Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §22;
VStG §51c;
VwGG §46;
AVG §71 Abs1 Z1;
VStG §22;
VStG §51c;
VwGG §46;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin ist schuldig, dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 3. Juni 1992 wurde die Beschwerdeführerin wegen am 30. Jänner 1991 begangener Verwaltungsübertretungen nach § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960, § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 7 Abs. 1 leg. cit. und § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 8 Abs. 2 leg. cit. schuldig erkannt, weshalb über sie Geldstrafen in Höhe von S 10.000,--, S 500,-- und S 500,-- (und Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden. Dieses Straferkenntnis wurde ihr, zu Handen ihres Rechtsvertreters, am 19. Juni 1992 zugestellt. Die Beschwerdeführerin erkannte selbst, daß ihre gegen dieses Straferkenntnis erhobene Berufung, zur Post gegeben am 6. Juli 1992, verspätet war, weshalb sie gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragte.
Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. September 1992 wurde dieser Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin abgewiesen; mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. September 1992 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als verspätet zurückgewiesen.
Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluß vom 15. Dezember 1992, B 1893, 1894/92, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Die Beschwerdeführerin beantragt, die Bescheide wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde - wobei gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG von einer Verhandlung abgesehen werden konnte - erwogen:
Den Ausführungen der Beschwerdeführerin, daß die angefochtenen Bescheide rechtswidrig seien, weil ein Einzelmitglied entschieden habe, ist zu entgegnen, daß durch die Verhängung mehrerer Geldstrafen gegen denselben Täter wegen mehrerer Verwaltungsübertretungen in einer einheitlichen Bescheidausfertigung nicht bewirkt wird, daß die Geldstrafen insgesamt zusammenzurechnen sind und eine Veränderung in der Zusammensetzung des unabhängigen Verwaltungssenates (§ 51c VStG) eintritt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Jänner 1993, Zl. 92/03/0268). Daraus ergibt sich, daß dann, wenn jede dieser Geldstrafen S 10.000,-- nicht übersteigt (und nicht primäre Freiheitsstrafen verhängt wurden), insgesamt diese Grenze aber überstiegen wird, zur Erledigung der Berufung das Einzelmitglied des unabhängigen Verwaltungssenates berufen ist, auch wenn der Beschuldigte alle Strafen anficht. Dies folgt daraus, daß es sich in solchen Fällen rechtlich gesehen nicht um einen Bescheid handelt, sondern um mehrere Bescheide, die über verschiedene Taten - also über verschiedene Sachen - absprechen (§ 22 VStG) und nur gemeinsam ausgefertigt werden. Die Höhe der über die Beschwerdeführerin verhängten Geldstrafen betrug S 10.000,--, S 500,-- und S 500,--, es lag keine primäre Freiheitsstrafe vor. Dadurch, daß ein Einzelmitglied entschied, wurden Rechte der Beschwerdeführerin somit nicht verletzt.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag einer Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Ein Verschulden des Beschwerdevertreters ist einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen (vgl. ua den hg. Beschluß vom 9. Oktober 1990, Zlen. 90/11/0177, 0180). Das Versehen eines Kanzleiangestellten des Rechtsanwaltes wie auch eines Rechtsanwaltsanwärters ist dem Rechtsanwalt als Verschulden anzurechnen, wenn er die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten (Rechtsanwaltsanwärter) unterlassen hat. Das heißt, daß der Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten hat und die für ihn tätigen Personen so zu überwachen hat, daß die erforderliche und fristgerechte Wahrung von Prozeßhandlungen bzw. die Einhaltung behördlicher Termine sichergestellt wird.
