Normen
BauO Wr §76 Abs10;
BauO Wr §79 Abs6;
BauO Wr §82 Abs1;
BauRallg;
BauO Wr §76 Abs10;
BauO Wr §79 Abs6;
BauO Wr §82 Abs1;
BauRallg;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit der Berufung der Mitbeteiligten gegen die mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 27. Juli 1992 erteilte Baubewilligung für eine Gerätehütte Folge gegeben und die Bewilligung versagt wurde (Punkt 1. des Bescheidspruches), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Ansuchen vom 27. Dezember 1988 beantragten die Beschwerdeführer die Baubewilligung für die Errichtung eines Um- und Zubaues sowie einer Kleingarage auf den Grundstücken Nr. 450/88 und 450/171, E.Z. 801 KG G, Wien. Projektiert war die Garage im Seitenabstand zum Grundstück Nr. 450/47 (seitliche Nachbarparzelle an der L-Gasse) mit einer Fläche von 20 m2 und die Errichtung des unterkellertern Wintergartens mit einer Fläche von 23,84 m2 an der Hinterseite des Gebäudes. Die neu zu errichtende Garage sollte mit der im Keller des Einfamilienhauses bestehenden Garage eine räumliche Einheit bilden.
Das damals maßgebende Plandokument Nr. 5779 vom 26. Juni 1985 weist die zu bebauenden Grundstücke als Bauland-Wohngebiet aus und sah innerhalb von Baufluchtlinien hinter einem 4 m tiefen Vorgarten auf 15 m Tiefe die Bauklasse I, beschränkt auf eine Gebäudehöhe von 7,50 m, und die offene Bauweise vor. Dahinter ist die gärtnerische Gestaltung vorgeschrieben. Weiters heißt es in den Bebauungsbestimmungen:
"Pro Bauplatz ist die Errichtung nur eines Nebengebäudes gestattet, das eine bebaute Fläche von maximal 20 m2 nicht überschreiten darf. Einfriedungen an den hinteren und seitlichen Grundgrenzen von Liegenschaften, die im Bauland liegen und für die die gärtnerische Gestaltung zwingend vorgeschrieben ist, sind bis zu einer Höhe von 2,0 m zulässig, wobei eine Höhe von 1,50 m durchsichtig auszubilden ist."
Der Mitbeteiligten gehört die seitliche Nachbarparzelle 450/48, die hinter der genannten
Parzelle 450/47 gelegen ist. Das oben beschriebene Projekt erreicht die Abstandsflächen zum Grundstück der Mitbeteiligten nicht. Anläßlich der Bauverhandlung vom 7. Februar 1989 erhob die erschienene Mitbeteiligte keine Einwendungen.
Mit rechtskräftigem Bescheid vom 2. März 1989 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (im folgenden: MA 37), antragsgemäß entsprechend den mit dem Sichtvermerk versehenen Plänen die begehrte Baubewilligung.
Gegenständlich ist das Ansuchen der Beschwerdeführer vom 26. Juni 1990 um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Einfriedung und eines Gartengerätehauses. Nach dem Einreichplan sollte der Gartengeräteraum ein Ausmaß von 1,60 m x 1,60 m und 2,10 m Höhe aufweisen und in einer Gartenecke in einem Abstand von je 30 cm zu den Nachbargrenzen (auch zum Grundstück der Mitbeteiligten) errichtet werden. Der Einreichplan enthält die mittels AV vom 25. Februar 1992 angebrachte Bekanntgabe der (oben wiedergegebenen) Bebauungsbestimmungen.
Mit Schreiben vom 24. März 1992 erhob die Mitbeteiligte u. a. gegen die Errichtung der Gerätehütte Einwendungen und brachte vor, aufgrund der Verpflichtung zur gärtnerischen Ausgestaltung gemäß § 5 Abs. 4 lit. p BauO sei die Errichtung von Nebengebäuden i.S.d. § 82 Abs. 3 BauO jedenfalls unzulässig. Durch jedwede Gebäudeerichtung (Gerätehütte) würde in ihr subjektiv-öffentliches Nachbarrecht auf gärtnerische Ausgestaltung dieser Flächen eingegriffen werden.
Mit Bescheid vom 27. Juli 1992 erteilte die MA 37 antragsgemäß entsprechend den mit dem Sichtvermerk versehenen Plänen unter Vorschreibung von Auflagen die begehrte Baubewilligung. Zur Gerätehütte wurde ausgeführt, sie befinde sich im Einklang mit den §§ 5 Abs. 4 lit. p und 82 Abs. 4 BauO in rund 33 m Tiefenabstand zur Baufluchtlinie.
Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Berufung und brachte hinsichtlich der Gerätehütte vor, ein Bauwich von nur 30 cm würde die erforderliche Instandhaltung der Gerätehütte schon rein aus Platzgründen vereiteln. Das Nebengebäude widerspreche den Bestimmungen der §§ 97 Abs. 1 und 129 Abs. 2 BauO. Die daraus entstehenden Gefahren für Personen und Sachen auf der Nachbarliegenschaft verletzten die Eigentümer der Nachbarliegenschaft in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten. Das Nebengebäude überschreite die zulässige Höhe und beeinträchtige auch diesbezüglich Nachbarrechte.
Die belangte Behörde hielt der Beschwerdeführerin diese Berufung vor und gab ihre Auffassung bekannt, wonach auf der gegenständlichen Liegenschaft nur EIN Nebengebäude errichtet werden dürfe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Mitbeteiligten teilweise Folge gegeben und der Bescheid der MA 37 vom 27. Juli 1992 dahingehend abgeändert, daß die Bewilligung zur Errichtung der Gerätehütte versagt wurde, Punkt 1 der Vorschreibungen entfiel, und die Abweisung und die Zurückweisung der Einwendung der Mitbeteiligten neu gefaßt wurde. Im übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Gemäß dem Einreichplan vom 27. Dezember 1988 seien der Wintergarten und die Garage gesondert in Erscheinung tretende Teile des auf der gegenständlichen Liegenschaft befindlichen Hauses. Beide Gebäudeteile überschritten nicht das für Nebengebäude an sich gesetzlich zulässige Höchstausmaß von 100 m2, wiesen nicht mehr als ein über dem anschließenden Gelände liegendes Geschoß auf und enthielten auch keine Aufenthaltsräume. So könne eine Garage schon im Hinblick auf § 87 Abs. 3 BO nicht als Aufenthaltsraum angesehen werden. Auch ein Wintergarten - im gegenständlichen Fall ein mit großen Glasfenstern versehener Vorbau eines Gebäudes, der vornehmlich zur Pflege von Pflanzen bestimmt und einem Gewächshaus verwandt sei - diene nicht dem Aufenthalt von Menschen. Sei aber bereits vom Bestehen zumindest auch nur eines Nebengebäudes auszugehen, bleibe für die Bewilligung eines weiteren Nebengebäudes aufgrund der bekanntgegebenen Bebauungsbestimmung kein Raum mehr.
Wie durch den Beschwerdepunkt klar gelegt, richtet sich die vorliegende Beschwerde nur gegen den aufhebenden Teil des Bescheides der belangten Behörde vom 8. April 1993, welche ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichtet worden war. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluß vom 4. Oktober 1993, B 1081/93, die Behandlung dieser Beschwerde ab; zur behaupteten Gesetzwidrigkeit des Plandokumentes Nr. 5779 bzw. dessen Bebauungsbestimmungen betreffend die Beschränkung der Anzahl von Nebengebäuden führte er aus, daß angesichts seiner ständigen Rechtsprechung zur Frage des Gestaltungsspielraumes des Verordnungsgebers bei der Erlassung der Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen die behauptete Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkannt werde, daß das Beschwerdevorbringen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Der Verfassungsgerichtshof trat die Beschwerde antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
In ihrer Beschwerdeergänzung erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Erlangung einer Baubewilligung für eine 2,60 m2 große hölzerne Gerätehütte verletzt und machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die Mitbeteiligte, eine Gegenschrift.
Die Beschwerdeführer replizierten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. IV der Bauordnungsnovelle LGBl. Nr. 34/1992 ist für das vorliegende, vor dem 1. Oktober 1992 eingeleitete Bauverfahren die Bauordnung für Wien in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 28/1987 (im folgenden: BO) anzuwenden. Gemäß § 134 Abs. 3 dritter Satz BO sind die Eigentümer (Miteigentümer) der benachbarten Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre in diesem Gesetz festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berühren. Solche Rechte werden durch jene Bestimmungen begründet, die dem Schutz der Nachbarn dienen; hiezu zählen jedenfalls alle Bestimmungen des Bebauungsplanes für die Bebauung der Liegenschaft sowie alle jene Bestimmungen, die Rechte zum Schutz vor Gefahren und Belästigungen, die sich auf die Nachbargrundstücke erstrecken können, zum Inhalt haben.
