VwGH 92/17/0217

VwGH92/17/021715.9.1995

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, in der Beschwerdesache des Dr. H in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. Juli 1992, Zl. R/1-V-91164, betreffend Einwendungen gegen die Durchführung der Vollstreckung i.A. eines Aufschließungsbeitrages (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Perchtoldsdorf), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §209 Abs1;
BAO §224 Abs1;
BAO §238 Abs1;
BAO §238 Abs2;
BAO §6 Abs2;
BauO NÖ 1976 §119;
BauO NÖ 1976 §14 Abs1;
LAO NÖ 1977 §158 Abs1;
LAO NÖ 1977 §172 Abs1;
LAO NÖ 1977 §185 Abs1;
LAO NÖ 1977 §185 Abs2;
LAO NÖ 1977 §4 Abs2;
BAO §209 Abs1;
BAO §224 Abs1;
BAO §238 Abs1;
BAO §238 Abs2;
BAO §6 Abs2;
BauO NÖ 1976 §119;
BauO NÖ 1976 §14 Abs1;
LAO NÖ 1977 §158 Abs1;
LAO NÖ 1977 §172 Abs1;
LAO NÖ 1977 §185 Abs1;
LAO NÖ 1977 §185 Abs2;
LAO NÖ 1977 §4 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem vom 5. September 1978 datierten Bescheid erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde aufgrund eines Ansuchens der Grundeigentümer vom 26. Juni 1978 gemäß §§ 10 und 11 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976, LGBl. 8200-0 (in der Folge NÖ BauO 1976), die Bewilligung zur Abteilung der Grundstücke Nr. n1 und n2, EZ n3, Nr. n4/7, EZ n5, Nr. n6/2 und Nr. n7/8, EZ n8, KG Perchtoldsdorf, Gerichtsbezirk Mödling, auf einen Bauplatz, sechs Bauplatzteile als Ergänzung zu bestehenden Bauplätzen, Straßengrund und Restgrund gemäß dem Teilungsplan des Ingenieurkonsulenten für Vermessungswesen Dipl.-Ing. A vom 27. April 1978, Zl. 1393/78. Gleichzeitig schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde gemäß § 14 Abs. 1 NÖ BauO 1976 den Teilungswerbern für den durch die Teilung entstandenen Bauplatz einen Aufschließungsbeitrag von S 72.101,25, für die Erweiterung der bestehenden Bauplätze Ergänzungsbeiträge in Höhe von insgesamt S 80.851,88, sohin insgesamt S 152.953,13 vor. Für das Grundstück n9/6, dem das Teilstück "2" des Grundstückes Nr. n2 zugeschrieben werden sollte, errechnete sich aus der Differenz des Aufschließungsbeitrages nach der Teilung von S 94.185,-- und jenes vor der Teilung von S 69.761,25 ein Ergänzungsbetrag von S 24.423,75. Die Fälligkeit dieser Abgabe war mit dem Ablauf von drei Monaten nach Rechtskraft des entsprechenden Grundbuchsbeschlusses vorgesehen. Die Zustellung des Bescheides wurde an Dipl.-Ing. A, Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen, als bevollmächigten Vertreter der Grundeigentümer verfügt.

Die grundbücherliche Durchführung der Abteilung erfolgte aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Mödling vom 10. November 1981, Zl. 7735/81. Bei Beschlußerlassung war N Eigentümer der EZ n3 des Grundbuches der KG Perchtoldsdorf, Gerichtsbezirk Mödling, bestehend aus den Grundstücken Nr. n1 Weingarten und Nr. n2 Weingarten. Unter anderem wurde mit dem genannten Grundbuchsbeschluß das Teilstück "2" des Grundstückes Nr. n2 der EZ n3 ab-, der EZ n10 unter Einbeziehung in das Grundstück n9/6 zugeschrieben. Im Grundbuchsverfahren war N durch Rechtsanwalt Dr. J vertreten. Hingegen wurde die Zustellung des Beschlusses des Grundbuchsgerichtes an den Beschwerdeführer (als Eigentümer der EZ n10) persönlich verfügt.

Am 20. August 1984 richtete der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde an Rechtsanwalt Dr. J ein Schreiben nachstehenden Inhaltes:

"Aktenzeichen: 610-2/3777-843/78/Om/Os

Betrifft: Aufschließungskosten N

H-Straße-B-Straße

EZ n3 (Bescheid v. 12. Jänner 1981)

Die Aufschließungskosten sind drei Monate nach Rechtskraft des Grundbuchsbeschlusses zur Zahlung fällig. Die Durchführung der Grundabteilung erfolgte im Grundbuch am 10. November 1981.

Wir fordern Sie daher auf,

die Aufschließungskosten von S 152.953,13

die Mahngebühr von S 200,--

und den Säumniszuschlag von S 3.059,06

Summe S 156.212,19

sofort zur Einzahlung zu bringen."

Mit Schreiben vom 4. September 1984 teilte Dr. J mit, daß er die Grundeigentümer nicht mehr rechtsfreundlich vertrete und daher ersuche, das Zahlungsbegehren direkt an diese zu richten.

