Normen
AsylG 1968 §5 Abs3;
B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 1954 §10a Abs1;
VwRallg;
AsylG 1968 §5 Abs3;
B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 1954 §10a Abs1;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark (der belangten Behörde) vom 10. Dezember 1991 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10a des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. Nr. 75/1954 idF BGBl. Nr. 451/1990, (FrPolG) aus Österreich ausgewiesen.
Sachverhaltsmäßig ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, am 1. Oktober 1990 von der italienischen Botschaft in Ankara einen bis 31. März 1991 gültigen Sichtvermerk erhalten habe und sich von Oktober 1990 bis 18. August 1991 (vorerst legal, ab 31. März 1991 illegal) in Italien aufgehalten habe. Am 18. August 1991 sei er mit weiteren drei Personen von Mailand an die italienisch-österreichische Grenze gefahren und dort von zwei türkischen Schleppern über die Grenze nach Österreich gebracht worden. Von hier sei er nach Graz gefahren, wo in der Folge von einem Rechtsanwalt für S 2.000,-- ein Asylantrag formuliert worden sei. Dem Berufungseinwand des Beschwerdeführers, ihm komme gemäß § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes die vorläufige Aufenthaltsberechtigung in Österreich zu, sei § 5 Abs. 3 dieses Gesetzes entgegenzuhalten. Danach komme einem Asylwerber die vorläufige Aufenthaltsberechtigung nicht zu, wenn er in einem anderen Staat "anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden habe". Unbestritten sei, daß sich der Beschwerdeführer mit Wissen und Duldung der italienischen Organe aufgrund des ihm von der italienischen Botschaft in Ankara erteilten Sichtvermerkes vom 1. Oktober 1990 bis 31. März 1991 in Italien aufgehalten habe. Sein Ziel sei es jedoch gewesen, nach Österreich zu gelangen, was ihm mit Hilfe zweier Schlepper auch gelungen sei. Was den in der Folge gestellten Asylantrag betreffe, so habe schon aufgrund seiner Angaben davon ausgegangen werden müssen, daß ihm die Aussichtslosigkeit seines Asylantrages bewußt gewesen sei, und daß dieser Antrag nur dem Zweck gedient habe, die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu erlangen. Deshalb habe sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der "Erlassung der Ausweisung" nicht auf eine derartige Berechtigung berufen können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptende Beschwerde, mit dem Begehren, den bekämpften Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.
3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 10a Abs. 1 FrPolG können Fremde, die unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist sind und nicht zurückgeschoben werden dürfen, innerhalb eines Zeitraumes von vier Monaten nach der Einreise mit Bescheid ausgewiesen werden.
1.2. Nach § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes (BGBl. Nr. 126/1968) ist der Asylwerber bis zum rechtskräftigen Abschluß des Feststellungsverfahrens (§ 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn er den Antrag auf Asylgewährung innerhalb von zwei Wochen ab dem Zeitpunkt stellt, in dem er in das Bundesgebiet eingereist ist oder in dem er von der Gefahr einer Verfolgung aus einem der im Artikel 1 Abschnitt A Ziffer 2 der Konvention angeführten Gründe Kenntnis erlangt hat.
Zufolge des § 5 Abs. 3 leg. cit. kommt die vorläufige Aufenthaltsberechtigung einem Asylwerber nicht zu, der auf Grund einer bereits getroffenen rechtskräftigen Feststellung nach § 1 oder § 3 nicht Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, oder der bereits in einem anderen Staat Anerkennung nach der Konvention oder anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat; seine Aufenthaltsberechtigung richtet sich in diesen Fällen ausschließlich nach den Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes.
2. Zu dem Beschwerdevorbringen, die belangte Behörde habe das Wesen des § 10a Abs. 1 FrPolG als einer Ermessenbestimmung verkannt, bzw. sei dem angefochtenen Bescheid eine gesetzesgemäße Ermessensübung und Ermessensbegründung nicht zu entnehmen, vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht, daß § 10a Abs. 1 FrPolG der Behörde kein Ermessen einräumt, diese vielmehr dahingehend gebunden ist, daß sie bei Vorliegen der in dieser Norm genannten Voraussetzungen (zwingend) die Ausweisung auszusprechen hat. Dies im Hinblick darauf, daß dem Gesetz nicht entnommen werden kann, in welchem Sinn die Behörde von dem freien Ermessen - wäre ihr ein solches eingeräumt - Gebrauch zu machen hätte. An diesem im Wege einer verfassungskonformen Interpretation des § 10a Abs. 1 leg. cit. gewonnenen Ergebnis vermag auch der Gebrauch des Wortes "kann" nichts zu ändern (vgl. dazu die bei RINGHOFER, Verwaltungsverfahrensgesetze I, S. 76 unter E 17. angeführte Judikatur).
