VwGH 93/01/0870

VwGH93/01/087018.1.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des J in K, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 8. Juli 1993, Zl. Wa-108/93, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Normen

VwRallg;
WaffG 1986 §12 Abs1;
WaffG 1986 §20 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs1;
WaffG 1986 §6;
VwRallg;
WaffG 1986 §12 Abs1;
WaffG 1986 §20 Abs1;
WaffG 1986 §6 Abs1;
WaffG 1986 §6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 1. Februar 1992 gab die Ehegattin des Beschwerdeführers am Gendarmerieposten Gmünd niederschriftlich an, daß sie der Beschwerdeführer schon öfters geschlagen und mißhandelt habe, sodaß sie bei Nacht und Nebel das Haus habe verlassen müssen, um die Nacht bei Nachbarn oder in einem Heuschober zu verbringen. Am selben Tag sei ihr Ehegatte nach Hause gekommen und habe sie beschimpft, weil sie im Bett gelegen sei. Sie sei krank gewesen. Sie habe daraufhin das Radio aufgedreht. Dann sei der Beschwerdeführer ins Schlafzimmer gekommen, habe sie angeschrieen, geschlagen und getreten. Der Beschwerdeführer habe das Beleuchtungsbord mit dem Radio von der Wand gerissen und es demoliert und habe sie aus dem Bett gerissen. Sie habe dann nach ihrer Tochter gerufen, woraufhin der Beschwerdeführer sie in Ruhe gelassen habe. Sie habe durch die Schläge und Tritte zwar keine sichtbaren Verletzungen erlitten, verspüre aber trotzdem Schmerzen im Kopf- und Hüftbereich. Da der Beschwerdeführer sie schon öfters geschlagen und auch wiederholtes Intervenieren der Gendarmerie nichts genützt habe, erstatte sie Anzeige. Ihr Mann sei immer nur dann gewalttätig, wenn er Alkohol getrunken habe. Als besonderen Vorfall gab die Ehegattin des Beschwerdeführers bei dieser Einvernahme noch an, daß ihr Mann, um sie einzuschüchtern, einmal ein Jagdgewehr neben sein Bett gestellt habe. Beamte der Gendarmerie konnten am selben Tag das samt den Befestigungsdübeln aus dem Mauerwerk gerissene Bord über dem Bett und die Beschädigung des Nachtkästchens feststellen. Der Beschwerdeführer stellte den Vorfall vom 1. Februar 1992 bei seiner Einvernahme am folgenden Tag so dar, daß seine Ehegattin dagegen gewesen sei, daß er fernsehe, weshalb er die Fernsteuerung des Fernsehers zu Boden geworfen und das Radio im Schlafzimmer zu Boden gerissen habe. Er bestritt, daß er seine Ehegattin geschlagen habe. Zu Tätlichkeiten sei es nicht gekommen. Er habe sie nicht angegriffen.

