VwGH 92/18/0311

VwGH92/18/03118.10.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde der A, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 25. Mai 1992, Zl. St - 58/92, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §14 Abs3;
AVG §15;
AVG §39a;
AVG §46;
AVG §52 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
AVG §14 Abs3;
AVG §15;
AVG §39a;
AVG §46;
AVG §52 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine türkische Staatsangehörige, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 sowie Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 25. März 1997 befristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet Österreich erlassen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführerin gegenüber der österreichischen Botschaft in Ankara, von der ihr am 12. September 1991 ein bis zum 12. Dezember 1991 gültiger Sichtvermerk ausgestellt worden sei, insofern unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthaltes gemacht habe, als sie angegeben habe, zu Besuchszwecken für die Dauer von drei Monaten nach Österreich zu reisen, obwohl sie beabsichtigt habe, in Österreich eine Arbeit aufzunehmen und länger als drei Monate zu verbleiben. Am 19. Februar 1992 habe sie einen Antrag auf Erteilung eines Wiedereinreisesichtvermerks eingebracht und dabei angeführt, seit 15. Jänner 1992 bei einem Unternehmen in Linz beschäftigt zu sein. Wegen ihres seit dem 13. Dezember 1991 unerlaubten Aufenthaltes in Österreich sei sie wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes rechtskräftig bestraft worden. Bei der Interessenabwägung gemäß § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz berücksichtigte die belangte Behörde, daß sich die Beschwerdeführerin erst seit so kurzer Zeit im Bundesgebiet aufhalte, daß noch nicht davon gesprochen werden könne, sie sei hier integriert. Sie habe zwar einen Bruder in Österreich, doch lebten ihre beiden Kinder im Alter von fünf und einem Jahr bei ihrer Mutter in der Türkei. Die Tätigkeit als Raumpflegerin, die die Beschwerdeführerin jetzt ausübe, sei nicht an einen Aufenthalt im Bundesgebiet gebunden. In Anbetracht ihres Alters von 36 Jahren könne erwartet werden, daß die Beschwerdeführerin auch anderswo noch eine Beschäftigung finde. Nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin; das Aufenthaltsverbot erscheine zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung dringend geboten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

In der Beschwerde wird geltend gemacht, daß die den Sachverhaltsfeststellungen zugrundegelegte Niederschrift vom 25. März 1992 (über die Vernehmung der Beschwerdeführerin) kein taugliches Beweismittel bilde, weil kein Dolmetscher für die türkische Sprache beigezogen worden sei und die Beschwerdeführerin die Unterschrift verweigert habe. Dem ist folgendes zu erwidern:

Gemäß § 14 Abs. 3 AVG ist jede Niederschrift den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen, wenn sie nicht darauf verzichten, vorzulesen und von ihnen durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zu bestätigen. Hat eine Person die Fertigung verweigert, so ist unter Angabe des Grundes, aus dem die Fertigung nicht erfolgte, die Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe von dem die Amtshandlung leitenden Organ ausdrücklich zu bestätigen.

Im Beschwerdefall enthält die Niederschrift vom 25. März 1992, deren Fertigung von der Beschwerdeführerin verweigert wurde, nicht die ausdrückliche Bestätigung der Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe. Für diese Niederschrift gilt daher nicht die volle Beweiskraft nach § 15 AVG, doch kann sie gleichwohl nach § 46 AVG als Beweismittel für die darin beurkundeten Tatsachen verwendet werden, welches der freien Beweiswürdigung unterliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1982, Zl. 592/80 = Slg. Nr. 10743/A - nur Rechtssatz). Da sich im Verwaltungsverfahren keinerlei Anhaltspunkte für eine etwaige Unrichtigkeit der Niederschrift ergaben, zumal auch die Beschwerdeführerin diesbezüglich keine konkreten Behauptungen aufstellte, konnte die belangte Behörde - ohne ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit zu belasten - von der Richtigkeit der schriftlichen Wiedergabe in der Niederschrift ausgehen.