Mit dem Schreiben vom 30. November 1988 forderte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Beschwerdeführer auf, den auf das Grundstück Nr. n9/6 entfallenden Ergänzungsbetrag von S 24.423,75 zu entrichten. Im Zuge des darauf folgenden Schriftwechsels behauptete Rechtsanwalt Dr. J, nunmehr als Vertreter des Beschwerdeführers, mittlerweile sei die Einhebungsverjährung der Abgabe eingetreten. Er habe den Beschwerdeführer im Zeitpunkt des Zuganges des Mahnschreibens vom 20. August 1984 nicht rechtsfreundlich vertreten. Diese Tatsache habe er auch mit Schreiben vom 4. September 1984 mitgeteilt.

Nach einer weiteren Mahnung vom 14. März 1989 stellte die mitbeteiligte Marktgemeinde am 10. Mai 1989 zu

Zl. AZ 941-0/2213/89 einen Rückstandsausweis über den Betrag von S 25.034,35, zusammengesetzt aus Aufschließungskosten von S 24.423,75, Mahngebühr von S 122,12 und Säumniszuschlag von S 488,48, aus.

Am 20. Juli 1989 erhob der Beschwerdeführer Einwendungen gegen die Durchführung der Vollstreckung nach § 13 AbgEO, welche er mit dem Eintritt der Verjährung des Abgabenanspruches begründete. Mit dem am 5. Februar 1990 zugestellten Bescheid vom 30. Jänner 1990 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde die Einwendungen des Beschwerdeführers ab. Die Ergänzungsabgabe zu den Aufschließungskosten sei mit Bescheid AZ 610-2/3777-843/78 vom 5. September 1978 vorgeschrieben worden und drei Monate nach Rechtskraft des Grundbuchsbeschlusses zur Zahlung fällig gewesen. Die Eintragung in das Grundbuch sei am 10. November 1981 erfolgt. Am 20. August 1984 sei Dr. J als VERTRETER DES TEILUNGSWERBERS N gemahnt worden, die gesamten Aufschließungskosten einschließlich Mahngebühr und Säumniszuschlag zu bezahlen. Zu diesem Zeitpunkt sei Dr. J auch Vertreter des Beschwerdeführers gewesen. Erst mit Schreiben vom 4. September 1984 sei die Auflösung der Vollmacht mitgeteilt worden. Dr. J habe den Grundeigentümern am 17. September 1984 eine Ablichtung des Schreibens der mitbeteiligten Marktgemeinde übermittelt und um umgehende Bezahlung ersucht. Diese Mahnung habe eine Unterbrechung der Verjährung nach § 185 Abs. 2 der Niederösterreichischen Abgabenordnung 1977, LGBl. 3400-0, in der Folge NÖ AO 1977, bewirkt.

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid macht der Beschwerdeführer geltend, die Behörde erster Instanz sei bereits auf Grund eines Schreibens Dris. J vom 4. August 1983 davon in Kenntnis gesetzt worden, daß dieser die Liegenschaftseigentümer nicht mehr vertrete. Eine Kopie dieses Schreibens wurde der Berufung angeschlossen.

Mit dem am 18. September 1991 zugestellten Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Marktgemeinde wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. Auch die Berufungsbehörde vertrat die Auffassung, die an Dr. J als Vertreter des Teilungswerbers N gerichtete Mahnung hätte die Verjährungsfrist unterbrochen. Das Schreiben Dris. J vom 4. August 1983 sei dem Sachbearbeiter anläßlich der Verfassung der Mahnung vom 20. August 1984 nicht zur Verfügung gestanden. Die Vollmachtsauflösung sei der Behörde erst aufgrund des Vorbringens in der Berufung bekannt geworden. Im übrigen habe Dr. J auf Grund der an ihn gerichteten Mahnung die Grundeigentümer benachrichtigt. Dabei sei den Grundeigentümern auch mitgeteilt worden, daß der Beschwerdeführer seinen Anteil schon bezahlt habe. Daraus sei zu schließen, daß auch dem Beschwerdeführer der noch offene Betrag zur Kenntnis gebracht worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung und machte geltend, Dr. J sei von ihm zur Entgegennahme von Mahnungen in Sachen Aufschließungsbeiträge niemals bevollmächtigt gewesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die Niederösterreichische Landesregierung die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Nach Wiedergabe der Gesetzesbestimmungen vertrat die Vorstellungsbehörde die Auffassung, eine Mahnung sei schon dann geeignet, die Frist zur Vollstreckungsverjährung zu unterbrechen, wenn sie nur außerhalb der Behörde in Erscheinung tritt. Sogar fehlerhafte oder in der Folge aufgehobene Bescheide würden die Unterbrechung der Einhebungsverjährung bewirken. Auf die Wirksamkeit der Zustellung der Mahnung an den Beschwerdeführer komme es daher nicht an. Das am 20. August 1984 an Dr. J gerichtete Mahnschreiben sei jedenfalls außerhalb der Behörde in Erscheinung getreten und habe daher den Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem subjektiven Recht verletzt sieht, in Ansehung einer bereits verjährten Abgabe nicht belangt werden zu können.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligte Partei legte die Akten vor und erstattete eine Äußerung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde hat, gestützt auf § 14 Abs. 1 NÖ BauO 1976 in der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung anwendbaren Fassung LGBl. 8200-O, betreffend das Grundstück n9/6 eine Ergänzungsabgabe von S 24.423,75 vorgeschrieben.