Die Bezirkshauptmannschaft Gmünd sprach in der Folge mit Mandatsbescheid vom 11. Februar 1992 gegen den Beschwerdeführer ein Waffenverbot aus. In der dagegen erhobenen Vorstellung führte der Beschwerdeführer aus, daß der Vorfall vom 1. Februar 1992 "ein einmaliger Ausrutscher" gewesen sei. Er habe zwar mit seiner Ehegattin schon öfters Streit gehabt, jedoch nie beabsichtigt, seine Frau oder Mitglieder seiner Familie zu verletzen, zu bedrohen oder ihnen sonst körperlich näherzutreten. Der Vorfall vom 1. Februar 1992 sei dadurch zustandegekommen, daß er durch berufliche Überlastung momentan "durchgedreht" und "die Kontrolle über sich verloren" habe.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 12. August 1992 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1986 der Besitz von Waffen und Munition verboten. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß die niederschriftlich festgehaltenen Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers vom 1. Februar 1992 zeigten, daß er wiederholt ein aggressives, unbeherrschtes Verhalten gezeigt habe. Beim Vorfall am 1. Februar 1992 habe er nach den Angaben seiner Ehegattin auf sie eingeschlagen und eingetreten. Er habe dann das Beleuchtungsbord samt Radio von der Wand gerissen und demoliert. Zu diesem Vorfall habe der Beschwerdeführer in der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid ausgeführt, dieser Vorfall sei dadurch zustandegekommen, daß er durch berufliche Überlastung momentan "durchgedreht" habe und die Kontrolle über sich verloren habe. Die Berufungsbehörde sehe keine Veranlassung, die Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers zum Vorfall vom 1. Februar 1992 in Zweifel zu ziehen, zumal sie vom Beschwerdeführer selbst bestätigt worden seien. Daß das Verhalten des Beschwerdeführers zu keiner gerichtlichen Bestrafung geführt habe, sei ohne Bedeutung. Das Verhalten des Beschwerdeführers am 1. Februar 1992 zeige ein hohes Aggressionspotential, und es könne nicht ausgeschlossen werden, "daß der Berufungswerber in einer ähnlichen Situation wiederum "durchdreht" und die Kontrolle über sich verliert". Es sei ihm somit auch die mißbräuchliche Verwendung einer Waffe durchaus zuzutrauen. Die im Verfahren eingeholten Gutachten medizinischer Sachverständiger würden im Ergebnis diese Schlußfolgerung stützen. Aufgrund dieser Gutachten habe der Beschwerdeführer insbesondere eine erhöhte Aggressionsbereitschaft mit unzureichend ausgebildeten Brems-, Steuerungs- und Kontrollmechanismen. Es sei daher die Annahme gerechtfertigt, daß der Beschwerdeführer durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem Recht auf den Besitz von Waffen und Munition verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 1 Waffengesetz 1986, BGBl. Nr. 443, hat die Behörde einer Person den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß diese Person durch mißbräuchliche Verwendung von Waffen die öffentliche Sicherheit gefährden könnte. Diese Bestimmung dient, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat (siehe u.a. die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 1987, Zlen. 85/01/0004, 85/01/0208, und vom 23. November 1988, Zl. 88/01/0186), offensichtlich der Verhütung einer mißbräuchlichen Verwendung von Waffen und setzt nicht voraus, daß bereits tatsächlich eine solche mißbräuchliche Verwendung stattgefunden hat. Es genügt daher, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die begründete Besorgnis erwecken, daß von der Waffe ein die Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigender gesetzwidriger und zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1992, Zl. 91/01/0175). Dabei ist nach dem dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweck bei der Beurteilung der auch mit dem Besitz von Schußwaffen verbundenen Gefahren ein strenger Maßstab anzulegen. Voraussetzung für die Verhängung eines Waffenverbotes ist die gerechtfertigte Annahme der Gefahr eines Mißbrauches von Waffen, somit ein strengerer Verbotstatbestand in Form einer möglichen qualifizierten Verwendungswidrigkeit einer Waffe (vgl. u.a. die

hg. Erkenntnisse vom 23. April 1986, Zl. 86/01/0047, vom 29. April 1987, Zl. 85/01/0274, und vom 21. Oktober 1987, Zl. 87/01/0140).

Wenn der Beschwerdeführer zunächst im Rahmen des Vorwurfes einer unrichtigen Beweiswürdigung und mangelhaften Sachverhaltsfeststellung rügt, die belangte Behörde habe sich auf eine letztlich "unbewiesene Anzeige" betreffend den Vorfall vom 1. Februar 1992 gestützt, und damit offensichtlich meint, es habe in bezug auf diesen angezeigten Vorfall keine Strafverfolgung stattgefunden, ist darauf hinzuweisen, daß die Gefahr einer mißbräuchlichen Verwendung einer Waffe nicht nur in bezug auf ein Verhalten anzunehmen ist, das zu einer strafgerichtlichen Verurteilung geführt hat (siehe das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 1991, Zl. 91/01/0128). Sofern der Beschwerdeführer aber auf die seiner Auffassung nach unzutreffenden Angaben seiner Ehefrau bei ihrer Einvernahme am 1. Februar 1992 verweist, daß er sie mit seinem Jagdgewehr im ehelichen Schlafzimmer eingeschüchtert habe, genügt es, darauf zu verweisen, daß sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung auf diese Angaben der Ehefrau nicht berufen hat. Im Hinblick auf den von der belangten Behörde allein für maßgeblich erachteten Vorfall vom 1. Februar 1992 hat jedoch der Beschwerdeführer in seiner Vorstellung selbst zugegeben, daß er wegen beruflicher Überlastung "durchgedreht" und die Kontrolle über sich verloren habe. Der Beschwerdeführer hat sich in seiner (von ihm begründeten) Vorstellung nicht gegen die Ausführungen im Mandatsbescheid vom 11. Februar 1992 gewendet, daß er seine Frau mit Tritten und Faustschlägen tätlich mißhandelt habe. Der Beweiswürdigung der belangten Behörde kann im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer dazu vorgebrachten Verantwortungen nicht entgegengetreten werden, wenn sie von den Aussagen der Ehefrau des Beschwerdeführers über den Vorfall vom 1. Februar 1992 ausging.

