Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.660,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde am 17. April 1993, einem Samstag, um
16.30 Uhr an einem näher bezeichneten Ort in Tirol von einer Gendarmeriepatrouille angetroffen, als er auf einer Baustelle mit seinem Lkw soeben den Entladevorgang beendete. Dabei stellte sich heraus, daß er keine Ausnahmegenehmigung vom Fahrverbot für Lkw an Samstagen und Sonntagen besaß. Über Anfrage beim Journaldienst der Bezirkshauptmannschaft Reutte wurde den Gendarmeriebeamten die Weisung erteilt, dem Lkw-Zug die Weiterfahrt zu erlauben, aber gegen den Lenker Anzeige zu erstatten. Daraufhin trat der Beschwerdeführer seine Fahrt an. Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 26. April 1993 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 17. April 1993 um 17.00 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Lkw-Zuges am Tatort in Fahrtrichtung Reutte gefahren zu sein, obwohl an Samstagen ab 15.00 Uhr, und Sonntagen und an gesetzlichen Feiertagen von 00.00 Uhr bis 22.00 Uhr das Befahren von Straßen mit Lastkraftwagen mit Anhängern mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t verboten sei ("§ 42 Abs. 1, 2 StVO"). Es wurde deshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 eine Geldstrafe von S 2.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) verhängt.
Gegen dieses Strafverfügung richtete der Beschwerdeführer an die Erstbehörde ein Schreiben folgenden Inhaltes:
"Am 17.4.1993 war ich bis gegen 17.00 Uhr beim Dachplatten entladen. Ich war vor 15.00 Uhr zur Baustelle gekommen und habe bis gegen 17.00 Uhr entladen. Kurz vor Beendigung des Ladevorganges kam die Polizei zur Entladestelle und erkundigte sich über meine weiteren Absichten. Im Verlauf des Gespräches mit der Polizei wurde mit gesagt, daß ab 15.00 Uhr in Österreich ein Fahrverbot wäre und ich aus diesem Grunde nicht mehr fahren dürfe.
Nachdem ich mich erkundigte, ob es keine Möglichkeit gäbe doch noch mit dem LKW nach Deutschland zu gelangen, sprach die Polizei mit ihrer vorgesetzten Dienststelle. Nach dem Gespräch wurde mir gesagt, daß ich noch nach Deutschland fahren könnte, wenn ich die Strafe bezahlen würde.
Über die Höhe der möglichen Geldbuße wurde dabei nicht gesprochen. Durch dieses Gespräch nahm ich an, daß die Geldbuße nicht so hoch wäre und es für mich günstiger ist eine kleinere Geldbuße in Kauf zu nehmen als den LKW stehen zu lassen. Hätte ich nämlich den LKW nicht nach Deutschland gefahren, hätte ich mich mit dem PKW abholen und am Montag wieder bringen lassen müssen.
Daß das Bußgeld so hoch ausfallen könnte, hatte ich nicht gedacht. Für dieses Geld hätte ich wirklich besser den LKW stehen gelassen und mich mit dem PKW abholen lassen.
Aus oben genannten Gründen bitte ich das Bußgeld doch zu reduzieren. Nachdem ich jetzt über die Höhe des Bußgeldes informiert bin, werde ich bestimmt nicht nochmals in Österreich ein Fahrverbot übertreten."
Die Bezirkshauptmannschaft Reutte erließ daraufhin am 9. Juni 1993 gegen den Beschwerdeführer ein Straferkenntnis, mit dem Beschwerdeführer neuerlich der bereits in der Strafverfügung angeführten Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und über ihn die gleiche Geldstrafe verhängt wurde. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem angefochtenen Berufungserkenntnis vom 30. September 1993 gab der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol der Berufung insofern Folge, als der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides dahingehend abgeändert wurde, daß er wie folgt zu lauten habe:
"Dem Einspruch des M gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 26.04.1993,
Zahl IIIc-St-31230/1, wird teilweise Folge gegeben und die verhängte Geldstrafe auf S 1.000,--, der Ersatzarrest auf 1 Tag, herabgesetzt. Gemäß § 64 Abs. 2 VStG beträgt die Beitragspflicht des Berufungswerbers zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens nunmehr S 100,--."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof vermag zunächst angesichts des eindeutigen Wortlautes der gegen die Strafverfügung der Erstbehörde gerichteten Eingabe des Beschwerdeführers in der Annahme der belangten Behörde, es handle sich um einen Einspruch, in dem ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe angefochten werde, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erkennen. Bei dieser Sachlage hätte zufolge § 49 Abs. 2 VStG die Erstbehörde lediglich über die Strafhöhe zu entscheiden gehabt, während hinsichtlich des Schuldspruches die Strafverfügung aufrecht blieb. Es steht daher die Vorgangsweise der belangten Behörde, welche zufolge § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen hatte, nämlich das erstbehördliche Straferkenntnis dahingehend abzuändern, daß nunmehr nur mehr über die Strafhöhe entschieden wird, mit dem Gesetz im Einklang. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt nicht vor.
Mit Recht wendet sich der Beschwerdeführer jedoch dagegen, daß die belangte Behörde bei Bemessung der Strafe nicht die Bestimmung des § 21 Abs. 1 VStG angewendet hat. Nach dieser Gesetzesstelle kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Der Tatbestand dieser Gesetzesstelle ist erfüllt, wenn - unabhängig von der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) - das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1990, Zl. 89/03/0084).
Ausgehend von den eingangs geschilderten Umständen der Tatbegehung sind diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben, wurde dem Beschwerdeführer doch von der Behörde selbst die Erlaubnis zur Weiterfahrt, wenn auch nur gegen Erstattung einer Anzeige (gleichsam als Gegenleistung) erteilt und damit dem Beschwerdeführer zu erkennen gegeben, daß diese Weiterfahrt einen ernsthaften Eingriff in von der österreichischen Rechtsordnung geschützte Werte nicht bilden kann.
Die belangte Behörde belastete daher dadurch, daß sie, anstatt die Bestimmung des § 21 Abs. 1 VStG anzuwenden, über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängte, den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das auf Zuspruch höheren Stempelgebührenaufwandes gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, da für die Beschwerde eine Eingabengebühr von lediglich S 120,-- je Ausfertigung beizubringen und der angefochtene Bescheid nur in einfacher Ausfertigung vorzulegen und mit S 60,-- zu vergebühren war.
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