Die Beschwerdeführerin hat zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages im wesentlichen geltend gemacht, daß die Fristversäumnis auf einem unerklärlichen Irrtum bzw. Versehen des beim Beschwerdevertreter beschäftigten Rechtsanwaltsanwärters Dr. R bei der Fristvormerkung beruht. Zu dessen Aufgaben gehöre es, bezüglich der von ihm selbständig zu bearbeitenden Rechtscausen auch die diesbezüglichen Fristen betreffend Schriftsätze und Rechtsmittel zu überwachen. Diesem sei erst bei Verfassung der Berufungsschrift am 4. Juli 1992 der Irrtum offenbar geworden. In der dem Wiedereinsetzungsantrag angeschlossenen eidesstattlichen Erklärung bestätigt Dr. R, daß zu seinem Aufgabenbereich neben der selbständigen Bearbeitung von Rechtscausen auch die Überwachung und Einhaltung von Fristen gehöre. Erst nach Fertigstellung der Schriftsätze bzw. Rechtsmittel werden diese dem Beschwerdevertreter zur Durchsicht und Kontrolle vorgelegt. Von ihm (Dr. R) sei der Irrtum hinsichtlich der Fristvormerkung erst bei der Verfassung der Berufung am 4. Juli 1992 aufgedeckt worden.
Schon daraus ergibt sich, daß der Beschwerdevertreter die von ihm - auch einem verläßlichen Rechtsanwaltsanwärter gegenüber (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 16. Mai 1984, Slg. N.F. Nr. 11.439/A) - wahrzunehmenden Aufsichts- und Kontrollpflichten nicht erkennt, indem er diesem die selbständige Fristenbehandlung überläßt, und daß sich die - im übrigen nicht näher substantiierte - Behauptung im Wiedereinsetzungsantrag, daß von ihm die Arbeiten und Erledigungen des Rechtsanwaltsanwärters regelmäßig auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft werden, auf eine Kontrolle im nachhinein bezieht. Dafür, daß dem Beschwerdevertreter die ihm - wie gesagt auch hinsichtlich des Rechtsanwaltsanwärters - obliegende Überwachungspflicht im einzelnen gar nicht bewußt ist, spricht auch der Einwand in der Berufung, es dürfe sich ein Rechtsanwalt mit einem ordnungsgemäßen Kanzleibetrieb "im allgemeinen darauf verlassen, daß sein geschultes Kanzleipersonal insbesondere auch Rechtsanwaltsanwärter gewisse Arbeitsbereiche selbständig und verläßlich durchführen, dies auch in seiner Abwesenheit, sei es durch Krankheit, Urlaub etc.Ein Rechtsanwalt, der gewisse Arbeitsbereiche dem Kanzleipersonal bzw. dem Rechtsanwaltsanwärter, mögen diese auch geschult und verläßlich sein, zur selbständigen Durchführung überläßt, ohne Vorkehrungen zu treffen, damit aller Voraussicht nach Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen ausgeschlossen bleiben, verstößt gegen die ihm insoweit obliegende Sorgepflicht. Daß vom Beschwerdevertreter diesbezüglich irgendwelche Vorkehrungen getroffen worden wären, wurde von ihm im Wiedereinsetzungsantrag nicht behauptet. Der belangten Behörde ist sohin keine Rechtswidrigkeit anzulasten, wenn sie von einer Einvernahme des Beschwerdevertreters über seinen Gesundheitszustand und über seine "krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit" Abstand nahm, zumal konkrete Vorkehrungen und Kontrollmaßnahmen, die durch eine - im übrigen keineswegs - unvorhergesehene Erkrankung verhindert worden wären, nicht getroffen waren. Einem Eingehen auf die mit der Beschwerde vorgelegte ärztliche Bestätigung vom 26. November 1992 steht das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehende Neuerungsverbot entgegen. Bei diesem Sachverhalt stellt ferner die Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, die in der Berufung nicht ausdrücklich beantragt wurde, keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar.
Im Hinblick auf die dargestellten Umstände konnte die belangte Behörde von einem minderen Grad des Versehens des Beschwerdevertreters nicht mehr ausgehen. Es war daher nicht rechtswidrig, wenn sie den Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin ab- und als Folge dessen ihre verspätete Berufung zurückgewiesen hat.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)