Das aus dem Vorfall vom 1. Februar 1992 von der belangten Behörde abgeleitete hohe Aggressionspotential des Beschwerdeführers stellt aber - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - im Zusammenhalt mit der Überlegung der belangten Behörde, daß nicht ausgeschlossen werden könne, daß der Beschwerdeführer in einer ähnlichen Situation wiederum "durchdrehe" und die Kontrolle über sich verliere, sehr wohl einen konkreten Umstand dar, der die begründete Besorgnis erwecken konnte, daß der Beschwerdeführer von einer Waffe einen die Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit beeinträchtigenden gesetz- und zweckwidrigen Gebrauch machen könnte. Diese Schlußfolgerung der belangten Behörde wird auch durch die Gutachten vom 21. Jänner 1993 und vom 19. März 1993, in denen eine leicht erhöhte Aggressionsbereitschaft des Beschwerdeführers mit unzureichend ausgebildeten Brems-, Steuerungs- und Kontrollmechanismen festgestellt wurde, unterstützt. Dies muß dem Beschwerdeführer auch entgegengehalten werden, wenn er die Auffassung vertritt, daß die belangte Behörde bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr für eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen, wie sie § 12 Abs. 1 leg. cit. verlange, seine Tätigkeit als Besitzer einer Jagdkarte seit 1954 bzw. als Jagdschutzorgan seit 1959 mit zu berücksichtigen gehabt hätte, woraus sich keinerlei Anhaltspunkte für ein leichtfertiges Umgehen mit Waffen ergeben würde. Er führe als Jagdorgan eine Faustfeuerwaffe, die alle zwei Jahre überprüft werde, was nie zu Beanstandungen geführt habe. Der Sachverhalt sei nach Auffassung des Beschwerdeführers nicht ausreichend ermittelt, wenn sich die belangte Behörde nur auf den Vorfall vom 1. Februar 1992 stütze und sonst keine Feststellungen hinsichtlich einer "möglichen mißbräuchlichen stattgefundenen oder zukünftigen Verwendung" von Waffen treffe. Der Begriff der "öffentlichen Sicherheit" im § 12 Abs. 1 leg. cit. ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in einem weiten Sinn zu verstehen und erfaßt nicht nur die Gefährdung der Sicherheit an einem öffentlichen Ort, sondern auch etwa die Gefährdung der Sicherheit in einer Privatwohnung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Mai 1981, Zlen. 81/01/0027, 0028).

Der Beschwerdeführer ist im übrigen auch nicht im Recht, wenn er meint, daß die im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten im Widerspruch zu jenen Gutachten stünden, die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholt worden seien. Auch in den beiden Gutachten des erstinstanzlichen Verfahrens wird von der leicht erregbaren Persönlichkeitsstruktur des Beschwerdeführers mit einer verminderten Frustrationstoleranz gesprochen.

Soweit der Beschwerdeführer auch im Rahmen der von ihm geltend gemachten inhaltlichen Rechtswidrigkeit meint, daß keine Feststellungen vorlägen, die es schlüssig erscheinen ließen, daß eine mißbräuchliche Verwendung im Sinne des § 12 Waffengesetz 1986 vorliege, ist auf die vorangegangenen Ausführungen zu verweisen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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