Ist eine Partei der deutschen Sprache nicht hinreichend kundig, so ist gemäß § 39a AVG erforderlichenfalls der der Behörde beigegebene oder zur Verfügung stehende Dolmetscher (Amtsdolmetscher) beizuziehen. Die §§ 52 Abs. 2 und 53 AVG sind sinngemäß anzuwenden.

Im Beschwerdefall wurde der Vernehmung der - offenbar der deutschen Sprache nicht hinreichend kundigen - Beschwerdeführerin am 25. März 1992 nicht ein Amtsdolmetscher, sondern eine sprachkundige Verwandte der Beschwerdeführerin ohne Beeidigung als Dolmetscherin beigezogen.

Die Heranziehung eines nicht amtlichen Dolmetschers ist nach dem sinngemäß anzuwendenden § 52 Abs. 2 erster Satz AVG nur dann statthaft, wenn ein Amtsdolmetscher nicht zur Verfügung steht oder es mit Rücksicht auf die Besonderheit des Falles geboten ist. Daß diese Voraussetzungen im Beschwerdefall gegeben gewesen wären, geht aus der Aktenlage nicht hervor. Darüber hinaus wäre der nicht amtliche Dolmetscher nach der genannten Bestimmung, sofern er nicht schon für die Tätigkeit als Dolmetscher im allgemeinen beeidet ist - was im Beschwerdefall gleichfalls nicht aktenkundig ist -, zu beeiden gewesen. Ein Verstoß gegen diese Verfahrensvorschriften führt jedoch nur dann zur Aufhebung des Bescheides, wenn er relevant im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Juni 1987, Zlen. 83/05/0146, 0147 = Slg. Nr. 12492/A - nur Rechtssatz). Daß die unterlaufenen Verfahrensmängel im Beschwerdefall von Einfluß auf den Inhalt des Bescheides gewesen sein könnten, ist nicht zu erkennen, hat doch nicht einmal die Beschwerdeführerin behauptet, daß ihre Aussage von der beigezogenen Dolmetscherin nicht richtig übersetzt worden sei. Zu einer neuerlichen Vernehmung der Beschwerdeführerin unter Beiziehung eines Amtsdolmetschers bestand daher keine Veranlassung.

Zusammenfassend hegt der Verwaltungsgerichtshof gegen die Berücksichtigung der in der Niederschrift vom 25. März 1992 festgehaltenen Aussage der Beschwerdeführerin, sie sei nach Österreich eingereist, weil sie hier habe arbeiten wollen, keine Bedenken. Wenn die belangte Behörde aus dieser Aussage ableitete, daß die Beschwerdeführerin vor der österreichischen Botschaft in Ankara, um sich die Einreise zu verschaffen, den wahren Zweck ihres Aufenthaltes in Österreich, nämlich die Aufnahme einer Arbeit, verheimlicht habe, so kann ihr im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Prüfung der Beweiswürdigung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0083) nicht entgegengetreten werden.

Aufgrund des somit in unbedenklicher Weise festgestellten Sachverhaltes durfte die belangte Behörde den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz als verwirklicht und die im § 3 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme als gerechtfertigt ansehen. Daß die Beschwerdeführerin - wie sie in der Beschwerde vorbringt - erst in Österreich den Entschluß gefaßt habe, "für länger hier zu bleiben", entbehrt der Grundlage in den Sachverhaltsfeststellungen.

Auch die im Grunde des § 3 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz vorgenommene Interessenabwägung ist nicht als rechtswidrig zu erkennen. Mit dem Hinweis darauf, daß ihre "Lebensverhältnisse geordnet" gewesen seien, vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen, daß die belangte Behörde wesentliche zu ihren - der Beschwerdeführerin - Gunsten sprechende Umstände nicht berücksichtigt hätte. Mit Recht hat die belangte Behörde schon im Hinblick auf die kurze Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und den dadurch bewirkten Mangel der Integration den hier maßgebenden öffentlichen Interessen wesentlich größeres Gewicht beigemessen als den privaten Interessen der Beschwerdeführerin am weiteren Aufenthalt in Österreich.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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