Dr. H.O., in Niederösterreich lebt und seine Ehefrau, die ebenfalls Miteigentümerin des Objektes ist, ihren Hauptwohnsitz im gegenständlichen Gebäude, Top Nr. 21 hat. Der im Jahre 1921 in Innsbruck geborene (nunmehrige Medzinalrat Dr.) H.O. hat bereits im April 1989 erklärt, daß er die Absicht habe, nach Beendigung seiner Tätigkeit als praktischer Arzt seinen ständigen Wohnsitz nach M zu verlegen. Er stamme aus einer Familie, die bis 1951 in M ansässig gewesen sei, es sei verständlich, daß er seine Ruhetage in der alten Heimat verbringen möchte. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß Medizinalrat Dr. H.O. einer in M ansässigen Familie entstammt und unter weiterer Berücksichtigung seines Lebensalters erscheint dem Verwaltungsgerichtshof die Annahme der Gemeindebehörden, daß dieser Miteigentümer nach Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit seinen Hauptwohnsitz nach M verlegen möchte, nicht als unschlüssig. Unter diesem Aspekt kann auch die durch Erklärungen und eine Meldebestätigung belegte Annahme der Gemeindebehörden, wonach die Ehefrau schon jetzt ihren ganzjährig gegebenen Wohnbedarf in M deckt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Schließlich hat die Eigentümerin der Wohnung Top Nr. 8 Frau A.L. diese Wohnung an den in M geborenen H.A. vermietet, der laut vorgelegtem Meldezettel seine bisherige Wohnung in M, 351 aufgegeben, und seinen Hauptwohnsitz in das gegenständliche Gebäude (Sportplatzstraße 313) Top Nr. 8 verlegt hat.

Dem vorgelegten Verwaltungsakt können keine Umstände entnommen werden, aus denen ableitbar wäre, daß es sich dabei nicht um die Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes handle, auch dem Beschwerdevorbringen kann kein konkreter Hinweis entnommen werden, weshalb diese Annahme unrichtig sein sollte.

Schließlich erblicken die Beschwerdeführer noch eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in dem Umstand, daß ihnen mit Schreiben der belangten Behörde vom 8. Jänner 1993 das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und ihnen eine Frist von drei Wochen zur Stellungnahme eingeräumt worden sei. Ihre Stellungnahme vom 1. Februar 1993 sei am 2. Februar 1993, somit an dem Tag, an dem der Bescheid konzipiert worden sei, bei der Behörde eingelangt, es sei nicht erkennbar, daß die Behörde die Beschwerdeführer tatsächlich "gehört" hätte. Die in der Stellungnahme der Beschwerdeführer geäußerten Bedenken seien im angefochtenen Bescheid nicht ausgeräumt worden, sie seien nicht einmal erwähnt worden.

Die Aufhebung eines Bescheides wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften setzt die Wesentlichkeit des vorliegenden Verfahrensmangels voraus (vgl. Antoniolli-Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2. Auflage, 747). Als Kriterium für die Wesentlichkeit eines Verfahrensfehlers hat die vom Gesetz in der Bestimmung des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG formulierte Bedingung zu gelten, daß bei Vermeidung des Fehlers die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der in der Stellungnahme vom 1. Februar 1993 gestellte Antrag, Erhebungsorgane des Amtes der Tiroler Landesregierung mögen die bisherigen Behauptungen überprüfen, war insofern überholt, als das Gebäude zwischenzeitlich bewohnt und die Nutzungsverhältnisse seitens der Gemeinde mit einem Schreiben vom 24. April 1992 bekanntgegeben worden waren; daß die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse von den Annahmen der Gemeindebehörden bzw. dem Ergebnis der von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen abwichen, haben die Beschwerdeführer nicht einmal behauptet.

Da sich die Beschwerde somit insgesamt als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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