Im vorliegenden Fall hat die Mitbeteiligte die Einwendung erhoben, das Vorhaben widerspreche der Verpflichtung zur gärtnerischen Ausgestaltung; tatsächlich steht dem Nachbarn auf die Freihaltung einer gärtnerisch auszugestaltenden Fläche ein subjektiv-öffentliches Recht zu (siehe die Nachweise bei Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften2, 596, 603 und 612). Die belangte Behörde stützte ihre abändernde Entscheidung aber darauf, daß durch das Vorhaben das Verbot in den Bebauungsbestimmungen, mehr als ein Nebengebäude pro Bauplatz zu errichten, verletzt werde.
Die Mitbeteiligte berief sich in ihren Einwendungen, die sie nach Zustellung der Ladung zur Bauverhandlung
(2. März 1992) mit Schreiben vom 24. März 1992 erhoben hat, ausdrücklich auf das Plandokument Nr. 5779, ohne jedoch aus der Bestimmung, daß pro Bauplatz nur ein Nebengebäude errichtet werden dürfe, für sich Rechte abzuleiten. Die Einwendung wurde durch die ausdrückliche Anführung des § 5 Abs. 4 lit. p BO konkretisiert und die Verletzung des subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes auf gärtnerische Ausgestaltung geltend gemacht.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das Verbot in den Bebauungsbestimmungen, nicht mehr als ein Nebengebäude zu errichten, nicht etwa der Wahrung des Stadtbildes und der schönheitlichen Rücksichten dient, sodaß der Nachbar daraus keine Rechte ableiten kann (Geuder-Hauer, aaO 598); sollte damit die Ausnützbarkeit des Bauplatzes eingeschränkt werden (vgl. § 76 Abs. 10 BO), so hätte der Nachbar allerdings einen Anspruch auf Einhaltung dieser Bestimmung (siehe Hauer, der Nachbar im Baurecht4, 216 f).
Eine Einwendung, wonach auch diese Bestimmung des von der Beschwerdeführerin ausdrücklich zitierten Bebauungsplanes nicht eingehalten worden wäre, wurde nicht erhoben, weshalb diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 1 AVG Präklusion anzunehmen ist. Wie der Verwaltungsgerichtshof seit dem Erkenntnis des verstärkten Senates Slg. 10.317/A in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, folgt aus der beschränkten Parteistellung des Nachbarn, daß die Berufungsbehörde in ihrer Prüfungsbefugnis auf jenen Themenkreis beschränkt ist, in dem der Berufungswerber ein Mitspracherecht besitzt (siehe diesbezüglich die Ausführungen bei Hauer, Nachbar, 90 ff, insbesondere 93). Hinsichtlich solcher Einwendungen, die der Nachbar rechtzeitig erhoben hat, ist keine Präklusion eingetreten, hinsichtlich anderer Einwendungen, die nicht rechtzeitig vor oder bei der Verhandlung vor der Behörde erster Instanz vorgebracht wurden, ist die Rechtsfolge der Präklusion eingetreten und ist die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde auf jenen Themenkreis eingeschränkt, in dem der Partei (noch) ein Mitspracherecht zusteht (siehe Hauer, Nachbar, 126).
Die Berufungsbehörde war also (hinsichtlich der Gerätehütte) auf die Prüfung der Frage beschränkt, ob das Recht der Beschwerdeführerin auf Einhaltung der Verpflichtung, die Fläche gärtnerisch zu gestalten, verletzt wurde; die Verletzung anderer Bestimmungen des Bebauungsplanes durfte von der Berufungsbehörde hingegen nicht wahrgenommen werden. Nur illustrativ sei darauf hingewiesen, daß die Mitbeteiligte nicht einmal in ihrer Berufung die von der Berufungsbehörde herangezogene Rechtsverletzung geltend gemacht hat.
Durch die Nichtbeachtung der eingetretenen Präklusion verletzte die belangte Behörde die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Erteilung der begehrten Baubewilligung. Nicht unerwähnt soll allerdings bleiben, daß die Auffassung der belangten Behörde, ein mit dem Wohnzimmer unmittelbar verbundener Wintergarten sei kein Aufenthaltsraum i.S.d. § 82 Abs. 1 BO, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird.
Jedenfalls belastete die belangte Behörde dadurch, daß sie die eingetretene Präklusion nicht beachtete, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, sodaß er hinsichtlich des angefochtenen Spruchpunktes 1. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
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