§ 14 Abs. 1 NÖ BauO 1976 lautet:

"Die Gemeinde hat aus Anlaß der Grundabteilung einen Beitrag zu den Herstellungskosten der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Straßenbeleuchtung einzuheben. Der Beitrag ist gleichzeitig mit der Bewilligung der Grundabteilung vorzuschreiben und wird drei Monate nach Rechtskraft des Grundbuchsbeschlusses fällig."

§ 119 NÖ BauO i.d.F. LGBl. 8200-0 lautet:

"Dingliche Bescheidwirkung

Allen Bescheiden nach diesem Gesetz - ausgenommen jenen nach Abschnitt IX - kommt insoferne eine dingliche Wirkung zu, als daraus erwachsende Rechte auch vom Rechtsnachfolger im Grundeigentum geltend gemacht werden können und daraus erwachsende Pflichten auch vom Rechtsnachfolger im Grundeigentum zu erfüllen sind. Der Rechtsvorgänger ist verpflichtet, dem Rechtsnachfolger alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und alle bezüglichen Unterlagen auszuhändigen. Bei einem Bescheid nach § 10 scheidet der Rechtsvorgänger im Grundeigentum als Abteilungswerber aus den Verpflichtungen gemäß §§ 13 und 14 nicht aus, sondern haftet mit dem Rechtsnachfolger im Grundeigentum zur ungeteilten Hand."

Die Berufungsbehörde ist in ihrer Bescheidbegründung davon ausgegangen, daß der Voreigentümer des vom Beschwerdeführer erworbenen Teilstückes des Grundstückes Nr. n2 der EZ n3, N, als Antragsteller bezüglich der Teilungsbewilligung vom 5. September 1978 (Teilungswerber) aufgetreten ist. Durch die bücherliche Durchführung des Beschlusses des Bezirksgerichtes Mödling vom 10. November 1981 ist N aus den Verpflichtungen aufgrund des Bescheides vom 5. September 1978 nicht ausgeschieden, sondern haftete mit dem Beschwerdeführer als Rechtsnachfolger im Grundeigentum zu ungeteilter Hand. Der Voreigentümer bleibt gemäß § 119 letzter Satz NÖ BauO nämlich neben dem neuen Eigentümer, auf den die Pflichten aus dem Bescheid übergehen, Abgabenschuldner. Das in § 119 letzter Satz NÖ BauO enthaltene Wort "haftet" hat offenbar nur die Bedeutung von "Einstehenmüssen für eine EIGENE Schuld" (vgl. Erkenntnis 25. Mai 1984, 83/17/0241). Der Voreigentümer muß daher nicht erst mit Haftungsbescheid (§ 172 NÖ LAO) aus einer Haftung in Anspruch genommen werden.

§ 185 NÖ AO 1977 bestimmt:

"(1) Das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, verjährt binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist; keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe.

(2) Die Verjährung fälliger Abgaben wird durch jede zur Durchsetzung des Anspruches unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung, wie durch Mahnung, durch Vollstreckungsmaßnahmen oder durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung, unterbrochen. Nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen."

Nach der Judikatur vermag eine nur gegen einen von mehreren Gesamtschuldnern gerichtete Unterbrechungshandlung dem davon nicht betroffenen anderen Gesamtschuldner nicht zu schaden. Einhebungsmaßnahmen, die nur gegen einen von mehreren Mitschuldnern gerichtet sind, betreffen nur dessen Einhebungsverhältnis und unterbrechen nur die gegen diesen Schuldner laufende Verjährungsfrist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 12. Jänner 1967, 1384/65, vom 16. März 1967, 75/65, und vom 13. November 1992, 91/17/0047).

Das Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 20. August 1984 ist aber eindeutig nur gegen den Abgabenschuldner N gerichtet, wie sich aus der ausdrücklichen Anführung dieses Namens im Betreff des Mahnschreibens sowie aus der unaufgeschlüsselten Einmahnung der gesamten, anläßlich der Teilung der Liegenschaft EZ n3 vorgeschriebenen, Aufschließungskosten ergibt.

Da sich die Einbringungsmaßnahme der erstinstanzlichen Behörde ihrem Inhalt nach gar nicht gegen den Beschwerdeführer, sondern gegen einen (anderen) Abgabenmitschuldner gerichtet hat, war sie nicht geeignet, die Einhebungsverjährungsfrist gegen den Beschwerdeführer zu unterbrechen, wobei die Frage des Zuganges des gar nicht für ihn bestimmten Mahnschreibens an den Beschwerdeführer ohne Bedeutung ist.

Die Vorstellungsbehörde hat ihre Entscheidung ausschließlich darauf gestützt, daß die Mahnung vom 20. August 1984 die Einhebungsverjährungsfrist unterbrochen hätte. Durch diese unrichtige Rechtsansicht hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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