Normen
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §11;
AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §11;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 21. Jänner 1993 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, ihm die österreichische Staatsbürgerschaft zu verleihen, abgewiesen. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, der am 29. September 1936 in Lemberg geborene (staatenlose) Beschwerdeführer sei im Jahre 1944 als Kind nach Österreich gekommen und lebe - seinen Angaben zufolge - seither hier. Wegen gerichtlicher Verurteilungen habe die Bundespolizeidirektion Innsbruck gegen ihn am 15. September 1956 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, das mit Wirkung vom 10. Mai 1974 aufgehoben worden sei. In den letzten Jahren (d.h. zwischen dem 28. Juli 1987 und dem 16. Oktober 1990) seien gegen den Beschwerdeführer wegen 15 - im einzelnen genannter - Verwaltungsübertretungen rechtskräftige Strafen verhängt worden. Dabei handle es sich durchwegs um Übertretungen von Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung und des Kraftfahrgesetzes. Es seien darunter auch zwei als sehr gravierend zu wertende Strafen, und zwar wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand in dem einen und "Verweigerung des Alkotests trotz vermutlicher Alkoholbeeinträchtigung beim Lenken eines Kraftfahrzeugs" in dem anderen Fall. Der Beschwerdeführer lebe schon sehr lange in Österreich, sei hier offensichtlich integriert und werde als Staatenloser behandelt. Allerdings habe er durch die wiederholte Übertretung von Rechtsvorschriften seine negative Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung deutlich zum Ausdruck gebracht. Die Verstöße seien so zahlreich und zum Teil auch so gravierend, daß die damit bewirkte Verletzung öffentlicher Interessen die aufgezeigten positiven Aspekte bei der Ermessensübung überwiege, weshalb eine Ermessensentscheidung nicht im Sinne des Antrages des Beschwerdeführers getroffen werden könne. Einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft besitze der Beschwerdeführer mangels Erfüllung der dafür maßgeblichen Voraussetzungen nicht.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im "Recht auf fehlerfreie Ermessensentscheidung sowie im Recht verletzt, bei Erfüllung eines Rechtsanspruchtatbestandes die Staatsbürgerschaft verliehen zu bekommen". Er bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe, indem sie selbst davon ausgehe, daß sie eine Ermessensentscheidung zu treffen gehabt habe, die "Verläßlichkeit" des Beschwerdeführers im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG 1985 bejaht. Demgemäß könnten die in der angefochtenen Entscheidung relevierten Verwaltungsübertretungen des Beschwerdeführers nicht als allzu gravierend betrachtet werden. In der Tat sei der Beschwerdeführer nahezu ausschließlich wegen "geringfügigster Verwaltungsübertretungen" nach der Straßenverkehrsordnung und dem Kraftfahrgesetz, u.a. wegen Verstoßes gegen ein Parkverbot, gegen die "Anhaltepflicht bei einer Stopp-Tafel" sowie wegen des Nichtmitführens des Führer- und des Zulassungsscheines bestraft worden. Lediglich die Übertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO im Jahre 1987 und "nach § 5 Abs. 2 StVO" im Jahre 1990 lägen über dem "Bagatell-Bereich". Zwar habe die Behörde im Rahmen der Ermessensausübung gemäß § 11 Staatsbürgerschaftsgesetz Verwaltungsübertretungen zu berücksichtigen. Allerdings seien Fremde, die sich Verstöße gegen die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dienenden Schutznormen zuschulden hätten kommen lassen, nur dann von der Verleihung der Staatsbürgerschaft ausgeschlossen, wenn aus der Art, der Schwere und der Häufigkeit dieser Übertretungen erkennbar sei, daß sie den zur Vermeidung von Gefahren für das Leben und die Gesundheit von Menschen sowie der allgemeinen Sicherheit erlassenen Gesetzen gegenüber negativ eingestellt seien und in diesem Sinne eine negative Zukunftsprognose aufgestellt werden müsse. Die festgestellten Verwaltungsübertretungen seien jedoch bei weitem nicht ausreichend, um eine derart negative Zukunftsprognose aufzustellen bzw. um daraus eine negative Einstellung des Beschwerdeführers zur