3. Der Beschwerdeführer weist zu Recht darauf hin, daß die Annahme der belangten Behörde, ihm sei die Aussichtslosigkeit seines Asylantrages bewußt gewesen, er habe den Asylantrag nur zum Zweck der Erlangung einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung, also nicht, um als Flüchtling anerkannt zu werden, gestellt, durch die Aktenlage nicht gedeckt sei. Unter Zugrundelegung der Angaben des Beschwerdeführers im Asylverfahren (Niederschrift der Bundespolizeidirektion Graz vom 5. September 1991) ist in der Tat nicht nachvollziehbar, inwieweit die besagte behördliche Annahme "schon auf Grund seiner (d.i. des Beschwerdeführers) Angaben" gerechtfertigt sein könnte, liefert doch diese Niederschrift keinen Anhaltspunkt dafür, daß es der Beschwerdeführer mit seinem Asylantrag nicht ernst gemeint hätte bzw. daß ihm, wie von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung festgehalten, die Aussichtslosigkeit eines solchen Antrages bewußt gewesen wäre.
4. Ungeachtet dessen ist der Beschwerde kein Erfolg beschieden, da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides unter Bedachtnahme auf die weitere Begründung desselben darzutun.
Die belangte Behörde hat in der Bescheidbegründung (auch und zunächst) die Ansicht vertreten, daß beim Beschwerdeführer die Ausnahmebestimmung des § 5 Abs. 3 Asylgesetz zum Tragen komme, d.h. diesem die verläufige Aufenthaltsberechtigung in Österreich gemäß § 5 Abs. 1 leg. cit. deshalb nicht zukomme, weil er "bereits in einem anderen Staat ... anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat". Von letzterem kann nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. September 1991, Zl. 91/19/0231, m.w.N.) dann gesprochen werden, wenn zum einen der Asylwerber bei der Rückkehr in diesen Staat nicht Gefahr läuft, in seinen Heimatstaat (oder - sofern er staatenlos ist - in den Staat, in dem er seinen ordentlichen Wohnsitz gehabt hat) abgeschoben zu werden, und zum anderen feststeht, daß der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des betreffenden Staates bekannt war und von diesen geduldet wurde.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde, vom Beschwerdeführer unbestritten, festgestellt, daß dieser im Besitz eines von der italienischen Botschaft in Ankara ausgestellten Sichtvermerkes (Gültigkeitsdauer 1. Oktober 1990 bis 31. März 1991) im Oktober 1990 in Italien eingereist sei, sich dort bis 18. August 1991 aufgehalten habe und schließlich an diesem Tag von Schleppern illegal über die italienisch-österreichische Grenze gebracht worden sei.
Von da her gesehen ist die belangte Behörde auf dem Boden der oben wiedergegebenen hg. Rechtsprechung in rechtlich unbedenklicher Weise zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beschwerdeführer "bereits in einem anderen Land ... anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat". Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge (s. Niederschrift der Bundespolizeidirektion Graz vom 5. September 1991) in Italien mehrmals versucht hatte, Asyl zu beantragen, die Asylanträge aber "nicht behandelt" wurden. Denn abgesehen von der Unbestimmtheit dieser Aussage, die es keineswegs als gewiß erscheinen läßt, daß der Beschwerdeführer einen förmlichen Asylantrag gestellt hat und dieser von der zuständigen italienischen Behörde förmlich negativ beschieden worden ist, bietet sich kein Anhaltspunkt dafür, daß der Beschwerdeführer, hätte er tatsächlich erfolglos einen Asylantrag gestellt, im Hinblick darauf Gefahr liefe, bei einer Rückkehr nach Italien von dort in seinen Heimatstaat (Türkei) abgeschoben zu werden. Nicht unerwähnt soll dazu bleiben, daß der Beschwerdeführer in der Beschwerde selbst die Meinung vertritt, in Italien Schutz vor Verfolgung gefunden zu haben.
5. In Anbetracht der somit inhaltlich mit dem Gesetz in Einklang stehenden angefochtenen Entscheidung entbehrt die Verfahrensrüge jedenfalls der Relevanz. Insbesondere hätte weder das Ergebnis der vom Beschwerdeführer vermißten Ermittlung seiner "derzeitigen Lebensverhältnisse" noch die Feststellung des Standes des ihn betreffenden Asylverfahrens, zu einem anderen Bescheid führen können.
6. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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