österreichischen Rechtsordnung abzuleiten. Im übrigen hätte die belangte Behörde ihrer Ermessensentscheidung auch die dem Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 zugrundeliegenden Prinzipien heranzuziehen und demgemäß besonders in Kalkül zu ziehen gehabt, daß der Beschwerdeführer seit seiner Kindheit in Österreich lebe, hier gänzlich integriert sei, aufgrund der gegebenen Situation jedenfalls in Österreich bleiben werde und, abgesehen von den festgestellten Verwaltungsübertretungen, in den letzten Jahrzehnten in keiner Weise negativ aufgefallen sei. Auch hätte in diesem Zusammenhang das Grundprinzip der Vermeidung von Staatenlosigkeit beachtet werden müssen. Schließlich reiche die Feststellung der belangten Behörde, das im Jahre 1956 gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot sei mit Wirkung vom 10. Mai 1974 aufgehoben worden, nicht aus, um feststellen zu können, ob eine Unterbrechung des Wohnsitzfristenlaufes gemäß § 15 Abs. 1 StbG tatsächlich zu beachten sei oder nicht. Die belangte Behörde habe nämlich keine Feststellung getroffen, aus welchem Grund das Aufenthaltsverbot tatsächlich aufgehoben worden sei. Gehe man jedoch davon aus, daß das Aufenthaltsverbot deshalb aufgehoben worden sei, weil ursprünglich die Voraussetzungen für seine Erlassung nicht erfüllt gewesen wären, so habe der Beschwerdeführer einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft.
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - freilich nicht nur festgestellt, daß das im Jahre 1956 gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot mit Wirkung vom 10. Mai 1974 aufgehoben wurde, sondern sie hat (in Übereinstimmung mit den vorgelegten Verwaltungsakten - insbesondere mit der Begründung des das Aufenthaltsverbot aufhebenden Bescheides -) auch festgestellt, daß diese Aufhebung nicht deshalb erfolgte, weil sich dessen Erlassung als unbegründet erwiesen hätte. Das diesbezügliche, die Verletzung eines Rechtsanspruches des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft behauptende Beschwerdevorbringen geht daher im Grunde des § 15 Abs. 2 StbG fehl.
Allerdings hat die belangte Behörde, die davon ausgegangen ist, daß im vorliegenden Fall kein Verleihungshindernis im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 1 bis 8 StbG gegeben ist, es unterlassen, die von ihr daraufhin im Rahmen des gemäß § 11 leg. cit. auszuübenden freien Ermessens getroffene Entscheidung so zu begründen, daß eine Überprüfung, ob sie von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, möglich ist (vgl. zum Begründungserfordernis von Ermessensentscheidungen die bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I (1987) 539 f referierte hg. Judikatur). Zwar hat sie ausgeführt, daß es sich bei den Verwaltungsübertretungen des Lenkers eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand und der Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf deren Alkoholgehalt um schwerwiegende Übertretungen handelt. Dem angefochtenen Bescheid sind aber - über das Aufzeigen dieser und anderer, nicht als gleichermaßen "gravierend" gewerteten Verwaltungsübertretungen gegen das Kraftfahrgesetz und die Straßenverkehrsordnung hinaus - keinerlei Ausführungen darüber zu entnehmen, aus welchen Gründen dadurch eine negative Einstellung des Beschwerdeführers zur (genannten) österreichischen Rechtsordnung zum Ausdruck komme, sowie aus welchen Gründen die für den Beschwerdeführer sprechenden Gründe dadurch überwiegen würden. Derartige Ausführungen wären aber umso notwendiger gewesen, als der Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde selbst einräumt - immerhin bereits fünfzig Jahre in Österreich lebt, hier integriert und überdies staatenlos ist, sodaß jedenfalls nicht ohne weiteres von einem Überwiegen der aufgezeigten, gegen den Beschwerdeführer sprechenden Umstände gesprochen werden könnte.
Mangels entsprechender Ausführungen leidet der angefochtene Bescheid daher an einem wesentlichen Begründungsmangel, der gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG zu seiner Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führen mußte.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
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